Zwölf Minuten tosender Applaus, aufbrandende Jubelrufe, vereinzelt auch "Bravos": Die Scherenburg-Festspiele feierten mit "Die Fledermaus" von Johann Baptist Strauss eine beeindruckende Premiere. "Großartig", brachte es Hans Michelbach (Vorsitzender des Verwaltungsrates) auf den Punkt, ohne damit zu übertreiben. Was will man mehr? Vielleicht etwas mehr Celsiusgrade als jene fast einstelligen am Mittwochabend? Vielleicht, dass auch die restlichen 263 der 650 grünen Sitzschalen hinter der Burgmauer besetzt gewesen wären? Verdient hätte es die Inszenierung von Annika Nitsch, die damit einen gelungenen Einstand in Gemünden gab.

Nein, man muss kein Operettenfreund sein, um diese "Fledermaus" mit Blick auf eine echte Fledermausbehausung im Burgfried zu genießen. Aber die Gefahr, ein solcher zu werden, ist real. Denn was das zehnköpfige Ensemble da auf die (bei der Premiere) noch regennassen Bretter zaubert, was der 14-köpfige, vierstimmige Chor an Sangeskraft entwickelt, wie die nur acht professionellen Musiker aus der Region vergessen lassen, dass der Walzerkönig ein ganzes Symphonieorchester vorsah – allein das ist schon aller Ehren wert. Dass neben Benjamin Purner (Innsbruck), Emil Greiter (Würzburg) und Heinz Arthur Boltuch (Wien) nur Laien spielen und singen, sollte man wissen. Das herauszuhören allerdings dürfte Laien schwerfallen.
Applaus gab es sogar für den Bühnenumbau
Michael Albert als musikalischer Leiter hat ganz Arbeit geleistet. Es gibt keine Ausfälle. Isabell Lang hat die Blumen nicht nur (wie auch Gabi Bayerschmidt) für ihr 20. Jahr auf der Scherenburg verdient, sondern auch für ihre Rolle als Rosalinde. Und als die Spannung in dem etwas sprachlastigeren dritten Akt etwas abzuflachen droht, kommt beschwingt ein Frosch daher: Der Gräfendorfer Hobbyschauspieler Marco Weber brilliert als trunkener Gefängniswärter.

Wenn man beim Terzett "So muss allein ich bleiben" nicht nur mitklatschen, sondern am liebsten Polka tanzen wollte; wenn man sich bei "Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist" verführt fühlt, einzustimmen; wenn sich das Klatschen der Festgesellschaft auf der Bühne mit dem des Publikums vermischt; ja, wenn letzteres sogar den Bühnenarbeitern beim Umbau zum dritten Akt applaudiert, dann sagt das viel über die Stimmung, die diese Inszenierung zu entfachen versteht.
Viel Slapstick, viel Rülps
Die beschwingte, facettenreiche Musik des Walzerkönigs gibt dem Stück, das vor genau 150 Jahren in Wien uraufgeführt wurde, die Grundstimmung. Übertriebene Theatralik gehört zum Konzept. Dass viel slapstickartig getorkelt und derb gerülpst wird, ist unvermeidlich in diesem champagner- und slivovitz-schwangeren Stück. Köstlich die Szene im zweiten Akt, wenn sich Wiener Schmäh gewitzt vermengt mit Brocken aus höfischem Französisch.

Wer wissen will, warum Forsch nicht singt, warum eine blaue Buche vor der Tür steht und was ein Slivovitz mit der neuen Verordnung für Verschlusskappen an Einwegverpackungen zu tun hat, dem sei diese Fledermaus wärmstens empfohlen. Wer neugierig ist, wie Regisseurin Nitsch (Staatstheater Nürnberg) einen Kopfhörer, die Merkel-Raute und einen geheimnisvollen Nagel in dieses Stück hineingeschmuggelt hat, der sollte sich diese Gemündener Version nicht entgehen lassen.

Nitsch kann ihren Lebenslauf getrost mit dieser Inszenierung ergänzen – sie schmückt ihn. Diese Fledermaus im Zeichen des Fledermaus-Turms ist ein Volltreffer. Ein Muss für alle, die der leichten Muse zugetan sind oder zumindest nicht abgeneigt gegenüber stehen. Zweieinhalb heitere, beschwingte, mitreißende Stunden, in denen man Emile Zola folgen möchte: "Wir Schriftsteller", so wird er zitiert, "zeigen der Welt, wie elend sie ist – Strauss zeigt uns, wie schön sie sein kann."