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Hammelburg: Die Dörfer Bonnland und Hundsfeld wurden aufgegeben, damit das Militär dort üben kann

Hammelburg

Die Dörfer Bonnland und Hundsfeld wurden aufgegeben, damit das Militär dort üben kann

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    Militärübungen in fränkischer Idylle: Die letzten Bewohner mussten das Dorf Bonnland 1965 verlassen. Es wurde zum Truppenübungsplatz.  (Archivbild)
    Militärübungen in fränkischer Idylle: Die letzten Bewohner mussten das Dorf Bonnland 1965 verlassen. Es wurde zum Truppenübungsplatz.  (Archivbild) Foto: Wolfgang Dünnebier

    Mehrmals im Jahr wird das Dorf zum "Kriegsschauplatz" - mitten in Deutschland. Schüsse fallen, Rauchgranaten explodieren, vermummte Soldaten stürmen die Häuser und treffen auf Widerstand. Das ist Häuserkampfausbildung in Bonnland, einem über 1200 Jahre alten Ort, den es offiziell gar nicht gibt. Das Dorf wurde während der Naziherrschaft in den 1930er-Jahren gemeinsam mit dem Nachbarort Hundsfeld "abgesiedelt", um den Truppenübungsplatz Hammelburg zu erweitern. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte Bonnland eine kurze Wiederbelebung, doch 1965 mussten die letzten Bewohner ihre neue Heimat wieder verlassen.

    Zu den Letzten, die 1965 aus dem Dorf abgesiedelt wurden, gehörte der damals 36-jährige Willi Ortmann, der in Kasimir (Oberschlesien) geboren und 1945 vertrieben wurde. Von dort kam er nach viermonatiger Irrfahrt in Bonnland an. Er half zunächst bei den Eltern in der Landwirtschaft mit und übernahm 1960 die Gastwirtschaft "Zum Greif".

    Ein Dorf mit Geschichte seit dem frühen Mittelalter

    In seiner dritten Heimat Euerdorf hielt er das Andenken an Bonnland hoch, legte ein umfassendes Archiv an und verfasste 1995 sowie 2012 zwei Broschüren mit vielen Bildern und Artikeln "Bonnland - ein kleines Dorf mit Großer Geschichte". Außerdem war er Bonnland-Sprecher und bereitete die Bonnlandfeste für die ehemaligen Einwohner mit vor.

    Das Luftbild zeigt das abgesiedelte und heute als Übungsdorf genutzte Bonnland mit Schloss Greifenstein. 
    Das Luftbild zeigt das abgesiedelte und heute als Übungsdorf genutzte Bonnland mit Schloss Greifenstein.  Foto: Archiv Truppenübungsplatz-Kommandantur

    Ein Blick auf die Geschichte von Bonnland: Das Dorf im Hundsbachtal, das einst die "Perle des Bachgrundes" genannt wurde, wurde erstmals im Jahr 780 urkundlich erwähnt und hatte jahrhundertelang die Geschichte vergleichbarer Orte der Region erlebt. Aus der Herrschaft des Klosters Fulda kam es an die Familie von Thüngen und später an die adeligen Familien Gleichen-Rußwurm, die auf dem naheliegenden Schloss Greifenstein residierten. Durch die Heirat des Adalbert von Gleichen mit Emilie, der jüngsten Tochter von Friedrich Schiller, entstand ein verwandtschaftliches Band mit dem berühmten Dichter.

    Schloss Greifenstein liegt bei Bonnland im Truppenübungsplatz Hammelburg und beherbergt heute auch Fledermäuse. (Archivbild)
    Schloss Greifenstein liegt bei Bonnland im Truppenübungsplatz Hammelburg und beherbergt heute auch Fledermäuse. (Archivbild) Foto: Wolfgang Dünebier

    Es war im Jahr 1895, als in nächster Nähe die ersten Schießbahnen und ein Jahr später der Truppenübungsplatz Lager Hammelburg durch das bayerische Kriegsministerium für das Zweite Armeekorps angelegt wurden. Seitdem gab es dort immer wieder Übungen durch bayerische Militäreinheiten. Wie auch viele andere Ortschaften musste Bonnland fast die Hälfte der bisher genutzten Fläche abtreten. Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde der Truppenübungsplatz zwar aufgelöst, die abgetretenen Flächen allerdings nicht zurückgegeben. Vielmehr wurden sie an die ursprünglichen Einwohner verpachtet und zur "ausschließlich friedlichen Nutzung" überlassen.

