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GEMÜNDEN: Dr. Thumes: Der Doktor und das liebe Kleinvieh

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Dr. Thumes: Der Doktor und das liebe Kleinvieh

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    Nicht mehr nur große Tiere: Der Gemündener Tierarzt Dr. Gerhard Thumes untersucht Katze Luna von Ann-Kathrin Selke aus Wernfeld.
    Nicht mehr nur große Tiere: Der Gemündener Tierarzt Dr. Gerhard Thumes untersucht Katze Luna von Ann-Kathrin Selke aus Wernfeld. Foto: Foto: B. Kohlhepp

    Tierarzt auf dem Land zu sein ist auch nicht mehr das, was es mal war. Die Zahl der Höfe mit Rindern und Schweinen hat in den vergangenen Jahrzehnten rapide abgenommen. Zugenommen hat hingegen die Zuneigung zu Hund und Katze. Der Gemündener Tierarzt Dr. Gerhard Thumes kann ein Lied davon singen. Die neue Zeit hat für den 71-Jährigen auch angenehme Seiten. War er früher oft jede Nacht unterwegs, um irgendwo ein Kalb auf die Welt zu bringen, lässt sich sein Arbeitstag heute viel besser planen. Nur Pferde behandelt er nicht – wegen der Pferdehalter.

    Thumes gehört einer immer seltener werdenden Gattung an, der Gattung der Großtierärzte. Außer seiner gebe es im Landkreis nur noch Großtierpraxen in Arnstein, Marktheidenfeld und Kreuzwertheim. Rinder und Schweine, das war früher, als es noch viele kleine Bauernhöfe gab, das Haupteinsatzgebiet für Thumes. Bei größeren Betrieben kümmerten sich die Landwirte heute hingegen oft selbst um die Tiere. Er erinnert sich an eine Nacht, als er bei Spiegeleis über den Zollberg nach Burgsinn musste, um bei einer Kuh einen Kaiserschnitt zu machen. Eineinhalb Stunden habe er dafür gebraucht.

    Was er allerdings früher nicht machen musste: Kühe einschläfern. Das hätten Bauern früher selbst geregelt. „Ich hätte mir“, so Thumes, „nicht vorstellen können, dass ich mal Kühe einschläfern muss.“

    „Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich mal Kühe einschläfern muss.“

    Tierarzt Dr. Gerhard Thumes über den Wandel seines Berufsbilds

    Vielleicht auch durch die Entfremdung von der Landwirtschaft hat sich das Verhältnis Tier/Mensch verändert, wie auch Thumes beobachtet hat. Heute behandelt der Veterinär auch Kleintiere wie Hund, Katze, Meerschweinchen und Kaninchen. Mit entsprechenden Fortbildungen sei das kein Problem. War früher ein Hund oder eine Katze krank, dann war das Schicksal, so Thumes. Heute werden sie selbstverständlich als Familienmitglieder gesehen und folglich wird oft viel für ihre Behandlung ausgegeben.

    Hilde Selke aus Wernfeld ist heute mit ihren Kindern und der Katze Luna bei Thumes. Luna hatte ein großes Fibrosarkom, ein bei Katzen nicht seltenes Krebsgeschwür, das Thumes wegoperierte. „Koste es, was es wolle, die Katze wird gerettet“, so hätten sie gedacht, sagt Hilde Selke. Ihr Mann Hermann hänge so sehr an dem zehn Jahre alten Tier. Tagelang haben sie sie nach der Operation gepflegt. „Alles in Ordnung“, signalisiert Thumes nach der Untersuchung.

