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Karlstadt: Das Karlstadter Zementwerk Schwenk: Dauerbaustelle und Motor für den Wiederaufbau

Karlstadt

Das Karlstadter Zementwerk Schwenk: Dauerbaustelle und Motor für den Wiederaufbau

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    Das Zementwerk Schwenk 1963, noch ohne den neuen Hafen: Von den damaligen Gebäuden steht heute fast keines mehr.
    Das Zementwerk Schwenk 1963, noch ohne den neuen Hafen: Von den damaligen Gebäuden steht heute fast keines mehr. Foto: Archiv Schwenk

    Erst seit 1937 ist das Zementwerk in Karlstadt in den Händen der Unternehmerfamilie Schwenk. Vorher hörte es auf den Namen "Portland-Cement-Fabrik Karlstadt am Main Aktiengesellschaft". Neben dem guten Muschelkalkvorkommen spielte für den Erwerb offensichtlich auch eine Rolle, dass das Werk über die Eisenbahn und den Main sowie die Mainbrücke gut "an die Welt angebunden" war, wie es in der Chronik von Schwenk heißt. Der Jahresversand lag damals bei beachtlichen 260.000 Tonnen Zement.

    Bereits 1926 war Drehrohrofen 1 in Betrieb gegangen. Es gab eigene Schiffe. 60 Gesellen arbeiteten in der eigenen Küferei, denn ein Teil des wertvollen Zements wurde in Fässer gefüllt. Die Arbeiterschaft bestand zu einem Großteil aus Bauern, die teilweise erhebliche Anfahrtswege auf sich nahmen.

    Gleich im Jahr nach dem Erwerb durch Schwenk wurde in Deutschland eine Produktionsspitze beim Zement erreicht. Denn der Machtübernahme 1933 folgten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und eine Belebung auf dem Bausektor. So wurden Siedlungsbauten gefördert und der Bau der Autobahn sollte sich auf den Zementbedarf auswirken. 1939 wurde in Karlstadt als Drehofen 2 ein Lepol-Ofen in Betrieb genommen, benannt nach dessen Entwickler Dr. Otto Lellep von der Polysius AG. Er reduzierte den Brennstoffverbrauch um ein Drittel.

    Der Demontage entkommen

    Dem Boom folgte jedoch ein drastischer Rückgang in der Zementproduktion. Mit Kriegsbeginn am 1. September 1939 durfte Schwenk nur noch für den Inlandsmarkt produzieren. Wie im Karlstadter Jahrbuch berichtet wird, ersetzten ein Jahr später die ersten Kriegsgefangenen aus Frankreich und Belgien die 60 Betriebsangehörigen, die zur Wehrmacht eingezogen worden waren. 1942 waren von den 236 Werksangehörigen 120 Mann eingezogen.

    Ersatzweise arbeiteten im Zementwerk 45 Männer und zwölf Frauen aus dem Osten, meist Ukrainer. Sie wohnten in den für sie errichteten „Russenbaracken“ auf dem westlichen Fabrikgelände. 1944 waren von den 182 einheimischen Mitarbeitern gar 159 im Krieg. Neben den wenigen Verbliebenen verrichteten 14 Kriegsgefangene, 48 Männer und Frauen aus der Ukraine und Russland, 74 internierte Italiener, 25 Zivil-Italiener und 35 Polen die anfallende Arbeit.

    Wenigstens gehörte das Werk Karlstadt zu den Standorten der Familie Schwenk, die bis zum Kriegsende unzerstört blieben. Doch das Werk Karlstadt war als Reparationsleistung vorgesehen. Nach der Besichtigung durch die interalliierten Kommissionen waren die Maschinen in Karlstadt bereits mit Nummern versehen. Doch es kam nie zur Demontage. Unter anderem argumentierten die Inhaber, dass das Werk "heruntergewirtschaftet" sei und nach einer Demontage nicht mehr genutzt werden könne. Mit Kriegsheimkehrern stieg die Belegschaft bis Ende Dezember 1945 wieder auf 215 Mann.

    In der Nachkriegszeit gab es neben der "Zigarettenwährung" auch eine "Zementwährung". Dafür waren bei Bauern Lebensmittel zu bekommen. 1948 wurde die Fassfabrikation stillgelegt. Da betrug die Zementproduktion 160.000  Tonnen jährlich. Doch Zement wurde benötigt für den Wiederaufbau. Bis 1955 stieg der Ausstoß auf 500.000 Tonnen an. 25 Prozent der bayerischen Jahresproduktion kamen aus Karlstadt. Hergestellt wurden Portlandzement, Eisenportland und Hochofenzement.

