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Lohr: Die Spessarträuber: Ein elendes Leben

Lohr

Die Spessarträuber: Ein elendes Leben

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    Die Spessarträuber nutzten den Wald als Versteck. Das Spessartmuseum in Lohr zeigt die wenig romantische Wirklichkeit des Räuberlebens.
    Die Spessarträuber nutzten den Wald als Versteck. Das Spessartmuseum in Lohr zeigt die wenig romantische Wirklichkeit des Räuberlebens. Foto: Klaus Gimmler

    "Lieber Gott, du hast mir aus dem Mutterleib geholfen, du wirst mir auch über den Spessart helfen!" (Legendäres Stoßgebet eines Nürnberger Kaufmanns um 1800)

    Wer waren die Spessarträuber? Lichtscheues Gesindel, das die Wälder unsicher machte? Edle Verbrecher, die mit ihrer Bande zwar gegen Gesetze verstießen, aber auch für Gerechtigkeit verarmter Unterschichten kämpften, so wie Wilhelm Hauff sie im "Wirtshaus im Spessart" beschrieb? Wegelagerer? Bettler? Gestrauchelte? Heutzutage werden die Spessarträuber gerne als Abenteurer mystifiziert, die frei und gut gelaunt um das Lagerfeuer tanzen und dabei die abgenagten Knochen des reichhaltigen Menüs in die Flammen werfen.

    Damit sind sie Teil des Kulturguts. Jugendgruppen und eine Musikgruppe nennen sich gerne so, man kann rustikale Spessarträuber-Gelage buchen und es gibt sogar einen Likör mit dem Namen. Eins ist jedoch sicher, sagt Elisabeth Berger. "Romantisch war die Zeit nicht." Die echten Räuber wussten gar nicht, was Räuberromantik ist. Sie verstanden allenfalls darunter ein elendes Leben.

    Spessarträuber standen außerhalb der Gesellschaft

    Wer die Spessarträuber verstehen will, der muss sich ins 18. Jahrhundert zurückversetzen, sagt Elisabeth Berger, die sich sehr mit dieser Zeit beschäftigt hat und auch Führungen zu diesem Thema im Jahresprogramm des Naturparks Spessart angeboten hat. Sie betont, das Leben der Spessarträuber war nicht selbst gewählt, sie waren Vaganten und standen damit außerhalb der Gesellschaft. Sie wurden zu diesem Leben gezwungen. "Einmal auf der Straße, gab es keine Chance mehr zurückzukommen."

    Räuberisch, aber edel: So wurden die Spessarträuber in der Verfilmung des Romans "Das Wirtshaus in Spessart" von Wilhelm Hauff aus dem Jahre 1827 dargestellt. Im Bild sind die Schauspieler Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller (von links).
    Räuberisch, aber edel: So wurden die Spessarträuber in der Verfilmung des Romans "Das Wirtshaus in Spessart" von Wilhelm Hauff aus dem Jahre 1827 dargestellt. Im Bild sind die Schauspieler Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller (von links). Foto: ddp images

    Als Beispiel dafür erzählt sie die Lebensgeschichte von Manne Friedrich, der als einer der berühmtesten Spessarträuber gilt. Dieser kam als Philipp Friedrich Schütz in Dänemark zur Welt. Dorthin war seine Familie – gesetzestreue Bauern – auf Weisung des Freiherren aus Koblenz gezogen, um dort Tabak anzubauen. Aber als der Vater starb und die Mutter wieder zurück in ihren Heimatort wollte, wurde sie dort nicht mehr aufgenommen. Durch Bettelei konnte sie sich einige Zeit ernähren.

    Da die kleine Familie keinen festen Wohnsitz hatte, konnte Philipp Friedrich Schütz kein ordentliches Handwerk lernen. Stattdessen wurde er aufgrund des heimatlosen Lebens ein Vagant, ein Fahrender, und zu ersten Straftaten verleitet. "Es gab keine Sozialversicherungen", so Elisabeth Berger. Niemand sorgte für den Aussatz der Gesellschaft.

    Das Leben von Manne Friedrich

    Von Manne Friedrich ist bekannt, dass er im Jahre 1810 mit einigen Kameraden im Spessart den Kaufmann Johann Richard Söltel ausraubte. Dieser war auf dem Weg von Frankfurt nach Nürnberg. In der Nähe der Poststation Rohrbrunn lauerten die Räuber ihm auf. Den geschichtlichen Quellen nach soll zunächst ein Räuber versucht haben, heimlich das Gepäck vom Wagen abzuwerfen. Dazu sprang er hinten auf die Kutsche, aber das Gepäck war mit Ketten gesichert.

    Dann haben die Räuber ein Pferd niedergeschlagen, so dass die Kutsche zum Stehen kam. Drei Fahrgäste wurden mit schweren Holzknüppeln in die Flucht getrieben. In den Koffer fanden sie immerhin Geldrollen, Schmuck und wertvolle Kleidung. Die Kisten im Passagierraum wollten sie später leeren, dazu soll es aber den Erzählungen nach nicht gekommen sein, denn der Kutscher hatte inzwischen Husaren und Förster von Rohrbrunn alarmiert, so dass die Räuber die Flucht ergreifen mussten. Der Wald war ihre Zuflucht, hier kannten sie sich aus, eine Verfolgung war sinnlos.

