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Marktheidenfeld: Wie ein Marktheidenfelder Strohbär am Faschingsdienstag seinen Durst stillt: Geheimnisse unter dem "Kostüm"

Marktheidenfeld

Wie ein Marktheidenfelder Strohbär am Faschingsdienstag seinen Durst stillt: Geheimnisse unter dem "Kostüm"

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    Mit einem hellorangenen "Pressbändel" umwickelt Herbert Römisch (rechts) die Taille eines Strohbären, fast wie beim Zubereiten eines Rollbratens. Seine Helfer drücken das Stroh so fest wie möglich an den Körper.
    Mit einem hellorangenen "Pressbändel" umwickelt Herbert Römisch (rechts) die Taille eines Strohbären, fast wie beim Zubereiten eines Rollbratens. Seine Helfer drücken das Stroh so fest wie möglich an den Körper. Foto: Dorothea Fischer

    Wenn am Faschingsdienstag der Zug in Marktheidenfeld startet, dann stapfen ganz vorne die Strohbären der Lorbser mit. Um ihr traditionelles "Kostüm" anzuziehen, brauchen die Männer einige Stunden und ein Dutzend Helfer. Es lässt sich zur fünften Jahreszeit nicht mal schnell aus der Klamottenkiste ziehen und Jahr für Jahr wieder auftragen. Im vergangenen Jahr haben wir die Vorbereitungen begleitet.

    Das Stroh muss im Sommer geerntet und bis zum Fasching trocken gelagert werden. Wie es in Marktheidenfeld und den umliegenden Orten seit jeher üblich ist, wird die Ernte vor der Laurenzi-Messe eingefahren. Nicht jedes Stroh ist geeignet. Biologisch soll das Getreide angebaut werden. Roggen ist gut. "Wir sind jedes Jahr auf der Suche nach Stroh", wirbt Lorbser-Vorsitzender Günter Geißler um Spenden. Landwirte aus Glasofen, Karbach und Remlingen haben schon unterstützt. Sie lassen ihr Getreide auf etwa 200 Quadratmeter stehen.

    Durch eine Lücke im "Kostüm" aus Stroh gibt es einen letzten Schluck, bevor der Faschingszug startet.
    Durch eine Lücke im "Kostüm" aus Stroh gibt es einen letzten Schluck, bevor der Faschingszug startet. Foto: Dorothea Fischer

    Das Stroh für die Strohbären ernten die Lorbser im Sommer selbst. "Eine Strohernte reicht für etwa drei bis vier Jahre", schätzt Geißler. Die Helferinnen und Helfer bündeln es von Hand. Das Wichtigste: Die Halme bleiben ganz. Denn das kurzgeschnittene Stroh, das nach dem Dreschen zu Ballen gebündelt wird, taugt für die Strohbären nicht. Die Halme müssen möglichst lange sein, um sie entlang der Beine und Arme zu legen.

    Bindetechnik wird an die nächste Generation vererbt

    Im vergangenen Jahr haben die Lorbser die Reste der Ernte von 2019 genutzt. "Die Verarbeitung erforderte viel Fingerspitzengefühl, weil das Stroh sehr stark ausgetrocknet war", erklärt Geißler. Das Team um Herbert Römisch, der schon vor 60 Jahren dabei war, und seit vielen Jahren die Strohbären "verkleidet", nutze eine spezielle Bindetechnik. "Sie wird von Generation zu Generation weitergegeben, um das Geheimnis des Brauchtums der Strohbären weiterführen zu können."

    Herbert Römisch passt Florian Remlein sein "Kostüm" an. Er wird es während des Fußmarsches von zwei Kilometer Strecke bis zum späten Nachmittag tragen.
    Herbert Römisch passt Florian Remlein sein "Kostüm" an. Er wird es während des Fußmarsches von zwei Kilometer Strecke bis zum späten Nachmittag tragen. Foto: Greta Nagel

    Der 19-jährige Manuel Schäbler ist gegen 10 Uhr der erste, dem beide Beine mit Stroh umwickelt werden. Unter dem "Kostüm" trägt er einen dünnen Arbeitsoverall. Durch den piksen zwar die Enden der Halme, aber Spreu und Getreidekörner gelangen nicht unter die Kleidung, um zu jucken. Kratzen wird sich Schäbler später nicht können.

    Wie bei einem Rollbraten packt Herbert Römisch nach und nach auch Oberkörper und Arme ein. Immer wieder schnürt er den "Pressbändel" fest. Schäbler nimmt zum ersten Mal an der Faschingstradition teil. Was ihn erwartet, weiß er noch nicht. Er lässt den Tag entspannt auf sich zukommen.

    Es gab schon Versuche, den Strohbären anzuzünden

    Als Nächstes ist Florian Remlein an der Reihe. "Ich bin schon seit mehr als 20 Jahren einer der Strohbären", erzählt der 39-Jährige. Mit Fasching oder dem Verein hat er sonst wenig zu tun. "Es macht einfach Spaß, Leute zu erschrecken, die mich nicht erkennen", sagt er. Dass sein Kostüm kratzt, stört ihn wenig. Er erschreckt nicht nur Menschen, die er kennt, sondern wahllos solche, die am Straßenrand stehen, um den Faschingszug anzusehen.

