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Himmelstadt: „Desinfektion entfernt den Schimmel nicht“

Himmelstadt

„Desinfektion entfernt den Schimmel nicht“

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    Schimmelflecken sehen nicht nur hässlich aus, sie können auch gesundheitsschädlich sein.
    Schimmelflecken sehen nicht nur hässlich aus, sie können auch gesundheitsschädlich sein. Foto: Foto: Thinkstock

    Außen kalt, innen warm und dazu noch viel Feuchtigkeit – das sind ideale Bedingungen für Schimmelpilze. Vor allem im Frühjahr und Winter wächst Schimmel in Fensterecken, Küchen, Bädern oder Schlafzimmern. Die dunklen Flecken an der Wand sind nicht nur unschön, sondern auch sehr ungesund. Schimmel kann viele Erkrankungen und Allergien auslösen. Dr. Gerhard Führer, Experte für Schimmel und Schadstoffe in Innenräumen und Leiter des Sachverständigen-Instituts „Peridomus“ in Himmelstadt (Lkr. Main-Spessart), erklärt, was man bei Schimmelbefall tun kann, warum Desinfektionsmittel und Essig die Situation verschlimmern können und weshalb richtiges Heizen und Lüften alleine nicht reicht.

    Frage: Schwarze Flecken an der Decke und in den Zimmerecken – da ist Schimmel offensichtlich. Wie kann man sonst noch erkennen, dass man in der Wohnung ein Schimmelproblem hat?

    Gerhard Führer: Es könnte auffällig riechen: dumpf, muffig, alt, abgestanden. Oder es könnte einen Wasserschaden gegeben haben. Das Wasser läuft nach unten in die Fußbodenkonstruktion. Dort kann sich sehr schnell Schimmel bilden – ohne dass man ihn sieht. Solche Schäden sind häufig viel dramatischer, weil sie nicht erkannt werden und dann als schlummerndes Risiko unter Umständen die Gesundheit der Raumnutzer beeinträchtigen.

    Schimmel ist also nicht immer leicht zu erkennen?

    Führer: Genauso ist es. Wir unterscheiden zwischen sichtbaren Schäden wie schwarzen Flecken an der Decke oder Wand, die sind leicht unter Kontrolle zu bekommen. Im Gegensatz zu verdeckten Schimmelschäden. Man findet sie dort, wo es Hohlräume gibt: in Ständerwänden, Fußbodenkonstruktionen, manchmal auch Dach- oder Deckenkonstruktionen.

    Wenn es in einem Raum muffig riecht, sollte man dem immer nachgehen . . .

    Führer: Auf jeden Fall. Der Geruch muss ja eine Ursache haben und häufig sind verdeckte Schimmelschäden geruchsaktiv. Wenn man aktuelle Studien ernst nimmt, muss man von einem hohen Anteil an Wohnungen mit verdeckten Schimmelschäden ausgehen. Die Leute wiegen sich in falscher Sicherheit. Wenn sie nichts sehen, meinen sie, dass da auch nichts sei.

    Wo siedelt sich Schimmel am häufigsten an?

    Führer: Unserer Erfahrung nach sind es Fußbodenkonstruktionen. Vor allem aufgrund von Wasserschäden. Oft hat man auch in älteren Gebäuden am Übergang von Fußboden zur Außenwand eine durchgehende Betondecke. Früher gab es da keine Dämmung, es kam zu sogenannten Wärmebrücken.

    Raumseitig heißt das, dass an dieser Stelle die Wand am stärksten auskühlt und sich dort Kondenswasser bildet – ähnlich wie wenn man aus dem Kühlschrank eine Flasche kaltes Wasser auf den Tisch stellt, die dann mit Feuchtigkeit anläuft. So ähnlich ist es, wenn es außen kalt ist und innen warm. Dann kondensiert die Feuchtigkeit an den raumseitigen Außenwänden auf Höhe der Fußbodenkonstruktion. Die Feuchtigkeit, die da entsteht, kann Grundlage für Schimmel sein. Aber auch in einem Neubau kann durch die viele Feuchte bereits ein Schimmelschaden angelegt sein. Manchmal entsteht dort Schimmel, noch bevor die Bewohner eingezogen sind.