    Bewohner mussten Hundsfeld und Bonnland verlassen

    Die Aufgabe von Bonnland als Dorf kam dann mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten, die 1935 den ehemaligen Truppenübungsplatz für die neue Wehrmacht brauchte. Drei Jahre später wurde dieser Übungsplatz um rund 1500 Hektar erweitert. Bonnland und die Nachbargemeinde Hundsfeld mussten nicht nur die bisherigen Flächen wieder abgeben, sondern beide Ortschaften wurden aufgelöst und abgesiedelt. Rund 230.000 Reichsmark gab es als Entschädigung aus der Reichskasse. Von da an übten bis zu fünf Bataillone den Häuserkampf - eine Vorbereitung für den längst geplanten Angriff auf Polen. Von den 280 Einwohnern Bonnlands kam der Großteil nach Wässerndorf und auf den Winkelhof im Landkreis Kitzingen. 

    Nach dem 2. Weltkrieg kehrte wieder Leben in Bonnland ein

    Das wäre schon das Ende von Bonnland gewesen, hätte es da nicht eine rund 20-jährige Renaissance nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben. Der Arnsteiner Heimatforscher Günther Liepert berichtet in seiner Schrift "Wiederbesiedlung Bonnland" ausführlich über das kurze, aber heftige Intermezzo bis 1965.

    Bonnland war zwar abgesiedelt - ohne reguläre Bewohner, aber die Häuser, die Kirche und die übrige Infrastruktur einschließlich der Gastwirtschaft war erhalten geblieben. Als nach dem Krieg wegen ausgebombter Städte und vieler Flüchtlinge und Heimatvertriebene aus dem Sudetenland, Pommern, Ostpreußen, Schlesien und anderer Ostgebiete der Wohnraum knapp war, wurde ansiedlungswilligen Familien erlaubt, die dort noch stehenden Häuser zu bewohnen.

    In Bonnland ließen sich vor allem Bauern nieder

    Aber auch aus nächster Umgebung ließen sich Siedler, vor allem Bauern, in Bonnland nieder. In knapp sechs Wochen nach Kriegsende war das Dorf wiederbesiedelt und zählte im April 1949 550 Menschen. Allerdings blieben alle Häuser im Eigentum des Bayerischen Landesamtes für Vermögensverwaltung.

    Zunächst gab es politischen Zank um das widererstandene Dorf. Die Nachbarorte Obersfeld, Hundsbach, Gauaschach und Münster waren nicht bereit, die zuvor übernommenen rund 40 Hektar wertvollen Ackerlands wieder abzugeben. Da ihnen aber erklärt wurde, dass diese Abtretung nur auf Gemeindeebene, nicht jedoch auf der privaten Basis vollzogen werden würde, erklärten sie sich schließlich bereit, der Aufforderung nachzukommen.

    Auch die beiden Landkreise Karlstadt und Hammelburg stritten sich um die Kommune. Es kam zu hitzigen Diskussionen in den jeweiligen Kreistagen und auch unter den Neu-Bonnländern. Letztendlich hatte Karlstadt die Nase vorn. Bonnland wurde dem Landkreis Karlstadt zugeschlagen. Zur Kreisgebietsreform 1972 wurde es allerdings dem Landkreis Bad Kissingen zugeordnet. 