    Noch hat Frank Hirsch gut zu lachen. Auch er wird gleich ein "Kostüm" aus Stroh tragen, das ihn im Laufe des Nachmittags zum Schwitzen bringt.
    Noch hat Frank Hirsch gut zu lachen. Auch er wird gleich ein "Kostüm" aus Stroh tragen, das ihn im Laufe des Nachmittags zum Schwitzen bringt. Foto: Greta Nagel

    Martin Emler (57 Jahre) war früher selbst Strohbär und weiß genau, wie man sich seine "Opfer" aussucht: "Am besten tut man so, als ob man an ihnen vorbeigeht. Dann dreht man sich schnell zur Seite und nimmt sie in die Zange." Vor allem Jugendliche würden den "Angriff" oft provozieren, indem sie ein paar Schritte auf die Strohbären zugehen würden. Wer sich scheinbar unauffällig wegdreht, ist ebenfalls in beliebtes Ziel der Umarmungen. Kinder sind tabu. Viele von ihnen haben Angst vor den Strohbären. 

    Wie geht der Strohbär auf die Toilette?

    Jetzt ist Emler Treiber und führt den Strohbären an einem Strick durch die Straßen. "Wir müssen dem Treiber hundertprozentig vertrauen", sagt Frank Hirsch (42). Die Treiber warnen die Männer vor Stolperfallen oder Gefahren. Es sei zum Beispiel schon mal vorgekommen, dass ein Besucher des Faschingszugs ein Feuerzeug an den "Pelz" eines Strohbären gehalten habe. "Das kann richtig gefährlich werden", sagt Hirsch.

    Martina Ziegler ist dafür zuständig, dass die Strohbären mit bunten Papierbändern geschmückt sind.
    Martina Ziegler ist dafür zuständig, dass die Strohbären mit bunten Papierbändern geschmückt sind. Foto: Greta Nagel

    Zwei Voraussetzungen, um sich als Strohbär zu verkleiden, muss man laut Remlein haben: keine Platzangst haben – unter dem Stroh und den einschneidenden Schnüren wird es eng – und trinkfest sein. Bevor der Faschingszug startet, trinken die Männer möglichst wenig. Denn ist man erst einmal eingebunden, gibt es keine Möglichkeit mehr, Wasser zu lassen.

    Wie wäre es mit einer Windel? Wie oder ob sie dem Drang Wasser zu lassen widerstehen, bleibt das Geheimnis der Strohbären. Trotz der dünnen Overalls, aber eingewickelt in Stroh, schwitzen die Männer, egal wie niedrig die Temperaturen sind. Im vergangenen Jahr wurde es ihnen richtig heiß, als am Nachmittag die Sonne schien.

    Strohbär Wolfgang Geißler mit seinen Treibern Herbert Römisch (links) und Günter Geißler (vorne).
    Strohbär Wolfgang Geißler mit seinen Treibern Herbert Römisch (links) und Günter Geißler (vorne). Foto: Archiv: Herbert Römisch

    "Wir kommen körperlich an unsere Grenzen", erklärt Hirsch. Am Ende des Zugs, nach zwei Kilometer Fußmarsch, legt er sich auf den Boden, braucht ein paar Minuten Ruhe und hofft, dass schnell einer der Helfer mit der Schere kommt und ihn befreit.

    Während die Strohbären kostümiert werden, kniet Marina Ziegler (33) am Boden. Sie umwickelt eine 3,5 Meter lange Holzstange mit Stroh und verziert sie mit Kreppbändern in bunten Farben. Die Stange wird kurz vor Beginn des Faschingszugs in ein Gestell gesteckt, das die Männer auf dem Rücken tragen. Daran ist auch die "Maske" befestigt, die das Gesicht verdecken wird. Die "Strohbären" wollen schließlich unerkannt bleiben und die Zuschauer erschrecken.

    Tradition der Strohbären in MarktheidenfeldDas Strohbärentreiben ist aus vielen Gegenden Deutschlands vor allem in ländlichen Gegenden überliefert, erklärt Hans Driesel, stellvertretender Leiter des Deutschen FastnachtMuseums in Kitzingen. Es wird mit dem Winteraustreiben in Zusammenhang gebracht. "Volkskundler führen die Ursprünge auf alte Zeiten zurück, da sich die Menschen den Wechsel der Jahreszeiten nicht erklären konnten", sagt Driesel. Ein langer Winter mit Unwetter, Hagel und Kälteperioden konnte Not und Tod bedeuten.Um diesen bösen Mächten entgegenzutreten, schufen sich die Menschen eine Schreckgestalt, der sie ihrer Macht unterwerfen konnten. Diese wurde zum Beispiel als Strohbär durch das Dorf getrieben. Da das Treiben mit Lärm und – wenn man es sich leisten konnte – auch mit Gelagen verbunden war, fand es Eingang in die Fastnacht, die am Ende des Winters liegt. Im Laufe der Zeit wandelten sich die Bräuche, verloren ihren ernsten Hintersinn und wurden mehr zur Gaudi gepflegt. "Wie die Fastnachtsbräuche generell geht auch der Strohbär auf das Mittelalter zurück – auch, weil man oft keine Mittel für aufwendige Kostüme hatte, diente Stroh der Vermummung", ergänzt Museumsleiterin Katrin Hesse.In Marktheidenfeld reicht das Brauchtum etwa 90 Jahre zurück, schätzt Günter Geißler, Vorsitzender des Faschingsvereins "Die Lorbser". Anfang der 1960er Jahre banden die Narren ihre Strohbären im Hof des landwirtschaftlichen Anwesens seiner Eltern in der Untertorstraße. Quelle: dfi

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