Seit April dieses Jahres gibt es auf der Plattform Instagram eine Seite mit dem Namen "Gemuendens Wahrheit". Dort werden Fotos von Orten oder Gebäuden hochgeladen – die Seite selbst betitelt diese als "Schandflecken" – die, der Ansicht der Seite nach nicht in das Stadtbild passen bzw. das Stadtbild verschlechtern würden. Was steckt hinter der Seite? Was soll die Seite bewirken? An wen richten sich die Beiträge? Um diese Fragen beantworten zu können, hat die Redaktion bei den anonymen Betreibern nachgefragt.
Thematisiert wurden bis jetzt unter anderem das Graffiti unter der Mainbrücke, der nicht mehr vorhandene Skateplatz, das ehemalige Postgebäude am Bahnhof und der Fußballplatz neben dem Hallenbad. Unter den Bildern steht jeweils eine kurze Beschreibung zum Objekt, und was daran "stört". Außerdem bietet die Seite ihren Anhängern und Anhängerinnen die Möglichkeit, selbst Fotos einzusenden. "Du hast einen Schandfleck entdeckt, auf den aufmerksam gemacht werden muss?! Jetzt Foto 100% anonym an gemuendens_wahrheit schicken", schreiben die Betreiber auf der Seite. Von dieser Option haben laut Betreiber schon einige Nutzer und Nutzerinnen Gebrauch gemacht.

Hauptsächlich soll die Seite Aufmerksamkeit erzeugen, zum Nachdenken anregen und für Diskussion in den Kommentaren offen sein, erklären die Betreiber der Seite – Der Grundgedanke sei es, etwas zu verbessern. "Es ist wie so oft, ob Zuhause oder auf der Arbeit, dass man das alltägliche Grauen gar nicht mehr wahrnimmt, sondern es mit der Zeit ausblendet. Dies passiert leider auch allmählich in Gemünden", heißt es von den Betreibern. Die Seite erhoffe sich, dass die Stadt sich den Hinweisen annehme und versucht, diese zu beheben oder zu verbessern. Die Seite richte sich vor allem an den Bürgermeister, den Stadtrat und das Stadtmarketing - ganz generell sollen aber auch Gemündener und Gemündenerinnen zum Austausch animiert werden.
Betreiber wollen nicht verraten, wer sie sind
Eine Enthüllung, wer hinter der Seite steckt, wird es in absehbarer Zeit wohl nicht geben. "Da man sich in einer kleinen Stadt wie Gemünden sehr schnell angreifbar macht, fiel auch zum Selbstschutz die bewusste Entscheidung zur Anonymität. Man stelle sich vor, jeder Beitrag wäre ein Leserbrief, da wäre direkt vom Wutbürger die Rede", erklären die Betreiber.
"Zu Gemündens Wahrheit gehört aber auch, dass wir verdammt schöne Flecken haben."
Instagram-Nutzer
Auf die Frage nach der Resonanz auf die Seite und auch die einzelnen Beiträge antworten die Betreiber folgendes: "Bis jetzt gab es überwiegend positives, aber natürlich auch vereinzelt kritisches Feedback. Dass viele Mitbürger derselben Meinung sind, wie diese Seite, zeigt sich auch in den "Gefällt mir"-Angaben und den Kommentaren der Beiträge". Weiter wird betont, dass sie niemanden verletzen oder angreifen möchten. "Dass einige Themen oder Beiträge weh tun, lässt sich allerdings nicht vermeiden". Man könne sich jedoch durchaus vorstellen, Beiträge zu löschen oder "vorher - nachher" Bilder zu erstellen, falls sich etwas verändert oder verbessert habe. "Auch diese Seite möchte nichts schlecht reden, was nicht schlecht ist", so die Betreiber.

Der Beitrag mit den meisten "Gefällt mir"-Angaben ist ein Bild des Gebäudes der ehemaligen "No. 5" an der Hauptstraße – von der Seite wird es als "Walk of Shame" bezeichnet. Unter dem Bild heißt es: "Als wäre es zu viel verlangt, mal die Scheiben zu putzen oder generell etwas zu pflegen. Versucht man hier überhaupt noch aktiv einen Mieter gegen den Leerstand zu finden? Attraktiv ist jedenfalls anders".

Gemündens Bürgermeister Jürgen Lippert sagt, er finde es bedauerlich, dass es Leute gebe, die mit solchen Posts die Stadt Gemünden in Misskredit bringen würden. Die Stadt würde durch diese Seite negativ nach außen dargestellt werden, so Lippert. "Warum eine Seite erstellen, die Gemünden schlecht macht und keine Seite, die die Schönheit Gemündens zeigt – Gemündens Schönheit könnte so eine Seite auch heißen", schmunzelt der Bürgermeister.
Ein Nutzer in den Kommentaren sieht das ähnlich: "Zu Gemündens Wahrheit gehört aber auch, dass wir verdammt schöne Flecken haben", schreibt er. Die meisten der in den Beiträgen thematisierten Gebäude bzw. Orte seien für die Stadt und das Stadtmarketing nichts Neues, sagt Lippert. Allerdings befänden sich die Gebäude in Privatbesitz, weshalb die Stadt keine Handhabe habe, was Veränderung betreffe. Er ist sich sicher: Wenn die Seite das Ziel verfolge, Veränderung oder "Verbesserung" herbeizuführen, so erreiche sie eher das Gegenteil: Negative Aufmerksamkeit für die Stadt.