Wann muss eine Abteilung in Quarantäne, wann darf ein infizierter Mitarbeiter wieder ins Büro kommen? Die Marktheidenfelder Unternehmerin Tina Bitterer ist selbst Risikopatientin und ging deshalb auf Nummer sicher, als sich ein Mitarbeiter ihrer Energieberatung mit Corona infizierte. "Als ich erfuhr, dass mein Mitarbeiter positiv ist, habe ich sofort alle anderen Kollegen nach Hause und zum Corona-Test geschickt", erzählt sie.
Der positiv getestete Mitarbeiter schickte daraufhin eine Excel-Tabelle mit seinen Kontakten, auch aus dem Unternehmen, an das Gesundheitsamt – Bitterer rechnete damit, dass nun alle elf Mitarbeiter unter Quarantäne gestellt würden. Tage vergingen, doch vom Gesundheitsamt Main-Spessart hörte die Firmenchefin nichts. Eine Mitarbeiterin aus dem Haßbergekreis wurde jedoch bereits zwei Tage nach dem positiven Testergebnis des Kollegen von ihrem zuständigen Gesundheitsamt in Quarantäne geschickt.
Keine Quarantäne für Marktheidenfelder Unternehmen
Auf Nachfrage teilte das Gesundheitsamt Main-Spessart Bitterer mit, die Excel-Tabelle mit den Kontakten des Mitarbeiters sei leer gewesen. Bitterer schickte daraufhin selbst ein zweite Tabelle und erhielt darauf die Antwort, das Unternehmen werde nicht unter Quarantäne gestellt, denn an seinem letzten Arbeitstag sei der infizierte Mitarbeiter wohl noch nicht ansteckend gewesen.
Der Mann hatte zuletzt an einem Freitag gearbeitet, am Wochenende stellte sich dann heraus, dass einer seiner engen Familienangehörigen Corona hatte. Bitterer hatte den Mitarbeiter daher schon am Montag und Dienstag gebeten, nicht ins Büro zu kommen. Am Mittwoch erhielt er schließlich auch ein positives Ergebnis.
Auf Nachfrage dieser Redaktion erklärt die Pressestelle des Landratsamts, wie in solchen Fällen entschieden wird. Das Gesundheitsamt halte sich hier an die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts. Das geht davon aus, dass ein Patient 48 Stunden vor den ersten Corona-Symptomen bereits infektiös ist. Bei einem Patienten ohne Symptome müssen all jene in Quarantäne, die in den 48 Stunden vor dem positiven Test Kontakt zum Patienten hatten. Da der Bitterer-Mitarbeiter am Montag getestet wurde, wäre er nach dieser Logik erst am Samstag infektiös gewesen.
Beinah unwissentlich positiv zur Arbeit gegangen
Der Mitarbeiter erhielt vom Gesundheitsamt schließlich die Nachricht, er dürfe nach Ablauf seiner Isolationszeit wieder arbeiten. Tina Bitterer war das jedoch zu unsicher, sie bat den Mitarbeiter, einen weiteren Corona-Test zu machen. Das Ergebnis: positiv.
"Wäre der Mitarbeiter nach der Isolationszeit ohne weiteren Test zurück in die Firma gekommen, hätte er alle anderen anstecken können", so Bitterer. "Ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen aus der Quarantäne entlassen werden und immer noch positiv sind, weil kein zweiter Test angefordert wurde."
Das Landratsamt erklärt, auch hier halte sich das Gesundheitsamt Main-Spessart an die Vorgaben des RKI: Patienten werden entlassen, wenn "von einer Weiterverbreitung nicht mehr auszugehen ist", heißt es auf der Website des RKI. Bei Patienten mit einem schweren Krankheitsverlauf, die beatmet werden mussten, endet die Isolierung frühstens zehn Tage nach Beginn der Symptome, wenn der Patient die letzten 48 Stunden seiner Isolation symptomfrei war und zudem einen negativen PCR-Test vorweisen kann.
Zweiter Test ist nicht unbedingt notwendig
Wer einen leichten Verlauf hatte, muss keinen Test machen. Und wer positiv getestet wurde, aber keine Symptome hatte, kann frühstens zehn Tage nach dem Nachweis des Erregers aus der Isolation entlassen werden, auch ohne zweiten Test.
Tina Bitterer findet dieses Praxis "krass". Als Unternehmerin hat sie wohl richtig gehandelt, als sie direkt nach dem positiven Testergebnis des Mitarbeiters alle anderen Angestellten nach Hause schickte und eine Liste mit Kontaktdaten erstellte.
Bleibt die Frage, warum die Angestellte aus dem Haßberge-Kreis in Quarantäne musste, während keiner der Main-Spessarter Kollegen als enge Kontaktperson eingestuft wurde. Das Gesundheitsamt müsse sich auf die Angabe der positiv getesteten Person verlassen, sagt dazu die Pressestelle des Landratsamt. Möglich sei, dass ein Corona-Positiver gegenüber verschiedenen Gesundheitsämtern abweichende Angaben mache und die Ämter die Situation daher unterschiedlich bewerten.