    Er zeigt den Selkes auch das Röntgenbild einer 15 Jahre alten Katze, die einer über 80-jährigen Frau gehört, die auch sehr an ihrem Tier hänge. Nur mit geschultem Blick erkennt man darauf kleine dunkle Flecken in der Lunge – Metastasen. Er hat sich geweigert, die alte Katze noch zu operieren. „Warum soll ich die operieren, wenn ich weiß, dass es nicht mehr lange dauert?“ Das Tier bekommt jetzt Medikamente zum Schmerzstillen. Seinen eigenen zwölfeinhalbjährigen Hund hat Thumes vor ein paar Wochen einschläfern lassen wegen eines Lungentumors. Nicht lange davor hatte das alte Tier einen Kreuzbandriss – Thumes ersparte ihm die Operation.

    Die Herrchen und Frauchen sähen generell schon ein, wenn man ihnen sage, dass eine Behandlung ihrem Tier nicht mehr helfe. Manche Tierhalter kommen jedoch mit einer großen Erwartungshaltung zu ihm, sagt Thumes. Vor allem bei Hautproblemen ihrer Schützlinge sei das der Fall. Stellt sich nicht gleich eine Besserung ein, gehen sie weiter zum nächsten Tierarzt – manche würden alle durchprobieren, man bekomme das ja von den Kollegen mit. Thumes: „Die lassen einem gar keine Zeit, um herauszufinden, was es ist.“

    Am anspruchsvollsten und heikelsten seien Pferdehalter. „Die sind sehr prozessfreudig“, weiß Thumes. Aus diesem Grund behandle er überhaupt keine Pferde mehr, das überlasse er auf Pferde spezialisierten Veterinären. Die kommen oft von weit her. „Das erspart mir den Rechtsanwalt“, sagt der Tierarzt. Exotische Tiere wie Echsen oder Schlangen behandle er ebenfalls nicht, dafür gebe es wieder andere Spezialisten.

    1973 übernahm Thumes die Praxis von seinem Vater, der sie wiederum 1936 von einem jüdischen Tierarzt in der Obertorstraße übernommen hatte. Dass sie damals mitten in der Stadt lag, war kein Problem, schließlich ist man als Tierarzt seinerzeit zu den Landwirten gefahren. Mehrmals ist die Praxis seither umgezogen. Auch Thumes' Sohn ist Tierarzt – Fachtierarzt für Rinder im Siegerland, wo er bis zu 100 Kilometer für eine Geburt fahre. In Gemünden undenkbar.

    Viel zu tun hat Thumes heute bei Fleischbeschauen in Metzgereien – Hausschlachtungen gibt es ja praktisch nicht mehr. Nach der Behandlung der Katze Luna hat er wieder eine, als Tierarzt sei er zur Fleischbeschau verpflichtet. Es gebe im Landkreis viel zu wenige Tierärzte, die Fleischbeschauen durchführen. Früher habe es in jeder Ortschaft noch einen Fleischbeschauer gegeben, meist geschulte Landwirte, aber heute sei das finanziell uninteressant. Deswegen müsse er jetzt auch schon mal zur Wildschweinbeschau nach Aura fahren.

    Ein ganzes Buch könne er schreiben, sagt Thumes. Eine schöne Anekdote hat er noch: Als die Blauzungenkrankheit vor ein paar Jahren Schafe infizierte, hat er in Burgsinn ein paar Tiere geimpft. Kurz darauf sind mehrere von ihnen verstorben. War die Impfung schuld, wie ihm vorgeworfen wurde? Die Sache kam ihm komisch vor und er schaute sich die Koppel der Tiere genauer an. Und siehe da, am Rand stand eine Thujahecke, an der die Tiere offenbar geknabbert hatten – für Schafe Gift.

    Heute macht Thumes, der seit Jahrzehnten in der Lokalpolitik aktiv ist, Sprechstunden nur noch nach Vereinbarung. Er könne in seiner Praxis keinen bissigen Hund neben einer Katze und einem Kanarienvogel gebrauchen. Wie lange der 71-Jährige noch weitermacht? Auf die Frage habe er gewartet, sagt Thumes. „Solange ich Lust habe. Soll ich den ganzen Tag daheim meine Frau ärgern?“

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