Der rote Teppich liegt schon zum Ausrollen bereit: Wenn am Donnerstag um 20.15 Uhr bei RTL der Fernsehfilm "Der Rebell - von Leimen nach Wimbledon" über die Jugendjahre von Tennis-Legende Boris Becker Premiere feiert, fiebern rund 30 Gäste im Vereinsheim von Weiß-Blau Aschaffenburg mit: Neun Spielerinnen und Spieler aus dem Club wirken in dem Streifen, der zu großen Teilen auf der Vereinsanlage gedreht wurde, als Kleindarsteller und Tennis-Doubles mit.

"Ein bisschen Lampenfieber habe ich schon", bekennt Torge Herrmann. Der Jugendwart von Weiß-Blau kommt selbst als Schiedsrichter und "rauchender Zuschauer" im Film vor. Mehr noch aber sei er gespannt, so erzählt er, wie sich sein Sohn im Fernsehen mache. Der zehnjährige Noah spielt auf dem Tennisplatz einen von Boris Beckers Gegnern in Schülerzeiten. Herrmann: "Entsprechend mussten wir genau nach Drehbuch Ballwechsel einstudieren."
"Eine deutsche Heldengeschichte"
Es war ein großes Spektakel im Mai, als auf der Anlage von Weiß-Blau 80 Kameraleute, Techniker, Maskenbildner und natürlich die Schauspielerinnen und Schauspieler samt Equipment anrückten, um drei Tage lang Szenen für den Film zu drehen, der die Geschichte des Jungen aus der Provinz erzählt, der als 17-Jähriger sensationell das bedeutendste Tennisturnier der Welt gewinnt. Beckers Wimbledon-Sieg von 1985 sei eine "deutsche Heldengeschichte", sagt Produzent Michael Souvignier, "von denen es so viele nicht gibt". Eine, die sich ins nationale Gedächtnis eingeprägt hat.

Über 40 Jahre ist es her, dass die Tenniskarriere von Boris Becker im badischen Leimen startete. Die Tennisanlage in Aschaffenburg hat sich einiges vom Charme jener Zeit bewahrt, so dass die Wahl der Filmemacher bei der Suche nach einer geeigneten Kulisse auf die Plätze von Weiß-Blau fiel. Auch das übrige Ambiente passte. Oder es wurde von den Filmemachern passend gemacht: So sorgten sie im Club-Restaurant für einen neuen alten Anstrich in hellbraun, die hellgrauen Deckenbalken wurden kurzerhand ebenfalls braun gestrichen, altbackene Lampen mit rustikaler Häkel-Deko aufgehängt.
"Internetadressen gab es damals noch nicht"
Auch die Umkleidekabinen versetzten Bühnenbildner in die späten 70er und frühen 80er Jahre. Im Außenbereich stellten sie eine gelbe Telefonzelle auf, an den Tennisplätzen mussten die aktuellen Windschutzplanen durch neutrale Banner ersetzt werden. "Werbeaufdrucke mit Internet-Adressen und fünfstelligen Postleitzahlen kannte man in den 80ern noch nicht", erklärt Weiß-Blau-Trainer Christoph Meyer, der die Filmemacher bei den Dreharbeiten intensiv unterstützte.

Vor allem auch bei der Auswahl der Kleindarsteller und sogenannten Tennis-Doubles war Meyer gefragt. Neben Boris Becker selbst, der als Kind von Balthazar Zeibig und später als Jugendlicher von Bruno Alexander ("Wir Kinder vom Bahnhof Zoo") verkörpert wird, hat Regisseur Hannu Salonen ("Tatort") auch die Rollen seiner Gegner aus Jugendzeiten mit Profi-Schauspielern besetzt. Deren Tennisschläge aber mimen jugendliche Cracks vom TC Weiß-Blau wie Niklas Pothorn (23) oder Tom-Luca Jakobs (18). Neben dem Beherrschen von Slice, Topspin und Return war mitentscheidend für die Auswahl, dass die Doubles keine festen Zahnspangen oder Undercut-Friseuren trugen. Meyer lacht: "Die kannte man damals nämlich noch nicht."
Noch hat niemand im Verein den fertigen Film gesehen. Entsprechend gespannt freut sich die Weiß-Blau-Truppe auf die - Corona-gemäß abgespeckte - TV-Premierenparty am Donnerstag mit den Kleindarstellern und ihren Familien. Boris Becker, der 1983 als 15-Jähriger auf der Anlage in Aschaffenburg die Deutsche Jugendmeisterschaft gewann, ist nicht dabei. Der Tennisstar hat das Filmprojekt - bislang zumindest - mehr oder weniger ignoriert.
Günther Bosch war Trainer bei Weiß-Blau
Ganz anders Günther Bosch, sein legendärer Trainer und Entdecker, der unter anderem Hauptdarsteller Bruno Alexander ein wenig von früher erzählt hat. Bosch hat auch eine Vergangenheit in Aschaffenburg: Vor 50 Jahren war er hier für ein Jahr Vereinstrainer. Und so haben die Weiß-Blauen mit dem heute 84-Jährigen jetzt kurzfristig nochmal Kontakt aufgenommen. Mit einem Besuch zur TV-Premiere klappt es leider nicht, sagt Christoph Meyer. Aber wenn Corona vorbei ist, dann wolle Bosch mal wieder in Aschaffenburg vorbeischauen.