    Kann ich so etwas verhindern?

    Führer: Eigentlich müsste sich in der Baubranche ein Feuchtemanagement während der Bauphase durchsetzen. Durch neue Erkenntnisse in der Bauforschung fordern wir das in der Hochschullehre und auch bei größeren Kongressen. Das wird natürlich nicht gemacht, oft aus Unwissenheit. Deswegen gibt es häufig auch bei Neubauten Schimmelschäden. Wasserschäden dagegen kann man nicht verhindern. Es gibt etwa eine Million pro Jahr in deutschen Wohnungen. Diese Schäden werden meist nur getrocknet und dann glaubt man, dass das Problem erledigt sei.

    Nach einem Wasserschaden sollte man also alles gut überprüfen lassen . . .

    Führer: So ist es. Von den Versicherern wird vorgegeben: nicht viel untersuchen, schnell trocknen, schnell weg. 1000 Euro zahlen und gut ist es. Wenn man wirklich untersucht und nach einem Wasserschaden die Fußbodenkonstruktion belastet findet, dann muss die Familie aus dem Haus ausziehen, die Fußbodenkonstruktion muss komplett rückgebaut und wieder neu angebracht werden. Ein Viertel bis halbes Jahr dauert diese Gesamtrenovierungsmaßnahme, mit Kosten nach oben offen.

    Warum ist Schimmel so gefährlich?

    Führer: Da gibt es viele Studien, auch vom Umweltbundesamt. Schimmel kann auf unterschiedlicher Ebene gesundheitliche Beeinträchtigungen auslösen oder verstärken. Es kann zu allergischen Reaktionen kommen oder zu asthmatischen Erkrankungen. Es kann Hautreizungen geben, die Infektanfälligkeit kann erhöht sein. Wenn man Schimmelpilzbelastungen aus Innenräumen entfernt, dann – so unsere Erfahrungen – stellt sich häufig recht schnell eine deutliche Verbesserung der Gesundheit der Raumnutzer ein.

    Sind manche Schimmelarten besonders gefährlich?

    Führer: Wir haben ein breites Spektrum von etwa 100 Arten, die wir in unterschiedlicher Zusammensetzung finden. Da gehören auch Bakterien dazu. Wir wissen, dass viele Allergenbildner dabei sind, die eben nur Allergien machen. Aber es gibt auch hochtoxische Arten, die Schimmelpilzgifte bilden, die ganz andere Auswirkungen haben. Wenn wir solche Arten in einem Innenraum finden, der auch von Kindern benutzt wird, die immer wieder krank sind, kann es passieren, dass wir sehr kurzfristig empfehlen, die Räume nicht mehr zu nutzen, weil ein großes gesundheitliches Gefährdungspotenzial besteht.

    Wie lange dauert es, so einen Schimmel zu beseitigen?

    Führer: Auf einer Wandoberfläche kann der sichtbare Befall schnell beseitigt werden. Das sollte möglichst staubarm geschehen, um Schimmelbestandteile nicht zu verteilen. Wenn man es aber mit verdeckten Schäden zu tun hat, muss man erst herausfinden, wie umfangreich der Schaden ist. Dann sind ja auch oft noch größere Rückbaumaßnahmen nötig. Es gibt mittlerweile Methoden, mit denen man mit einem kleinen Eingriff in die Bausubstanz die Sache einigermaßen beheben kann. Zum Beispiel bei Fußbodenkonstruktion: da kann man die Randfuge, also den Übergang von Fußboden zu Wand, mit einem diffusionsoffenen Estrichfugensystem überarbeiten.

