Ihr Auftrag: Eine vollständige Neuvermessung von 250 grundlegenden Vermessungspunkten in Deutschland, millimetergenau in Position und Höhe. Am Wochenende nahm ein dreiköpfiger Vermessungstrupp des Amtes für Bodenmanagement Marburg südlich von Mittelsinn an einem solch festgelegten Punkt eine 24 Stunden dauernde Langzeitmessung vor. Die insgesamt 34 hochmodern ausgerüsteten Trupps der Länder und des Bundes ziehen von Ende Mai bis Anfang Juli durch die Republik und vermessen sie mit Hilfe von Satelliten. Wie der Leiter, Ingenieur Rudolf Bernhardt, erläutert, werden dabei zwei Satellitennavigationssysteme gleichzeitig genutzt.
Zum einen, das aus der Fahrzeugnavigation bekannte amerikanische GPS und zum anderen das bisher weniger bekannte russische System Glonass. Für künftige Aufgaben wird das im Aufbau befindliche europäische Satellitennavigationssystem Galileo von großer Bedeutung sein.
Basis für Forschungsarbeit
Er unterstrich, dass mit dieser umfassenden Vermessungsaktion eine für Deutschland bisher einmalige, sehr genaue Arbeitsgrundlage geschaffen werde. Sie stelle die Basis für andere Forschungsgebiete dar wie Klimawandel, Hochwasserschutz, Veränderungen der Alpen und der Küsten und die Oberflächenveränderungen durch menschliche Eingriffe, wie Straßen-, Wasser- und Bergbau.
Begonnen hat der Messtrupp seine Tour durch Deutschland in Bielefeld. Wie auch jetzt in Mittelsinn wird jeweils die Höhe und Lage des Messpunktes genau definiert mit dem Ziel, für kommende Messungen ein völlig spannungsfreies Feld zu finden. Später wird dann ein millimetergenauer Standort der Grenzsteine ermöglicht.
Am Sonntagvormittag um 9 Uhr begannen die 24-Stunden-Langzeitmessungen. Diplom-Ingenieur Roman Leismüller vom Bayerischen Landesamt für Vermessung und Geoinformation überzeugte sich am Sonntag vom Stand der Dinge. Ein neues Netz müsse für Deutschland geschaffen werden, da die bestehenden GPS-Satelliten voll bestückt seien. Mit der Nutzung des russischen Systems seien mehr Variationen möglich.
Man greife auf den bestehenden geodätischen Grundmesspunkt zurück. Die Messung soll möglichst auf einem freien offenen Gelände sein, und das ist im weiten Sinntal gegeben. Im Sekundentakt werden die Daten lückenlos aufgezeichnet und ergeben am Ende des Langzeitversuchs eine Datenmenge von 65 Megabyte.
Die ersten grundlegenden Vermessungen dieser Art fanden im 19. Jahrhundert statt, erläuterte Roman Leismüller dem Mittelsinner Bürgermeister Peter Paul. Die Vorfahren legten die Grundlagen, auf denen die heutigen Vermessungsarbeiten fußen. Was damals Jahrzehnte dauerte, lässt sich heute dank der Satelliten in wesentlich kürzeren Zeiträumen mit einer deutlich höheren Genauigkeit realisieren. Dank der Satellitentechnik lassen sich europa- und weltweit einheitliche Koordinaten festlegen und die Grundlagen aller Länder leicht miteinander vernetzen.
Auswertung der Daten
Nach Abschluss der Messungen Anfang Juli beginnt die Arbeit erst richtig: In tagelangen Computerläufen müssen die gesammelten Daten ausgewertet werden. Doch die Mühe lohne sich, sagt Leismüller: Am Ende stehen genaue Koordinaten in geografischer Breite, Länge und Höhe zur Verfügung, die neue Erkenntnisse für Forschung und Praxis verschiedener Themengebiete liefern.
Bürgermeister Paul freute sich darüber, dass das Sinntal für diese wichtigen Vermessungsarbeiten von Bedeutung sei und fand es interessant, dass die Satellitentechnik der beiden Weltmächte gemeinsam für dieses Projekt genutzt werden kann.