    Die Bundeswehr brauchte einen Truppenübungsplatz

    Die ersten Vorboten einer zweiten Auflösung gab es dann im Jahr 1951, als die amerikanischen Besatzer eine erneute große Erweiterung des Truppenübungsplatzes ins Auge fassten. Dabei hätten neben Bonnland und Hundsfeld fünf weitere Ortschaften, nämlich Gauaschach, Neubessingen, Hundsbach und Rütschenhausen mit insgesamt 5500 Einwohnern geopfert werden müssen. Aber der Widerstand der Region war enorm. Die damalige Bundestagsabgeordnete Maria Probst war eine der Kämpferin für den Erhalt der Dörfer. Diese großen Ausdehnungspläne konnten verhindert werden, doch mit der Wiederbewaffnung der Bundeswehr 1955 kam die Frage nach dem Truppenübungsplatz wieder auf den Tisch. 

    Die Bundeswehr hält Bonnland gut in Schuss. Am "Bonnlandtag" können interessierte Bürger den Ort für wenige Stunden besuchen. (Archivbild)
    Die Bundeswehr hält Bonnland gut in Schuss. Am "Bonnlandtag" können interessierte Bürger den Ort für wenige Stunden besuchen. (Archivbild) Foto: Michael Keller-May

    Die neue, junge Armee meldete auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg Bedarf an. Im April 1956 wurde dort die Infanterieschule eingerichtet und diesmal half kein Protest. Nach langen Gesprächen und intensiven Diskussionen wurde Bonnland wieder aufgegeben. Am 14. Januar 1965 zogen dann auch die letzten verbliebenen Bonnländer (Mitte 1963 noch gut 200) ab. Die meisten von ihnen fanden in Wässerndorf, einem Gemeindeteil von Seinsheim, im Landkreis Kitzingen eine neue Heimat. Offiziell wurde die Gemeinde Bonnland am 1. Juli 1972 aufgelöst. Das Gebiet wurde Hammelburg zugeschlagen.

    Während von Hundsfeld heute nicht mehr viel übrig ist, wird Bonnland seitdem als Übungsdorf für den militärischen Häuserkampf genutzt. Auch Polizei, Bundespolizei, THW, Katastrophenschutz, Feuerwehren und Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz nutzen die ehemalige Siedlung zu Ausbildungszwecken. Noch gibt es hier 120 Gebäude, eine Kirche, ein Rathaus, eine Schule und Häuser – trotzdem ist der Ort als militärisches Sperrgebiet ausgestorben.

    In Bonnland wird Häuserkampf trainiert. (Archivbild)
    In Bonnland wird Häuserkampf trainiert. (Archivbild) Foto: Wolfgang Dünnebier

    Unter der Woche üben Soldaten den Häuserkampf. Bis zu 50.000 Nato-Soldaten trainieren jährlich hier. Die Bundeswehr bemüht sich, das fränkische Aussehen des Dorfes nicht zu zerstören. Ein Trupp von drei Handwerkern kümmert sich um die Gebäude und hält sie so weit in Schuss, dass die Soldaten möglichst realitätsnah üben können. Beim Aufbrechen von Türen geht schon mal etwas kaputt. Aber auch Fenster und Dächer setzen die Handwerker instant. Und wenn mal ein Panzer an einer Hausecke hängen bleibt, muss der Maurer ran.

    An einem Tag pro Jahr ist Bonnland auch für Zivilisten geöffnet. Am "Bonnlandtag" können ehemalige Anwohner und interessierte Bürger den Ort für wenige Stunden besuchen. Willi Ortmann, der als einer der Letzten das Dorf verlassen hatte und dann über Jahrzehnte hinweg das Andenken an seine Heimat für 20 Jahre hochgehalten hatte, blickte trotz allem ohne Groll auf sein Leben mit zweifacher Vertreibung zurück. Im Mai 2021 verstarb er im Alter von 92 Jahren im Seniorenhaus Thulbatal.

    Zum Autor: Günter Roth war lange Lehrer im Werntal und ist mit der Heimatgeschichte vertraut. Er ist zudem stellvertretender Vorsitzender der Geschichtsfreunde Stetten.

    Literatur: Günther Liepert "Wiederbesiedlung Bonnland" Mai, 2016; Wilhelm Ortmann: "Bonnland - Ein kleines Dorf mit großer Geschichte" (1. Band 1995, 2. Band 2012).

    Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter /dossier/geschichte-der-region-main-spessart/

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