Wir schreiben das Jahr 1969. Auf der Bühne stehen vier junge Musiker mit Pilzköpfen. Ihre Musik mit E-Gitarre, Bass und Schlagzeug wird von den Fans bejubelt. Was sich zunächst nach einem Auftritt der jungen Beatles zehn Jahre zuvor anhört, ist einer der ersten Gigs der "Thunderbirds" aus Büchold, die über mehr als fünf Jahre Hausband im legendären Tanzsaal Distler waren und von der Rhön bis in den Kitzinger Raum mit ihrer Musik begeisterten. Für das neue Filmprojekt "Zum Schwarzen Adler – 500 Jahre fränkische Gasthausgeschichte" des unterfränkischen Dialektvereins brachte Filmemacher Benedikt Feser die vier ehemaligen Bücholder Helmut Büchs, Siggi und Armin Juhasz sowie Anton Landgraf wieder zusammen. Im Gasthaus begab er sich mit ihnen auf Spurensuche.
Den historischen "Schwarzen Adler" planen der Dialektverein und die Stadt Arnstein in ein "Haus des Dialekts" umzugestalten. Der in den 1950er Jahren nachträglich angebaute Tanzsaal wird leider als Bauwerk im Ganzen bei dieser Planung nicht erhalten werden können. Daher nutzte Feser, Vorsitzender des Dialektvereins, die wohl letzte Gelegenheit, die "Donnervögel" noch einmal an ihrer alten Wirkungsstätte zu filmen und zu befragen. Eine Reise in die Vergangenheit, die viele Emotionen und Erinnerungen hervorbrachte, zumal die gemeinsame Bandzeit nun schon ein halbes Jahrhundert zurückliegt.
Auftritte beim Gottesdienst und beim Jugendtanz
Im Jahr 1968 formierten sich die vier Jungs, damals zwischen 13 und 16 Jahren alt, um gemeinsam die modernen, englischen Songs aus dem Radio, aber auch bekannte fränkische Wirtshauslieder nachzuspielen. Schon nach einem halben Jahr intensiven Probens wagten sie sich gemeinsam auf die Bühne und absolvierten erste Auftritte bei einem Gottesdienst mit Jazzmusik in der Bücholder Pfarrkirche und beim Jugendtanz im "Schwarzen Adler".
Schnell bildete sich eine Fangemeinde um die "Thunderbirds" und Gastwirt Helmut Distler erkannte das Potenzial der Jungs, die fortan regelmäßig bei Distlers auftraten und stets ein Garant für einen vollen Tanzsaal waren. Doch der Radius der Band wurde immer größer und so folgten Engagement im gesamten Bezirk. "Viele Fans sind uns zu unseren Auftritten sogar nachgereist", erinnern sich die Musiker nicht ohne Stolz.
Die Haare wurden länger
Doch galt es, in der gemeinsamen Bandzeit auch Hindernisse zu überwinden. Die immer länger werdende Haarpracht der Musiker stieß im Dorf nicht überall auf Wohlwollen, zumal die vier auch als Ministranten ihren Dienst versahen. Eine regelrechte Revolution unter Pfarrer Karl Kempf sei das gewesen, berichtet Gitarrist Helmut Büchs. Nicht nur, dass der weltoffene Geistliche Jazzmusik in der Kirche spielen ließ, auch nahm er die Jugendlichen in Schutz und verteidigte, dass seine Ministranten gerne lange Haare tragen und bis spät in die Nacht Musik machen dürften, wenn sie immer so pünktlich in der Früh wie die "Thunderbirds" zum Ministrantendienst erscheinen würden.
Darüber hinaus waren die Jungs nicht volljährig, was Auftritte bei abendlichen Tanzveranstaltungen eigentlich verboten hätte. Die "Thunderbirds" sind hier noch heute Siggis und Armins Vater, Michael Juhasz, dankbar, der sie als Mentor und "Chef" der Band stets zu ihren Auftritten begleitete und so den Jugendschutz garantierte. "Wenn es dann doch mal viel später wurde und eine Polizeikontrolle kam, haben wir uns einfach schnell hinter die Bühne verdrückt", schmunzelt Siggi Juhasz - damals Schlagzeuger der Band.
Altes Röhrenradio als Verstärker
Einfallsreichtum war auch in technischer Hinsicht gefordert. Als Gitarrenverstärker fungierte anfangs ein altes Röhrenradio. Noten sowie Liedtexte waren nicht wie heute per Mausklick im Internet herunterzuladen. Mit Block und Stift saß vor allem Anton Landgraf (Bass, Gesang und Trompete) vor seinem Aufnahmegerät und hörte Wort für Wort die englischen Liedtexte aus rauschenden Radiomitschnitten ab.
Keine leichte Aufgabe, wie sich bei einem Auftritt der "Thunderbirds" im Deutschen Haus in Kitzingen zeigte. "Wir haben uns die ganze Zeit gewundert, warum die Amerikaner an der Bar über uns lachen", erinnert sich Armin Juhasz (Gitarre und Orgel). "Die haben unseren englischen Text nicht verstanden, weil das, was wir mühevoll abgehört hatten, mit dem englischen Original nicht viel zu tun hatte."
Keine Neuauflage
Ende 1973 lösten sich die "Thunderbirds" in ihrer Originalbesetzung auf. Während die Brüder Juhasz und Anton Landgraf der Musik treu blieben, stand die Gitarre bei Helmut Büchs seither unbespielt im Schrank. Zufällig habe er aber vor sechs Wochen, inspiriert durch seine Enkelin, die frisch mit dem Gitarrenunterricht begonnen habe, wieder mal eine Gitarre in der Hand gehabt und die Finger hätten immer noch ihren Platz auf dem Griffbrett gefunden. Beste Voraussetzungen für ein Revival der "Thunderbirds"?
Die Dreharbeiten seien eine hoch emotionale Sache für sie gewesen, waren sich die Musiker einig, schließlich war die Bandzeit eine der schönsten in ihrem Leben. Zu einer Reunion werde es zwar nicht kommen, aber zur Einweihung des Dialekthauses, das versprachen die "Thunderbirds" Benedikt Feser, würden sie sich nochmals für ein paar Lieder gemeinsam auf die Bühne stellen.
