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Lohr: Der Schwarze Tod: Menschen starben wie die Fliegen

Lohr

Der Schwarze Tod: Menschen starben wie die Fliegen

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    Die große Pest, später "Schwarzer Tod" genannt, ist als die größte Katastrophe anzusehen, die die Menschheit in Europa je getroffen hat. Sie dezimierte in mehreren Wellen die Bevölkerung. 
    Die große Pest, später "Schwarzer Tod" genannt, ist als die größte Katastrophe anzusehen, die die Menschheit in Europa je getroffen hat. Sie dezimierte in mehreren Wellen die Bevölkerung.  Foto: Getty Images

    Die gefürchtetste unter allen Seuchen war die Pest. Die erste größere Pestepidemie befiel bereits seit dem Jahr 160 n. Chr. große Teile des Römischen Reiches. Im Lauf der folgenden Jahrhunderte brach sie immer wieder aus. Zu den größeren Epidemien zählte im 6. Jahrhundert die Justinianische Pest, eine zur Zeit des oströmischen Kaisers Justinian (527–565) ausgebrochene Pandemie, die erstmals 541 in Ägypten von den damaligen Chronisten erwähnt wurde und sich über Konstantinopel im gesamten spätantiken Mittelmeerraum verbreitete.

    Über ein halbes Jahrtausend schweigen die Quellen in Mitteleuropa dann weitgehend über die Pest. Es gab sie wohl auch in dieser Zeit, aber sie trat nur vereinzelt lokal oder regional auf. Andere ansteckende Krankheiten wie die Lepra oder zeitweilig auch die Malaria wurden als bedrohlicher empfunden.

    Doch um das Jahr 1347 kam der "Schwarze Tod" erneut nach Mitteleuropa. Wieder verbreiteten sich die Pandemie-Wellen ganz überwiegend vom Osten nach dem Westen, über die großen Handelsstraßen, aber auch auf den Schiffen der damaligen Seemächte Venedig, Genua und anderer Küstenstädte am Mittelmeer. Unter anderem waren Frankreich, England, Deutschland, Dänemark, Schweden, Polen, Finnland und schließlich sogar Grönland betroffen. Zwischen 1347 und 1353 starben nach den Schätzungen der heutigen Wissenschaft 20 bis 50 Millionen Menschen, rund ein Drittel der Bevölkerung Europas, an der Pest.

    Die Juden wurden als Sündenböcke verfolgt

    Es dauerte lange, bis die Menschen herausfanden, woher die Pest kam und was man gegen ihre Ausbreitung tun konnte. Schlechte Winde, eine ungünstige Konstellation von Mars, Jupiter und Saturn oder verseuchtes Wasser wurden für die unheimliche Krankheit verantwortlich gemacht. Die Verantwortlichen glaubte man schnell gefunden zu haben: Die Juden wurden als Brunnenvergifter beschuldigt und daraufhin in ganz Europa verfolgt, vertrieben oder ermordet. Skeptiker bemerkten zwar, dass auch Juden an der Pest erkrankten und starben, konnten aber nicht viel bewirken: Ganze jüdische Viertel wurden abgebrannt und ihre Bewohner ermordet – in Köln beispielsweise gab es Schätzungen zufolge mindestens 800 Opfer.

    Graf Reinhart und Gräfin Agnes von Rieneck waren vermutlich Opfer der Pest oder einer anderen Seuche. Die Grabdenkmäler sind in der Lohrer Stadtpfarrkirche St. Michael.
    Graf Reinhart und Gräfin Agnes von Rieneck waren vermutlich Opfer der Pest oder einer anderen Seuche. Die Grabdenkmäler sind in der Lohrer Stadtpfarrkirche St. Michael. Foto: Karl Anderlohr

    Im Mittelalter kannten die Menschen kein wirksames Mittel gegen die Pest. Die Erkrankten wurden zur Ader gelassen, bekamen Brechmittel oder Einläufe. Diese Maßnahmen schadeten den ohnehin geschwächten Patienten mehr, als sie nützten. Anfangs wurden die Kranken ohne besondere Vorkehrungen in die örtlichen Krankenhäuser gebracht, die Toten normal beerdigt. Mit der zunehmenden Zahl der Toten verbreitete sich Angst vor Ansteckung so, dass die Kranken oft von ihren eigenen Familien und Freunden im Stich gelassen wurden.

    Zwar hatte Lohr schon seit 1363 dank einer Stiftung des Grafen Gerhard V. von Rieneck ein Spital, aber darunter muss man sich eher ein Alten- und Pfründnerheim vorstellen. Das erste eigentliche Krankenhaus in Deutschland erbaute erst 1789 der in Lohr geborene Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal in Bamberg. 

