Als am 31. Dezember 1999 der Silvester-Countdown zum Jahres- und Jahrtausendwechsel heruntergezählt wurde, hielten tausende Menschen in Deutschland den Atem an. Denn neben den Feierlichkeiten, die eine Silvesternacht nun einmal so mit sich bringt, war es auch ein Countdown ins Ungewisse. Grund dafür war die Angst vor dem "Millennium Bug" (Englisch für Millennium-Fehler oder Jahr 2000-Fehler).

Informatikerinnen und Informatiker sagten für den Jahrtausendwechsel einen Zusammenbruch verschiedener Computer-Systeme voraus. Denn bisher waren Jahreszahlen in Computersystemen immer nur als zweistellige Angaben behandelt worden. Die düstersten Prognosen, die damals durch die Medien getrieben wurden: Börsencrashs, Verkehrschaos, Flugzeugabstürze. Selbst eine Fehlzündung von Atomwaffen wurde als möglich erachtet.
Auch Menschen aus dem Landkreis Main-Spessart waren sich dieser Gefahren bewusst und trafen Vorkehrungen für den Start ins Jahr 2000. Drei Menschen erzählen, wie sie die Nacht erlebt haben.
1. Paul Diener: "Es hat sich damals wie ein bedeutender Moment angefühlt"

Paul Diener erlebte den Jahreswechsel 1999/2000 als Bürgermeister der Gemeinde Erlenbach bei Marktheidenfeld. Die Silvesternacht selbst verbrachte er auf dem Erlenbacher Silvesterball.
"Man hat sich im Vorfeld natürlich Gedanken gemacht, was passieren kann. Auch als kleine Gemeinde haben wir unsere Server überprüft und nach möglichen Problemen gesucht. Unsere realistische Einschätzung damals war, dass sich die Verwaltung keine Gedanken machen muss und so konnten wir die Feier genießen. Einen Jahrtausendwechsel erleben schließlich nur die allerwenigsten.

Es war für mich beinahe auf einem ähnlichen Niveau wie der Fall der Mauer. Als dann klar war, dass alles gut gegangen ist, haben wir auf der Feier alle Zigarren geraucht. Es hat sich damals schon wie ein bedeutender Moment angefühlt. Heute hätte die Panik im Vorfeld durchaus eine andere sein können. Da Fake News immer größeren Einfluss nehmen, wäre das Gefühl der Unsicherheit vermutlich deutlich größer gewesen."
2. Herbert Hausmann: "Wir sind mit dem notwendigen Ernst an die Sache rangegangen"

Im Oktober 1999 wurde Herbert Hausmann zum Kreisbrandinspektor für den Raum Gemünden ernannt, womit er unter den Freiwilligen Feuerwehrleuten mit zu den Ranghöchsten gehörte. Als Teil einer Arbeitsgruppe des Landratsamtes war der Millennium-Bug in seinen ersten Wochen ein ständiger Begleiter:
"Die Gefahr war echt. Man hat schließlich im Jahr vorher weltweit Probeläufe gemacht. Wir haben daher die Gerätehäuser für die Nacht besetzt. Es war nicht klar, ob alle ohne Murren mitmachen, aber die Feuerwehren haben daraus ein großes Ereignis gemacht. Die Partner und die schon etwas älteren Kinder sind auch teilweise dabei gewesen und gefeiert wurde ohne Alkohol.
Wir hatten in unserer Zentrale einen Amateurfunker mit dabei, der den Abend über Richtung Osten gefunkt hatte. Also in Zeitzonen, wo der Jahreswechsel bereits stattgefunden hat. Mit jeder vollen Stunde wurden wir ruhiger, weil ja die schlechten Nachrichten ausblieben. Um 12 Uhr haben wir dann alkoholfrei angestoßen und für eine kurze Zeit noch gespannt gewartet. Die offizielle Entwarnung gab es dann um 1 Uhr. Ein, zwei Stunden sind es dann aber doch noch geworden, bis ich zu Hause im Bett war. Man muss so einen Abend auch erstmal sacken lassen."
3. Wolfgang Remelka: "Kurz vor dem Jahreswechsel wie gebannt auf die Uhr geschaut"

Wolfgang Remelka, ehemaliger Leiter der Lohrer Polizeidienststelle, war zu dieser Zeit als Führungsbeamter in der Polizeiinspektion Würzburg tätig. In der Silvesternacht 1999/2000 war er zum Nachtdienst eingeteilt und mit der Koordination von Einsätzen betraut. Zudem war er Teil des Führungsstabs, der sich im Vorfeld auf die drohende Gefahr eines Systemausfalls vorbereitete.
"Silvester ist natürlich immer eine besondere Nacht für die Polizei und die Vermutung lag nahe, dass wegen des Millenniums wahrscheinlich sogar noch etwas mehr Feiernde unterwegs sein würden. Ein Jahrtausendwechsel ist schließlich eine große Sache. Dazu kam die Thematik mit den möglichen Systemausfällen auf. Wir haben uns definitiv noch etwas mehr vorbereitet als üblich gewesen wäre.
Was kann passieren? Das haben wir uns gefragt? Fällt die Stromversorgung aus? Fallen Geldautomaten aus? Was passiert auf den Straßen? Ich persönlich hatte recht wenige Befürchtungen, aber unmittelbar vor dem Jahreswechsel hat man doch gebannt auf die Uhr geschaut. Dann stellt man fest: Das Licht brennt noch, also ist der Strom noch da. Man hat aus dem Fenster in die Augustinerstraße geschaut. Auch da war nichts ungewöhnlich. Es kamen keine negativen Nachrichten. Es hat so circa 15 bis 30 Minuten gedauert, bis man komplett verinnerlicht hat, dass es keinen Systemausfall geben wird. Danach war es für mich als Führungsbeamten eine normale Silvesternacht."