    Da gibt man etwa ein Adsorbens hinein – also ein Mittel, das gasförmige Stoffe aufnimmt. Als zweite Filterstufe gibt man eine Membran hinzu – ein Filtergewebe, das auch gröbere Partikel wie Sporen vom Untergrund zurückhält –, so dass man damit den belasteten Unterboden von der Raumluft abtrennt. Das lässt sich sehr schnell durchführen. Eine Wohnung mit 60 bis 80 Quadratmetern kann man so in einem Tag sanieren. Nicht fachgerecht ist es, wenn man desinfiziert oder eine Randfuge mit ein bisschen Silikon zugeschmiert. Mit Desinfektionsmittel bringt man unter Umständen andere gesundheitliche Gefahren in die Wohnung.

    Was ist denn schlimm an Desinfektionsmitteln?

    Führer: Desinfektion heißt nicht, dass die Schimmelbiomasse beseitigt wird. Sie wird nur von einem Zustand in einen anderen überführt. Ob tot oder lebendig, keimfähig oder nicht keimfähig – Schimmelbiomasse ist immer gesundheitlich relevant. Man entfernt mit Desinfektion den Schimmel nicht, sondern kaschiert ihn nur optisch und bringt ihn vielleicht aus einem lebenden Zustand in einen nicht mehr keimfähigen oder sogar abgetöteten Zustand. Aber die ganzen Proteinanhänge, Toxine, Allergene – die bekommt man durch eine Desinfektion nicht weg.

    Mit Essig oder Desinfektionsmittel kann man nichts gegen Schimmelflecken bewirken?

    Führer: Es ist zumindest nicht fachgerecht und verschlimmert gegebenenfalls die Situation.

    Was kann man selbst bei Schimmelflecken tun?

    Führer: Wenn man die befallenen Tapeten abreißt, muss man damit rechnen, dass mikrobielle Partikel freigesetzt werden. Das kann auch bei einem Kleinschaden zu einer kurzfristigen Belastung führen. Diese kann man erheblich vermindern, wenn man das Material befeuchtet, bevor man es entfernt – was man bei Tapeten sowieso machen wird. Was man aber immer überlegen sollte: Schimmel wächst nicht einfach so. Er hat eine Ursache und die ist Feuchtigkeit. Ich muss mir also überlegen: Könnte es nutzungsbedingt sein – wird etwa in einem Badezimmer nicht oder nur selten gelüftet? Oder ist es baulich bedingt, weil unter der Wohnung vielleicht ein kalter Keller ist, wo es zu Wärmebrücken und Kondenswasserbildung kommt. Oder war da mal ein Wasserschaden und der Pilz ist noch an der Wand oder im Fußboden? Man sollte bei sichtbarem Befall auch überprüfen, ob da noch verdeckter Schimmel ist. Sichtbarer Schimmel ist in der Regel nur die Spitze des Eisberges.

    Bei der Schimmelsanierung muss man aufpassen, dass man staubarm arbeitet und nicht alles in den Räumen verteilt. Und wenn man dann neu aufbaut, sollte man das mit möglichst schimmelwidrigem Material tun.

    Was bedeutet das?

    Führer: Früher hat man die Kuhställe gekalkt. Kalk hat einen hohen ph-Wert, also ein hohes basisches Milieu. Das mögen Schimmelpilze nicht. Saures dagegen schon. Deswegen ist Essig auch ganz schlecht bei Schimmel. Wenn man einen guten Kalkputz hat und geht da mit saurem Essig drauf, dann neutralisiert man den Kalkputz und hat kontraproduktiv gearbeitet. Schimmelwidriges Material ist aber nur die zweitbeste Wahl in Wohnungen. Wichtiger ist es, die Feuchtigkeit unter Kontrolle zu halten. Wenn keine Feuchtigkeit da ist, wird sich auch kein Schimmel bilden.

    Das heißt aber auch, dass man richtig lüften und heizen muss . . .

    Führer: Richtig. Das wäre eine zusätzliche Maßnahme. Wobei wir das von der Wertigkeit nicht überschätzen dürfen.