    Schließen der Lohrer Stadttore sollte Pest fernhalten

    Erst allmählich wurde klar, dass die Ausbreitung der Seuche nur durch die Isolation der Kranken eingedämmt werden konnte. Um 1423, lange nachdem die Verbreitung der Seuche ihren ersten Höhepunkt überschritten hatte, gab es auf einer Insel bei Venedig das erste Pestkrankenhaus Europas. Dort mussten Kranke mit verdächtigen Symptomen 40 Tage in Isolation bleiben. Vom italienischen Wort "quaranta" für 40 leitet sich das Wort Quarantäne ab.

    1568 ist in Frammersbach, Partenstein, Rieneck und Lohr die Pest ausgebrochen. Aus Briefen des Schulmeisters und späteren Pfarrer von Langenprozelten, Daniel Wirth, und des Rienecker Pfarrers Georg Grimm ist zu erfahren, dass im Frühjahr 1568 in Lohr acht Personen sehr rasch an der Pest starben. Um die weitere Verbreitung zu verhindern, wurden die Stadttore geschlossen. Das schien zunächst geholfen zu haben.

    Aber zwischen dem 15. März und dem 27. April 1570 gab es erneut 14 Todesfälle. Im Dezember 1584 schrieb der Magister Johannes Seybold, dass die Pest in Gelnhausen, vier Wegstunden von Lohr, außerordentlich getobt habe. In Lohr wurden erneut die Stadttore geschlossen. Auch in Zeiten, in denen die Stadt von der Seuche verschont blieb, musste man befürchten, dass sie durch Händler, Fuhrleute oder Schiffer eingeschleppt werde.

    St. Rochus. Der Heilige unterbrach eine Pilgerreise nach Rom, um Pestkranke zu pflegen, bis er selbst von der Krankheit befallen wurde.
    St. Rochus. Der Heilige unterbrach eine Pilgerreise nach Rom, um Pestkranke zu pflegen, bis er selbst von der Krankheit befallen wurde. Foto: Karl Anderlohr

    Anfang August 1585 hatte die Seuche wieder Karlstadt und Lohr erreicht. Seybold berichtete im September von 31 Opfern und befürchtete, es könnten weitere hinzukommen. Wer es sich leisten konnte, verließ die Stadt. Zugleich suchte die Bevölkerung ihre Zuflucht auch im Gebet. Auf einem Bergsporn westlich der Lohrer Altstadt erhob sich schon damals eine kleine Kapelle, die dem heiligen Valentinus, einem römischen Märtyrer, geweiht war. Sie war vermutlich viel kleiner als die jetzige. 

    Die Pest im Dreißigjährigen Krieg

    Zu allen Zeiten in der Menschheitsgeschichte begünstigten Kriege die Verbreitung von Seuchen. Die erste Phase des Dreißigjährigen Krieges, (1618 - 1623) berührte Lohr und Franken nur wenig.

    Das änderte sich mit dem Eingreifen des Schwedenkönigs Gustav Adolf, der am 18. März 1632 mit dem "Winterkönig" Friedrich V. von der Pfalz und 28 000 Soldaten zu Fuß und zu Pferde von Aschaffenburg kommend in die Stadt Lohr einzog und im Schloss übernachtete.

    Anschließend vom 17. August bis 3. Dezember 1632 wütete in Lohr die Pest, vermutlich von den Soldaten eingeschleppt. Sanitätsrat Dr. Hans Hönlein hat im Band 2 des Sammelbandes "Aus der Guten Alten Zeit" aus einem "alten Lohrer Hausbuch" zitiert:  "1632, den 17. August fing die leidige Pest zu Lohr an zu crassiren. Den 29. August hat man 12 begraben, den 30. sechs Mann. Dieses hat gedauert den 3ten Dezember 1632. Sind täglich von 1 - 3, meist 6, 7, 8, 9 bis 10 auf den neuen Gottesacker begraben worden. Summa 650 Personen." Am 24. Oktober 1632, also noch bevor die Pest in Lohr erloschen war, klagte der Rat der Stadt in einer Bittschrift an den schwedischen Statthalter in Mainz, dass mehr als die halbe Bürgerschaft durch die "crassirende infection" gestorben sei.