    Drehöfen lösten andere Ofentypen ab

    Das Werk selbst war Dauerbaustelle. Die fünf Schachtöfen wurden 1956 stillgelegt. Im selben Jahr wurden der Drehofen Nummer 3 und das dazugehörige Rohmehlsilo eingebaut. 1960 wurde der alte Ringofen abgebrochen. 1961 erfolgte die Umstellung von Kohle auf schweres Heizöl als Brennstoff für die Drehöfen. Vom Hafen aus verlief eine Pipeline bis ins Werk. Das Werk hatte einen Heizölbedarf von 240 Tonnen täglich. Das entspricht zwei Mainschiffen pro Woche. Und es hatte den höchsten Stromverbrauch aller Unternehmen in Nordbayern.

    1960 stand der erste Teil des Gitterturms. Der Wärmetauscher gehörte zu Ofen 4.
    1960 stand der erste Teil des Gitterturms. Der Wärmetauscher gehörte zu Ofen 4. Foto: Archiv Schwenk

    1962 gingen die rund 50 Meter langen Drehöfen 4 und 5 in Betrieb. Dafür wurde auch der 63 Meter hohe Doppelgitterturm gebaut. Dieser Wärmetauscherturm gab der Skyline des Werks ein neues Gepräge. Mitte der 1960er Jahre lag der Ausstoß bei mehr als einer Million Tonnen Zement jährlich.

    Das Zementwerk Schwenk 1967, vom Steinbruch aus gesehen. Links läuft das Förderband über den Main. Der Hafen rechts steht kurz vor der Vollendung.
    Das Zementwerk Schwenk 1967, vom Steinbruch aus gesehen. Links läuft das Förderband über den Main. Der Hafen rechts steht kurz vor der Vollendung. Foto: Walter Röder

    Der Stundenlohn reichte von 3,20 Mark für einfache Hilfsarbeiter bis 3,55 Mark für Handwerker mit abgeschlossener Lehre bei einer 45-Stunden-Woche. Es gab Staub-, Schmutz- und Hitzezulagen, außerdem Schicht und Feiertagszulagen sowie Leistungszuschläge. Das Essen in der Kantine kostete damals 80 Pfennige. Alle Beschäftigten erhielten für ihren Eigenverbrauch verbilligten Zement.

    Franz Biener hielt um 1974 im Foto fest, wie ein Schlot im Zementwerk Schwenk in Karlstadt gesprengt wurde.
    Franz Biener hielt um 1974 im Foto fest, wie ein Schlot im Zementwerk Schwenk in Karlstadt gesprengt wurde. Foto: Franz Biener

    Er war der größte Drehofen Europas

    Die Umrüstung schritt weiter voran. 1968 ging Ofen 6 in Betrieb. Er ist bis heute das Kernstück der Klinkerproduktion. Damals war er mit einer Länge von rund 90 Metern, einem Durchmesser von 5,60 Metern und einer Tagesleistung 3600 Tonnen der größte Drehofen Europas. Zusammen mit dem neuen Ofen entstand neben dem Gitterturm der neue, 84 Meter hohe Wärmetauscher-Turm mit der glatten Außenhaut. Deutschlands erster Elektrofilter mit Kühlerabluft wurde eingebaut.

    Auch das Förderband, errichtet 1961, das die 800 Meter lange Strecke vom Steinbruch über den Main bis ins Werk überbrückt, galt als das längste durchgehende Förderband Europas. Erst später wurden Stationen eingebaut, um zum Beispiel an verschiedenen Stellen Material absieben oder es beschicken zu können. Im Bauboomjahr 1972 lag die Zementproduktion bei 1,4 Millionen Tonnen Zement.

    Abfälle als Ersatzbrennstoffe

    1980 folgte die Umstellung von schwerem Heizöl auf Braunkohle. Täglich wurden 450 Tonnen Braunkohlenstaub verfeuert, angeliefert mit etwa zwei Güterzügen Braunkohlenstaub pro Woche. 1983 begann der Ersatz des Primärbrennstoffs Kohle durch Sekundärbrennstoffe wie Reifen. Im Drehofen hatten sie mit 36 Tonnen täglich einen Anteil von etwa zehn Prozent. Nach und nach kamen immer mehr Brennstoffe hinzu, die anderswo Abfall sind. 2002 beispielweise ging es um die Genehmigung, 10.000 bis 15.000 Tonnen Tiermehl im Jahr in den Karlstadter Drehofen zu blasen, bis zu fünf Tonnen in der Stunde. Andere Sekundärbrennstoffe sind Altholz, Teppichabschnitte, Papier oder nicht recycelbare Reste aus dem gelben Sack.

