Gerbrunn Gründonnerstag, nachts nach zehn, trafen in der Gerbrunner Bornbachsteige ein alter Brauch und die Polizei aufeinander. Erst machten die Ordnungshüter dem Brauch ein Ende, dann entschuldigten sie sich.
Wenn die Katholiken zu Ostern der Leiden ihres Messias gedenken, lassen sie die Kirchenglocken schweigen. Das ist die Zeit der Ratschenkinder. Da gehen sie: die jüngsten zehn, die ältesten 17 Jahre alt, ausgeschickt von ihrem Pfarrer, durchs nachtschlafene Gerbrunn, den Glockenklang zu ersetzen durch frommen Radau. "Leiern" sagen sie in Gerbrunn zum Ratschen.
Es ist Donnerstag, nach 22 Uhr. Im Neubaugebiet leben Leute, die wollen dem Leiern nicht lauschen und rufen die Polizei. Um 2215 Uhr kommt den jungen Leuten ein langsam fahrendes Auto entgegen. Eva Schwingenschlögl, 17, die Leiterin der Gruppe, ahnt nichts Gutes. Tatsächlich: Das Auto hält, das Licht im Innenraum geht an, ein Mann und eine Frau zeigen ihre Ausweise: Zivilpolizei. Das Quintett betreibe Ruhestörung; es soll das Leiern lassen.
Die Beamtin kennt den Brauch nicht. Schwingenschlögl erklärt Sinn und Zweck. Und uralt sei das Leiern, noch nie habe es jemand verboten. Die Polizisten sind freundlich, aber bestimmt: Sollten sie die Ratschen noch mal hören, bescheiden sie, nehmen sie die Personalien auf. Die fünf fügen sich.
Tags darauf klingelt bei der Polizei das Telefon: Nikolaus Hegler, Diözesanpräses der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB), Pfarradministrator von St. Nikolaus in Gerbrunn und Anstifter der Ratscher, ist dran und erkundigt sich. Die Ordnungshüter entschuldigen sich.
"Die Beamten", erklärte Polizeisprecher Peter Maske jetzt dieser Zeitung, "hätten das nicht einstellen dürfen". Die beiden hätten nicht gewusst, dass in Gerbrunn schon am Gründonnerstag abends geleiert wird. Das sei von Ort zu Ort anders; meist gehe es wohl erst am Morgen des Karfreitags los. Und zeigt auf die Gerbrunner, die die Polizei gerufen hatten: "Die dürften sich gar nicht beschweren, weil das eine berechtigte Ruhestörung ist". Das Ratschen, erklärt er, "ist zulässig und im Sinne der Kirche". Und findet selbst: "Es ist doch gut, dass es so was noch gibt." Maske fühlt sich an Urlauber auf der Alm erinnert, die nach der Polizei rufen, weil sie sich von Kuhglocken gestört fühlen.
Auch Pfarrer Hegler will nicht mit Feuer und Schwert über die Polizisten kommen, im Gegenteil: "Die Leute schieben Dienst, während alle andere die Beine hoch legen", sagt er, und findet, man müsse die Kirche im Dorf lassen, "wenn da einmal ein Fehler passiert". In Luft habe sich das Ganze aufgelöst. Nächstes Jahr, versichert Eva Schwingenschlögl, wird jedenfalls wieder geleiert.