    Die Valentinuskapelle von Südwesten
    Die Valentinuskapelle von Südwesten Foto: Karl Anderlohr

    Auch nach dem Ende der akuten Bedrohung musste man ständig mit dem erneuten Ausbruch der Seuche rechnen. So starb zum Beispiel am 21. Dezember 1635, in Rieneck der Totengräber Eberhard Amend. Er hatte laut der Pfarrmatrikel in diesem Jahr zirka 300 Menschen begraben. Auch in Frammersbach und Wiesen brach in diesem Jahr die Pest aus. Eine wirksame Medizin gab es nicht; die vorbeugende Impfung war überhaupt noch nicht erfunden. Das einzige Mittel, sich zu schützen, war die Isolation. Niemand durfte die Stadt betreten oder verlassen und wenn in einem Haus Menschen infiziert waren, durften die Bewohner es so lange nicht mehr verlassen, bis die Epidemie erloschen war.

    Am 23. Juni 1639 wurden in Lohr in 254 Herdstätten, 140 Männer, 157 Weiber, 141 Söhne, 137 Töchter gezählt, zusammen nicht einmal 600 Personen. 1601 hatte die Stadt noch 1802 Einwohner gehabt, also rund dreimal so viele. Auch wenn dieser erschreckende Bevölkerungsrückgang nicht nur auf die Pest zurückzuführen war, sondern auch auf Gewalteinwirkung durch die Truppen der verschiedenen beteiligten Mächte und auf den Hunger, der ebenfalls ein häufiger Begleiter des Krieges war, so verdeutlichen diese Zahlen doch, was die ständige Bedrohung durch die Pest und andere Krankheiten für die Bewohner der Stadt bedeutete.

    Kot und Unrat in den Main geschüttet

    Immerhin scheint man geahnt zu haben, dass die hygienischen Verhältnisse den Ausbruch von Seuchen begünstigten. Schon am 11. November 1585 hatte der Würzburger Fürstbischof Julius Echter für die Stadt Rothenfels eine Verordnung erlassen, wie man sich beim Auftreten der Pest zu verhalten habe: Bis zur Beendigung einer Epidemie mussten die Miststätten aus der Stadt geschafft, Kot und Unrat in den Main geschüttet werden.

    Auch der 1602 in der Nähe von Fulda geborene Jesuit Athanasius Kircher, ein Universalgelehrter und Erfinder, beschäftigte sich mit den Ursachen der Pest. Er führte die Ansteckung auf "kleine Wesen" zurück und verfasste erste Hygienevorschriften. Man war also auf dem richtigen Weg, aber den bereits Erkrankten halfen diese Erkenntnisse nur wenig.

    Die Kriegsereignisse hatten vermutlich der kleinen Kapelle auf dem Valentinusberg übel mitgespielt. Verbürgt ist, dass am 6. Juni 1660, also zwölf Jahre nach dem Friedensschluss Dechantpfarrer Bartholomäus Borrigs den Grundstein für den Neubau der Kapelle legte. Das Engagement der Bevölkerung für den Kapellenbau war groß. Es wurden Sammlungen abgehalten. Das Holz für den Bau stellte die Stadt kostenlos aus dem Stadtwald bereit. 

    Die Rochus-Prozession erinnert alljährlich am 16. August an das Gelübde von 1666 zur Abwendung der Pest
    Die Rochus-Prozession erinnert alljährlich am 16. August an das Gelübde von 1666 zur Abwendung der Pest Foto: Karl Anderlohr

    1666 – der Bau war grade zwei Jahre fertig – erfuhr man in Lohr, dass in Köln erneut die Pest ausgebrochen sei und sich nun rhein- und mainaufwärts verbreite. In dieser Situation versammelten sich die Lohrer auf dem Valentinusberg und versprachen feierlich, so lange sie leben, alljährlich am Rochusfest, dem 16. August auf den Valentinusberg zu wallfahren, dort ein Hochamt zu Ehren der Allerheiligsten Dreifaltigkeit zu feiern, bis zur Rückkehr nüchtern zu bleiben und diesen Tag auch sonst heilig zu halten. An dieses Gelübde ihrer Vorfahren halten sich die Lohrer bis heute.

    Zum Autor: Karl Anderlohr war viele Jahre Redakteur der Lohrer Zeitung und der Main-Post und Vorsitzender des Geschichts- und Museumsvereins Lohr.

    Literatur: Ein ausführlicher Beitrag zur Geschichte der Lohrer Valentinuskapelle findet sich von Karl Anderlohr in der Ausgabe 9 - 1920/21 der "Beiträge zur Geschichte der Stadt und des Raumes Lohr". erhältlich in den Lohrer Buchhandlungen (ISBN 987-3-944413-24-2).

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