Enrico Ball aus Mittelsinn von der neu gegründeten Interessengemeinschaft Heizstrom und Fotovoltaik fürchtet erhebliche Nachteile für Privatkunden nach dem Wechsel des Stromnetzbetreibers in den Sinngrundgemeinden Aura, Fellen, Mittelsinn und Obersinn.
Er vermutet gar, dass der neue Betreiber, die ÜWAG Netz GmbH, bei den Verhandlungen um einen Wechsel des Netzbetreibers gegenüber den Gemeinden nicht mit offenen Karten gespielt habe. Mittelsinns Bürgermeister Peter Paul sagt: „Die Aussage der ÜWAG war: ,Für Privatkunden ändert sich gar nichts.‘“
Ball ist empört über angebliche Pläne der ÜWAG, die ihm ein Energieberater des Unternehmens genannt habe. „Sie können sich darauf einrichten, dass dreimal am Tag der Strom weg ist“, habe dieser etwa gesagt. Betroffen seien davon Kunden mit Wärmepumpen, Durchlauferhitzern und Flächenheizungen. „Rein rechtlich“, so die Aussage des Beraters, sei es erlaubt, bei unterbrechbaren Tarifen, etwa bei Wärmepumpen, deren Strom über einen zweiten Zähler läuft, dreimal täglich für zwei Stunden zentral gesteuert abzuschalten.
Unterbrechbare Tarife sind an und für sich nichts Ungewöhnliches. Auch E.ON Bayern kennt sie, wie dessen Pressesprecher Josef Schönhammer, bestätigt: „Das wird angewendet je nach Netzsituation.“ Bei E.ON könne bis zu viermal am Tag je maximal eine Stunde der Strom unterbrochen werden, was in Zeiten von Spitzenbelastungen geschehe. Im Gegenzug erhalten Kunden für einen solchen unterbrechbaren Tarif deutlich günstigere Konditionen. Bei der ÜWAG sind im Fall der Fälle eben dreimal maximal zwei Stunden vorgesehen.
Weitere Nachteile befürchtet
Ball sieht aber auch schlechtere Schaltzeiten, was Hochtarif (HT) und den günstigeren Nachttarif (NT) anbelangt, auf die Privatkunden zukommen. So fielen bei der ÜWAG pro Woche 25 Stunden mehr HT an, da am Wochenende bei E.ON bislang auch tagsüber der günstige NT galt. Bei der ÜWAG sei dies jedoch anders. Davon seien im Übrigen auch die Gemeinden betroffen, da etwa die Obersinner Pumpen für die Trink- und Abwasserversorgung ebenfalls mit HT und NT laufen.
Die ÜWAG werde auch sicher nicht, wie dies E.ON getan habe, bei Nachtspeicherheizungen tagsüber vier Stunden den Strom anwerfen und die Heizungen nachladen, vermutet Ball. Bei schlecht isolierten Häusern sieht er deshalb einen großen Nachteil. Fotovoltaikkunden seien durch den Netzbetreiberwechsel ebenfalls betroffen, da die ÜWAG keine fixe monatliche Summe zahle, was Kunden zupass komme, die ihre Investitionskosten in Raten abzahlen, sondern je nach Einspeishöhe.
ÜWAG beruhigt
In einer Stellungnahme der ÜWAG heißt es zu den Befürchtungen aus dem Sinngrund: „Die ÜWAG Netz GmbH wird die vorhandenen Schaltzeiten von E.ON Bayern beibehalten, wenn die Kunden weiterhin über E.ON Bayern ihren Wärmepumpenstrom beziehen. Der Vertrag über Wärmepumpenstrom bleibt bestehen, auch wenn die ÜWAG Netz GmbH nun Netzbetreiber ist. Wenn die Kunden also ihren Wärmepumpenstrom-Anbieter beibehalten, ändert sich für die Kunden nichts.“
Weiter versucht die ÜWAG zu beruhigen. Die mögliche Stromunterbrechung betreffe nur Kunden mit einer Wärmepumpe. Außerdem: „Nur für wenige Stunden im Jahr wird der Strom für die Wärmepumpe unterbrochen“, schreibt das Unternehmen. Über den Grund heißt es: „Durch wenige, mit Bedacht eingesetzte Schaltzeiten kann die Stromversorgung stabilisiert und ein attraktives Heizkostenniveau erreicht werden.“
Die meisten Wärmepumpenheizungen seien mit einer Speichervorrichtung ausgestattet, etwa einem Pufferspeicher. „Aber auch der Estrich bei einer Fußbodenheizung oder das Wasservolumen der Heizkörper fungiert als Speicher.“
Außerdem biete die ÜWAG einen Tarif, um Nachtspeicherheizungen „bei Bedarf am Tage nachzuladen“.
Zwei parallele Infoveranstaltungen
Wie Ball zu berichten weiß, sind einige Bürger in den Sinngrundgemeinden betroffen. Deshalb lädt die Interessengemeinschaft am kommenden Donnerstag die Bürger zu einer Informationsveranstaltung in Mittelsinn. Zusammen mit Gemeindevertretern und einem geladenen Vertreter der ÜWAG wolle man „Lösungen für das Problem“ finden, wie es im Einladungsschreiben heißt. Parallel dazu bietet am gleichen Tag und zur gleichen Uhrzeit auch die ÜWAG eine Veranstaltung für alle Bürger der betroffenen Gemeinden, allerdings in Fellen, an.
Wie mehrfach berichtet, haben sich die betroffenen Gemeinden für einen Wechsel des Netzbetreibers entschlossen. Für die nächsten 20 Jahre wird ab Herbst nun die ÜWAG in Fulda beziehungsweise deren Tochter ÜWAG Netz GmbH, statt wie bislang E.ON Bayern, die Stromnetze betreiben.
Die Informationsveranstaltung der Interessengemeinschaft findet am Donnerstag, 15. September, um 19 Uhr in der Gaststätte „Zum Albert“ in Mittelsinn statt. Die ÜWAG lädt am selben Tag zur selben Uhrzeit in die Gaststätte „Spessartschänke“ in Fellen ein.