    Drehofen 6 hat einen Durchmesser von 5,60 Metern. Hier wird die Ausmauerung teiweise erneuert.
    Drehofen 6 hat einen Durchmesser von 5,60 Metern. Hier wird die Ausmauerung teiweise erneuert. Foto: Karlheinz Haase

    Die letzte deutliche Veränderung beim Brennstoff brachte der Einsatz von Klärschlamm. 2005 setzte die damalige bayerische Umweltministerin Emilie Müller per Knopfdruck bei Schwenk in Karlstadt die weltweit größte Bandtrocknungs-Anlage für Klärschlamm in Betrieb. 120.000 Tonnen Klärschlamm kann sie im Jahr trocknen, um ihn für die Verbrennung im Drehofen vorzubereiten. Zum Vergleich: In ganz Bayern fallen jährlich 480.000 Tonnen Klärschlamm an. Die Aschen aus der Verbrennung werden komplett in den Zementklinker eingebunden.

    Zugleich wurde die Filtertechnik stetig verbessert. 2005/2006 kam ein neues Tuchfilter. Es reinigt besser als die vorhergegangenen Elektrofilter und ist weniger störanfällig. Zuletzt folgte 2019 ein Katalysator mit einer Investitionssumme von elf Millionen Euro.

    Braunkohlenstaub war ein wesentlicher Brennstoff zum Betrieb des Drehofens im Karlstadter Zementwerk Schwenk. Etwa zwei Güterzüge pro Woche wurden verheizt.
    Braunkohlenstaub war ein wesentlicher Brennstoff zum Betrieb des Drehofens im Karlstadter Zementwerk Schwenk. Etwa zwei Güterzüge pro Woche wurden verheizt. Foto: Karlheinz Haase

    Mischwerk mit 71 Meter hohem Turm

    1997 entstand auf der Westseite des Laudenbacher Wegs ein neuer Turm. Mit 71 Metern Höhe wurde das Mischwerk zu einem neuen Bestandteil der Skyline. Dort werden verschiedene Putz- und Mörtelsorten gemischt. Bis 2015 arbeitete es unter der Flagge von Schwenk, dann erfolgte der Verkauf der Putztechnik an Sievert in Osnabrück.

    Nicht zu Schwenk gehörig, aber eng mit dem Zementwerk verwoben war die "Tuttefabrik", die Zement- und andere Säcke herstellte. Im Jahr 2000 verließ diese Firma F + B Verpackungen mit ihren 150 Mitarbeitern den Standort Karlstadt und zog nach Hammelburg-Westheim.

    Lange prägte der Wärmetauscher-Gitterturm  das Bild des Zementwerks in Karlstadt. 2007 wurde er abgerissen.
    Lange prägte der Wärmetauscher-Gitterturm  das Bild des Zementwerks in Karlstadt. 2007 wurde er abgerissen. Foto: Karlheinz Haase

    Zentrale Überwachung vom Leitstand aus

    Der Gitter-Wärmetauscherturm wurde 2007 abgerissen. Im selben Jahr ging der Leitstand mit 18 großen Bildschirmen in Betrieb. Die wichtigsten Vorgänge im Werk sind hier laufend per Videokamera „auf Sendung“. So zeigt einer der Schirme den Blick in den Drehofen mit der orange-rot lodernden Flamme. Sofort ist zu sehen, wenn es irgendwo zu Unregelmäßigkeiten kommt. Der nächste Bildschirm erlaubt die Überwachung der Brennstoffzufuhr. Man sieht Reifen, getrockneten Klärschlamm und andere Sekundärbrennstoffe durch die Brennstoffklappe fallen. Neben diesen zentralen Produktionsabläufen wird auch die Peripherie überwacht. Das beginnt bei der Werkseinfahrt und reicht über die Schiffsverladung im Hafen bis zum Steinbruch.

    Aufgeräumt präsentiert sich heute das Zementwerk in Karlstadt.
    Aufgeräumt präsentiert sich heute das Zementwerk in Karlstadt. Foto: Johannes Ungemach

    Die Automatisierungen spiegelt sich in der Belegschaft wider. Bei der Übernahme durch Schwenk 1937 hatte das Werk 471 Arbeitnehmer. Nach dem Krieg 1948 waren es 309, um innerhalb von zwei Jahren auf 605 zu steigen. Dann folgte ein kontinuierlicher Rückgang auf 518 Personen 1960, 446 im Jahr 1970 und 285 im Jahr 1980. 2020 waren es noch 210 Menschen, die im Zementwerk und im Steinbruch Arbeit fanden.

    Zum Politikum wurde in Karlstadt jeweils die Sicherung von Abbaufläche. 1995 wurden 75 Hektar Land für künftige Steinbruchsfläche verkauft. 2013 erfolgte der Verkauf von 83 Hektar Wald in der Gemarkung Laudenbach.

    Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter /dossier/geschichte-der-region-main-spessart/

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