    Als sicher gilt auch, dass Manne Friedrich ein Jahr später an einem Raubmord beteiligt war. Zwischen Hemsbach und Laudenbach im Odenwald hatte er mit seinen Kameraden eine Postkutsche überfallen, wobei ein Kaufmann später seinen Verletzungen erlag, der bei dem Überfall einen Schlag auf den Kopf bekommen hatte. Später wurde Manne Friedrich gefasst und 1812 deswegen öffentlich auf dem Heidelberger Marktplatz enthauptet.

    Ein Räuber in einer Zelle, so dargestellt im Spessartmuseum Lohr.
    Ein Räuber in einer Zelle, so dargestellt im Spessartmuseum Lohr. Foto: Klaus Gimmler

    "Diese Überfälle sind typisch für das Vorgehen der Spessart-Räuber", sagt Elisabeth Berger. Ihr Revier waren die dichten Wälder. Dort lauerten sie in kleinen Gruppen auf geeignete Opfer. Wer damals auf den schlecht bestellten Straßen in Kutschen, auf Fuhrwerken oder zu Fuß unterwegs war, den trieb weniger die Reiselust als vielmehr wirtschaftliche oder berufliche Notwendigkeiten.

    Kaufleute aus Nürnberg oder Schweinfurt beispielsweise brachten ihr Handelsgut auf die Frühjahrs- und Herbstmesse nach Frankfurt und kehrten mit Rohstoffen und Spezereien zurück, Handwerksburschen auf der Walz suchten neue Meister, Kuriere überbrachten zu Pferd Depeschen, die Thurn und Taxischen Postkutschen fuhren die Poststationen an, Hausierer und Hausiererinnen zogen durch das Land und boten in den Dörfern ihre Waren feil.

    Räuber nutzten die Überraschung

    Die Räuber nutzen bei ihren Überfällen die Überraschung. Dabei zündeten sie auch Rauchbomben. Das waren kleine, auf die Pistolenmündung gebundene Säckchen mit Schwarzpulver, die sie ins Wageninnere schossen. Die Reisenden wurden entweder gefesselt oder vertrieben, Todesfälle waren eine Seltenheit, sind aber auf beiden Seiten vorgekommen, denn auch die Räuber konnten sich bei einem Überfall vor Schüssen nicht sicher sein.

    Von dem Räuber Johann Bopp – genannt Klemm – ist bekannt, dass er eine "kugelsichere Weste" trug. Er hatte sich einen aus mehreren Eisenplatten zusammengesetzten beweglichen Brustpanzer und eine eiserne Maske gebastelt, die ihn vor Schüssen der Reisenden schützen sollte. Das Diebesgut wurde dann zu Geld gemacht. Dazu nutzten die Räuber ein Hehlersystem, das gut funktionierte.

    Keine einheitliche Staatsgewalt

    Die Raubzüge wurden dadurch begünstigt, dass es keine einheitliche Staatsgewalt gab, die dem Treiben Einhalt gebot. Deutschland im 18. Jahrhundert war ein zerstrittener Flickenteppich. Es bestand aus Stadtstaaten, Kleinstaaten und Kleinststaaten – alle mehr oder weniger miteinander verbunden. Preußen und Österreich hatten die Vorherrschaft und sie waren Rivalen.

    Dann kam Napoleon. Der kleine Korse schuf deutsche Mittelstaaten, um politische Gegengewichte zu Preußen und Österreich zu bilden. Die kirchlichen und alle kleineren Staaten wurden aufgelöst. Zum neu gegründeten Rheinbund gehörten Aschaffenburg und Würzburg mit dem Spessart und dem Odenwald.

    Aber besser wurde es dadurch zunächst nicht. Die zahlreichen Kriege ließen versprengte Soldaten, Deserteure, vertriebene Bauern auf der Landstraße zurück und sie wurden zu Vaganten. Viele Bauern mussten wegen Missernten und der viel zu hohen Abgaben ihre Höfe aufgeben und mancher Bürger wurde auf die Straße getrieben.

    Doch die Hochzeit der Spessarträuber war vorbei. Entscheidend dafür war die Gründung der königlichen Gendarmerie Bayern im Jahr 1814. Es folgte 1834 die Gründung der Gendarmerie in Hessen. Davor habe es nur ein Husarenchor verstärkt durch Militär gegeben, sagt Berger. Das waren zu wenige, um die Handelsstraßen des Spessarts zu sichern.

    In der Folge ist es gelungen, das ganze System der Hehlerei zu zerschlagen. Durch harte Vernehmungen der gefangenen Räuber wurden die Namen von Helfern herausgepresst. Es wurde so langsam sicherer auf den Straßen durch den gefürchteten Wald "ohne Anfang und Ende".

    Tipp: Das Spessart-Museum in Lohr dokumentiert mit einer eigenen Abteilung die Lebenswirklichkeit der Spessarträuber. Die wenig romantische Wirklichkeit des ländlichen Verbrechertums, das eine eigene Subkultur entwickelte, zeigt das Museum anhand originaler Waffen, Bildzeugnisse und Gaunerbücher.

    Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter /dossier/geschichte-der-region-main-spessart

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