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LOHR: Den richtigen Bogen im Leben raus

LOHR

Den richtigen Bogen im Leben raus

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    Unzählige nationale und internationale Erfolge haben sie kein bisschen überheblich werden lassen. Jetzt wird für Carolin Ott ein australischer Traum wahr: Die Lohrer Bogenschützin startet im Oktober bei den Paralympics 2000 in Sydney.

    Dabei hätte es sich die 34-Jährige nicht träumen lassen, einmal sportlich so erfolgreich zu werden, denn Ott ist behindert. Schon seit ihrem zwölften Lebensjahr gehört der Rollstuhl zu ihrem Leben. Eine beidseitige Hüftdisplasie, eine Fehlstellung der Hüften und eine inkomplette Querschnittslähmung sind dafür verantwortlich, dass Ott noch nie frei laufen konnte und immer auf Krücken oder ihren "Rolli" angewiesen sein wird.

    Von ihrem ersten Lebensjahr weiß sie: "Ich war vom kleinen Fußzeh bis zum Bauchnabel eingegipst." Mit zwölf Monaten wurde die Fehlstellung der Hüften - soweit möglich - korrigiert.

    Platz 13 in der Welt

    "Frei Laufen konnte ich aber noch nie, ich brauchte immer die Hand meiner Eltern oder Krücken", erzählt die Sportlerin, die derzeit Platz 13 der weltbesten behinderten Bogenschützinnen belegt.

    In den 60er Jahren war die Krankengymnastik noch weniger weit entwickelt. Ott konnte deshalb nicht in dem Ausmaß geholfen werden, wie es heute möglich ist.

    1991 diagnostizierten die Ärzte zudem noch eine Erweiterung des Rückenmarkkanals. "Das nennt man eine inkomplette Querschnittslähmung", erklärt Ott. Die Folge davon sind Durchblutungsstörungen und teilweise Lähmungserscheinungen in den Füßen. Diese können über kurz oder lang zur kompletten Lähmung führen. Dann könnte sich Ott nur noch im Rollstuhl fortbewegen. Derzeit ist sie noch teilweise mit Krücken mobil.

    Diese ganzen Beeinträchtigungen hielten Ott aber nicht davon ab, Leistungssport zu treiben. Im Internat für körperlich behinderte Kinder, in Hessisch Lichtenau bei Kassel, das Ott von ihrem sechsten Lebensjahr sechs Jahre lange besuchte, spielte sie Rollstuhl-Basketball. Diesen Sport liebte sie als Jugendliche sehr. Aber er verlangte auch Tribut: "Ständig war etwas an meinem Rollstuhl kaputt", lacht sie. Ihr Arzt riet ihr, die Krankenkasse zu schonen und einen weniger "actionreichen" Sport zu treiben. Aber das wollte sie damals noch nicht.

    Durch eine Freundin kam sie dann vor zwölf Jahren zum Bogenschießen. Mit 22 Jahren hielt sie erstmals einen Bogen in der Hand. Seit sieben Jahren gehört die Lohrerin zum deutschen Nationalkader der behinderten Bogenschützen. Dort ist sie hinter Tanja Schulz aus Bad Pyrmont derzeit die Nummer Zwei.

    Ott geht aber nicht nur bei Behindertenturnieren an den Start, sondern auch bei nationalen und internationalen Turnieren für nicht Behinderte. "Ich brauche beim Bogenschießen keine weiteren Hilfsmittel", erklärt sie. So erreicht sie auch bei den Gau- und Bezirksmeisterschaften der nicht behinderten Bogenschützen vordere Plätze, behauptet sich bei bayerischen Meisterschaften mit rund 1100 Ringen im Mittelfeld. Deutsche Spitzenschützen ohne Behinderung bringen es auf 1200 Ringe.

    Das Handicap in ihrem Sport: "Ich habe eine ganz andere Haltung", erklärt Ott. "Indem ich im Rollstuhl sitze, kann ich mich nur über den Rumpf stabilisieren und nicht so stabil schießen wie ein nicht behinderter Schütze." Beim Schießen im Freien beeinträchtigt eine Windböe die Schützin im Rollstuhl deshalb mehr als einen Schützen, der sein Gewicht auf beiden Beinen verteilen kann. "Die Stabilisierung ist das größte Problem für mich", so Ott.

    Ott finanziert ihren Sport komplett aus der eigenen Tasche. Mindestens dreimal in der Woche fährt die 34-Jährige 40 Kilometer zum Training bei der SG 1918 Aschaffenburg-Damm, für den sie auch startet.

    In ihrem "normalen Leben" arbeitet Ott als Industriekauffrau bei der Mannesmann Rexroth AG in Lohr. Ihre Freizeit widmet sie ihrem Sport. Es gibt Zeiten, da geht sie morgens um sieben aus dem Haus und kommt erst abends nach zehn Uhr wieder nach Hause. Über 500 Trainingspfeile verschiesst sie während ihres mehrstündigen Trainings in der Woche.

    Um fit zu sein, stemmt Ott regelmäßig Gewichte im Fitnesscenter Brand in der Lohrer Jahnstraße, zieht sie ihre Bahnen im Lohrer Freibad. Außerdem kennt sie jeder Inline-Skater zwischen Lohr und Gemünden: das ist auch ihre Hausstrecke, wenn sie mit dem Rollstuhlbike unterwegs ist.

    Ott hat viel Energie. Ihr sportliches Ziel verliert sie nie aus den Augen. Die Kraft dafür schöpft sie aus ihrem eisernen Willen: "Wenn ich mir ein Ziel gesetzt habe, dann wird das durchgezogen - gnadenlos."

    "Atlantischer" Freund

    Außerdem hat sie einen anderen sportlichen Ansprechpartner: ihren Freund Peter Haber. Den 33-Jährigen aus Sigmaringen hat sie vor vier Jahren bei den Paralympics in Atlanta kennen gelernt. Der Leichtathlet ist ebenfalls in Sydney dabei, läuft dort 100 und 200 Meter sowie in der Sprint-Staffel. Nach den Paralympics werden die beiden noch zwei Wochen Australien unsicher machen. "Wir wollen mit dem Auto ein bisschen ins Land rein", so Ott, denn beide waren noch nie auf dem fünften Kontinent.

    Wie es mit ihrer ganz persönlichen sportlichen Karriere nach Australien weiter geht, darauf will sich die 34-Jährige im Moment noch nicht festlegen: "Darüber mache ich mir erst nach Sydney Gedanken."

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