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Aura: Wie ein Genesener mit den Spätfolgen von Covid-19 kämpft

Aura

Wie ein Genesener mit den Spätfolgen von Covid-19 kämpft

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    Nicht mehr krank, aber lange noch nicht fit: Ein genesener  Covid-19-Patient schildert seine Erkrankung - und den langen Weg zurück ins Leben.
    Nicht mehr krank, aber lange noch nicht fit: Ein genesener  Covid-19-Patient schildert seine Erkrankung - und den langen Weg zurück ins Leben. Foto: Björn Kohlhepp

    Über 200 000 Corona-Infizierte in Deutschland sind wieder genesen. Doch was heißt das, "genesen"? Der ehemalige zweite Bürgermeister von Aura im Landkreis Main-Spessart hat nach einer schweren Corona-Erkrankung im März noch immer mit den Folgen zu kämpfen. Von Bekannten werde er oft angesprochen: "Und, wieder fit?" Das sei er eben nicht, sagt der 61-Jährige. "Ich bin zwar genesen, aber nicht gesund." Er kämpft sich zurück in ein normales Leben und warnt eindringlich vor dem "gefährlichen und hinterhältigen Virus".

    Drei Wochen lang kämpften Ärzte und Pfleger im Krankenhaus in Lohr in diesem Frühjahr um sein Leben. Drei Wochen, in denen er bäuchlings im Koma lag und beatmet wurde, weil seine Lunge nicht mehr funktionierte. Auch aus Dank gegenüber seinen Lebensrettern aus der Klinik erzählt er seine Geschichte – und weil er den "Unfug" von Corona-Leugnern und Maskenverweigerern für gefährlich hält.

    Treppensteigen strengt ihn noch immer an

    Der 61-Jährige bittet zum Gespräch ins Wohnzimmer im ersten Stock seines Hauses. Das Treppensteigen strengt ihn sichtlich an, er muss schnaufen. In den nächsten zwei Stunden hat er immer wieder kleine Hustenanfälle. Er sieht gesund aus. Aber das täusche, sagt er. "Ich bin froh, wenn ich über die Straße zu meinem Auto komme." Sein Lungenvolumen betrage nur noch rund 60 Prozent, die Sauerstoffsättigung im Blut falle bei Anstrengung rapide ab. Auf dem Heimtrainer brauche er einen Inhalator, nach fünf Minuten ist erst einmal Schluss.

    Der pensionierte Bundespolizist und ehemalige Berufssoldat hatte keinerlei Vorerkrankungen. Herz, Lunge, Nieren, alles war in Ordnung. Durch Radfahren und gelegentliche Waldläufe hielt er sich fit. Sein guter Allgemeinzustand sei womöglich sein Glück gewesen, meint der 61-Jährige. Durch die Erkrankung habe er 20 Kilogramm Gewicht verloren. Zehn immerhin habe er inzwischen wieder drauf. Er sei recht zufrieden mit seiner jetzigen Situation. "Aber gesund ist was anderes."

    Er infizierte sich offenbar bei einer Reise nach Spanien

    Das Virus fing er sich wohl bei einer Reise nach Bilbao Mitte März ein. Ob in Spanien, im Flieger oder am Flughafen in Frankfurt, wo es zu Beginn der Pandemie noch keine Maskenpflicht und keinerlei Hygiene-Maßnahmen gab, vermag er nicht zu sagen. "Relativ schnell hab ich gemerkt, dass irgendwas nicht passt." Freiwillig blieb er nach der Rückkehr zu Hause in Quarantäne. Das Gesundheitsamt habe bei einem Anruf abgewinkt, er sei ja nicht in Madrid gewesen, das damals als Hotspot galt. Er hatte starke Atemnot, konnte kaum die Zeitung von unten holen. Sein Zustand sei immer schlimmer geworden.

    Der herbeigerufene Notarzt tippte auf eine Rippfellentzündung und gab Antibiotika. Zwei Tage später bekam der 61-Jährige keine Luft mehr. Sein Hausarzt rief einen Rettungswagen. Nach Würzburg hätte er es nicht mehr geschafft, glaubt der Main-Spessarter, das Nierenversagen hatte schon eingesetzt.

    Im Krankenhaus in Lohr wurde er sofort intubiert und in künstliches Koma versetzt. Seiner Frau habe er vorher immerhin noch kurz Bescheid sagen können. Die hatte sich bei ihm angesteckt, aber einen leichten Verlauf. Er selbst war einer von zwei Corona-Infizierten, die in Lohr wochenlang beatmet wurden. Auf Röntgenbildern aus der Zeit im Koma sehe die Lunge "total weiß, milchig" aus, sagt er. Sein Hausarzt habe so etwas noch nicht gesehen.

    Drei Wochen Koma, im Rollstuhl ging es zur Reha

    Nach drei Wochen im Koma bekam er eine Thrombose und durch die ständige Bauchlage ein offenes Kinn, aber er lebte. Von der einwöchigen Aufwachphase habe er wenig mitbekommen. Er habe ständig Albträume gehabt. Im Rollstuhl ging es im Anschluss für zehn Wochen auf Reha nach Bad Kissingen. Anfangs war er auf seinem Zimmer isoliert, irgendwann durfte er immerhin für eine Stunde pro Woche seine Frau sehen.

    Seine Familie habe in der ganzen Zeit viel Zuspruch von Bekannten und Nachbarn erhalten, er selbst jede Menge Genesungswünsche. "Das gibt Kraft." Die Corona-Reha, wo auch jüngere Patienten gewesen seien, diente zum Muskelaufbau, aber auch zu neurologischen Übungen, da seine Konzentrations- und Merkfähigkeit gelitten hatte.

    Immer noch habe er ab und an Wortfindungsstörungen, sagt der 61-Jährige. Andere aber habe es noch schlimmer getroffen: Einem Mitpatienten in der Reha habe wegen mangelhafter Durchblutung die Fingerkuppe amputiert werden müssen.

    Er ist weiterhin in Behandlung bei einem Lungenfacharzt, noch immer muss er täglich Cortison inhalieren. Zwei, drei Mal in der Woche kommt ein Physiotherapeut. In seinem rechten Bein habe er nach wie vor ein Taubheitsgefühl. Und er atme immer noch zu sehr mit der Brust statt mit dem Zwerchfell.

    Kein Verständnis für Partys und große Feiern 

    Der 61-Jährige ist vorsichtig, meidet größere Menschenansammlungen. Ein Bußgeld für Maskenverweigerer hält er für sinnvoll, die Einhaltung der Hygiene-Regeln für absolut notwendig. "Ich habe kein Verständnis für größere Familienfeiern oder Partys im Moment." Ein Jahr, bis hoffentlich ein Impfstoff da sei, könne doch wohl jeder aushalten. Auch er werde sich dann impfen lassen, weil niemand wisse, ob und wie lange er immun ist. Auf jeden Fall will er jetzt erst einmal die Impfung gegen Pneumokokken und Grippe machen.

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