    Hat man beispielsweise eine Wärmebrücke durch schlechtes Mauerwerk und es geht sehr viel Wärme nach außen, wodurch raumseitig die Oberfläche auskühlt, kann man lüften und heizen wie man will, man wird keine hohe Wandoberflächentemperatur erreichen. In alten Wohnungen gibt es oft noch tiefe Heizkörpernischen, wo auf sehr kleinem Raum sehr viel Energie produziert wird. Die Außenwände sind im Vergleich zu den kleinen Heizkörpernischen sehr groß, so dass die Wärme gar nicht in alle Raumecken kommt. In diesen Ecken kommt es dann schnell zu Feuchteproduktion und Schimmel. Oft wirft man den Bewohnern vor, sie würden zu wenig heizen. Sie können aber im Hinblick auf das Heizsystem gar nichts dazu. Deswegen ist das mit dem Heizen und Lüften eine heikle Geschichte.

    Wie heizt und lüftet man richtig?

    Führer: Man sollte einzelne Räume niemals auskühlen lassen. Wir hatten kürzlich einen Fall, da hat eine Frau immer bei elf Grad Temperatur geschlafen, im anderen Raum waren es über 20 Grad. Je wärmer die Luft, umso mehr Wasserdampf kann sie aufnehmen. Dann geht diese warme, wasserdampfgesättigte Luft in den Raum nebenan und kondensiert mit den kalten Oberflächen.

    Das führt dort natürlich zu Schimmel. Man sollte seine Wohnung also möglichst gleichmäßig erwärmen und nicht unter 16 bis 18 Grad gehen. Auch lüften ist wichtig. Je häufiger, umso besser. Aber im Winter natürlich nicht zu lange, sonst kühlen die Fensterleitungen und die Wandoberflächen zu stark aus. Ich selbst lüfte im Winter so lange, bis der Wasserdampf an den Scheiben weg ist. Das dauert etwa zwei bis fünf Minuten.

    Dr. Gerhard Führer und das Institut „Peridomus“ 1993 hat Gerhard Führer in Himmelstadt (Lkr. Main-Spessart) das Institut „Peridomus“ im Untergeschoss seines Wohnhauses gegründet. 2014 ist das Sachverständigen-Institut in das Gewerbegebiet von Himmelstadt gezogen. Arbeitsschwerpunkte sind die Untersuchung und Bewertung von Schimmel und chemischen Schadstoffen in Wohnungen, Bürogebäuden, Kindergärten und Schulen. Der Chemiker und Biologe Dr. Gerhard Führer ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger (ö.b.u.v. SV) für Schadstoffe in Innenräumen und Leiter des Sachverständigen-Instituts „Peridomus“. Von 2010 bis 2016 war er Leiter des Arbeitskreises „Innenraumhygiene“ beim BVS Sachverständige Bayern (Landesverband ö.b.u.v. SV). Er hat unter anderem Lehraufträge am Department für Bauen und Umwelt der Donau-Universität Krems und der Hochschule Mainz. Zum Thema Schadstoffe in Innenräumen organisiert er Fachtagungen und Weiterbildungsveranstaltungen. Außerdem ist Führer Herausgeber der Loseblattsammlung „Schimmelbildung in Gebäuden“ und hat mit seinem Institut mehrere europaweit patentierte Verfahren zum Erkennen und Beseitigen von Schadfaktoren in Innenräumen entwickelt. Das Würzburger Schimmelpilz Forum, das vom Institut „Peridomus“ veranstaltet wird, findet am 31. März und 1. April im Gesandtenbau der Residenz Würzburg statt. Im Fokus stehen neue Untersuchungsmethoden, Einblicke in die derzeit üblichen Sanierungsmethoden und wirkungsvolle Vorsorgemaßnahmen. Mehr Informationen: www.schimmelpilz-forum.de ani/Foto: Peridomus

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