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Marktheidenfeld: Demenz-WGs: Warum funktioniert die alternative Wohnform so gut?

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Demenz-WGs: Warum funktioniert die alternative Wohnform so gut?

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    Im Frühjahr 2018 eröffnete die vierte Demenz-WG im Marktheidenfelder Raum. Mittlerweile ist das Konzept erprobt und bewährt. 
    Im Frühjahr 2018 eröffnete die vierte Demenz-WG im Marktheidenfelder Raum. Mittlerweile ist das Konzept erprobt und bewährt.  Foto: AOK

    Es ist mittlerweile 13 Jahre her, dass im Marktheidenfelder Raum, im Esselbacher Ortsteil Kredenbach, 2007 die erste Demenz-WG entstand. Das Konzept funktionierte und begeisterte alle Beteiligten. Und es fand Nachahmer: Es folgten in den Jahren 2014 und 2015 zwei Demenz-WGs in Trennfeld. Zuletzt eröffnete 2018 eine WG in der Marktheidenfelder Kernstadt. Gemeinsamer Grundgedanke aller WGs: Die Selbstbestimmung der Bewohner möglichst lange erhalten.

    Von der ersten bis zur zuletzt eröffneten WG mit dabei war Marianne Tschammer. Im Mai 2019 hat sie als Leiterin bei der ökumenischen Sozialstation St. Elisabeth in Marktheidenfeld aufgehört. Als Beraterin des Vorstands ist sie ihr aber immer noch verbunden. Vor allem aber ist sie Expertin in Sachen Demenz-WG.

    "Niemand wusste damals wie "WG" geht", erzählt sie von den Anfängen in Kredenbach. Den Anstoß gab damals die Familie Blaul, die mit der Unterkunft des dementen Großvaters im Pflegeheim unglücklich war. Von dem Konzept überzeugt, entschloss sich Heiko Blaul  zum Neubau einer Wohngemeinschaft im Ort. Wie neu und verunsichernd diese neue Wohnform damals war, zeigen die kontroversen Diskussionen, die es im Gemeinderat gab, erinnert sich Marianne Tschammer. 

    Im WG-Leben werden die zehn Bewohner rund um die Uhr betreut

    Mittlerweile ist das Konzept erprobt und bewährt. Wie es funktioniert? Grundlage sind  drei Säulen. Ein Vermieter, der die Räumlichkeiten oder das Haus stellt und vermietet. Das Angehörigengremium, das sich um die Finanzen kümmert sowie darüber entscheidet, wer einzieht. Sowie die ökumenische Sozialstation, die die Betreuung und Pflege der Bewohner übernimmt, aber auch Vorschläge für neue Bewohner macht. 

    Berichten über das Thema Demenz-WG in Marktheidenfeld: (Von links) Die ehemalige geschaftsführende Pflegedienstleiterin der ökumenischen Sozialstation St. Elisabeth Marianne Tschammer und die stellvertretende Pflegedienstleiterin Irina Chwalczyk.
    Berichten über das Thema Demenz-WG in Marktheidenfeld: (Von links) Die ehemalige geschaftsführende Pflegedienstleiterin der ökumenischen Sozialstation St. Elisabeth Marianne Tschammer und die stellvertretende Pflegedienstleiterin Irina Chwalczyk. Foto: Lucia Lenzen

    Im WG-Leben werden die zehn Bewohner rund um die Uhr mindestens von einer examinierten Pflegekraft sowie einem Helfer betreut. Tagsüber unterstützt zusätzlich noch eine Hauswirtschafterin, die sich um die Mahlzeiten kümmert. Je nach Wochentag kommen zudem Betreuungs-Assistenten zum Singen, Basteln oder zum Spazieren gehen in die WG. Wichtig dabei: Das individuelle Bedürfnis der Bewohner steht im Vordergrund und wird respektiert. "Wir haben Leute, die schlafen bis halb elf in den  Vormittag hinein. Andere kommen bereits um fünf Uhr morgens und wollen einen Kaffee", erzählt Irina Chwalczyk, stellvertretende Pflegedienstleiterin bei der ökumenischen Sozialstation. Auch die Teilnahme an den Aktivitäten steht jedem offen.  

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    Ebenfalls eins wichtiger WG-Baustein: Das eigene Zimmer als Rückzugsort. Bei Bezug sind die Räume leer und werden mit den persönlichen Gegenständen der Bewohner eingerichtet. Die eigene Bettwäsche, der Schreibtisch, der geliebte Schaukelstuhl – sie geben Sicherheit und Vertrautheit. Und trotzdem ist eine Demenz-WG nicht für jeden Erkrankten geeignet. "Manchmal passt der Tagesablauf nicht, manchmal die Art und Weise der Menschen untereinander", so Tschammer. Um das herauszufinden, gibt es neben einer 14-tägigen Probezeit auch ein Gästezimmer in jeder WG. Hier können Demenzkranke in das WG-Leben reinschnuppern. Zum Beispiel, wenn ihre pflegenden Angehörigen alleine Urlaub machen.  

    Wichtiger Baustein einer Demenz-WG: Das individuelle Bedürfnis der Bewohner steht im Vordergrund und wird respektiert.
    Wichtiger Baustein einer Demenz-WG: Das individuelle Bedürfnis der Bewohner steht im Vordergrund und wird respektiert. Foto: Patty Varasano

    Apropos Angehörige: Auch hier muss die Chemie zwischen den Menschen stimmen. Neben den regelmäßigen Sitzungen des Angehörigen-Gremiums gibt es gemeinsame Aktionen. So kümmern sich in Kredenbach die Familienmitglieder zum Beispiel um den WG-Garten und es werden Sommerfeste oder Advents-Stündchen organisiert. Vor allem aber kommen die Angehörigen regelmäßig zu Besuch und begleiten die Menschen in der WG ein Stück weit in ihrem Tag. Im Idealfall verschmilzt dabei die Zugehörigkeit und egal, wer von den Angehörigen zu Besuch kommt: Er besucht eigentlich alle.

    Vorteile dieser kleinen, aber sehr persönlichen Betreuungsform haben sich herumgesprochen

    Ab und zu geht es aber auch um die Lösungssuche in schwierigen Fällen. Was ist zum Beispiel, wenn einer der Bewohner den ganzen Tag schreit? Oder jemand aus der WG stirbt. "Der Platz von dem verstorbenen WG-Mitglied bleibt dann erst einmal eine Zeit lang leer", erzählt Tschammer.  

    Längst haben sich die Vorteile dieser kleinen, aber sehr persönlichen Betreuungsform herumgesprochen. "Wir haben immer eine Warteliste. Momentan sind es zwölf Leute, die darauf stehen", sagt Irina Chwalczyk. Immer mehr Angehörige sehen in der Wohngemeinschaft eine gute Alternative zum Pflegeheim. Doch neben dem Interesse an der Wohnform seien leider auch die Auflagen gestiegen.

    Bleibt die Frage nach den Kosten. Was ein Platz in einer Demenz-WG konkret kostet sei individuell und vom Pflegegrad abhängig, so die ehemalige Sozialstation-Leiterin.  Im Vergleich seien die Kosten aber mit dem Aufenthalt in einem Pflegeheim im mittleren Preissegment vergleichbar. Fördergelder? Auch die gebe es von der bayerischen Staatsregierung, so Tschammer. In Anspruch genommen werden sie aufgrund des hohen Bürokratieaufwands aber nicht. 

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