Günther Breit berichtet: „Königstour lautet das Zauberwort, mit dem der Gardasee samt Italienplänen ganz schnell in der Schublade verschwanden. Die Königstour ist gleichzusetzen mit dem königlichen Alpencross und der verspricht allerhöchste Bikegenüsse.
König Max II. von Bayern war es, der im Jahre 1858 zu Fuß durch seine bayerischen Berge von Lindau nach Berchtesgaden mit riesigem Gefolge stapfte und der Tour seinen Namen verpasste. Er wollte Land und Leute hautnah kennenlernen. Das allerdings dauerte fünf Wochen. Und entlang dieser Route führte uns – Jürgen (40) und Günther (60) Breit aus Zellingen – ein Weg über die Berge.
Täglich 2000 Höhenmeter
Knapp 600 Kilometer schlängelt sich die Route entlang der deutsch-österreichischen Grenze und ist gespickt mit neun Etappen in neun Tagen – dazu 17 000 Höhenmeter (nur Bergauffahrten zählen als Höhenmeter). Eine Herausforderung, der sich nur trainierte Biker stellen sollten, denn es gilt jeden Tag – und das neun Tage lang – etwa 70 Kilometer mit je 2000 Höhenmetern zu bewältigen.
Vom Bodensee führt die Strecke durch Allgäuer und Ammergauer Alpen, Wettersteingebirge, Bayerische Voralpen, Karwendel, Chiemgauer Alpen, Berchtesgadener Alpen und zum krönenden Abschluss zur Archenkanzel, hoch über dem Königssee im Schatten des gewaltigen Watzmannmassivs.
Bestens vorbereitet waren wir beide – Vater und Sohn. Der Alte hatte 8000 Kilometer Biketouren in den Beinen, der Junge war fit mit Triathlon und Marathonläufen. Die Mountainbikes waren in bestem Zustand, der sieben Kilogramm schwere Rucksack war gepackt, das Abenteuer konnte starten. Königswetter herrschte alle neun Tage lang.
Start war am Bodensee: Hinauf zum Pfänder, Lindaus österreichischem Hausberg, 1100 Meter hoch und gleich mit 27 Prozent Steigungen ein knackiger Auftakt, allerdings mit Traumpanorama.
Über die Nagelfluhkette, Allgäuer Haupttal ins Tannheimer Vilstal führte uns der Weg mit vielen kräfteraubenden Steigungen über die romantische Füssener Seenplatte zu den bayerischen Königsschlössern Hohenschwangau und Neuschwanstein. Japaner (eindeutig in der Überzahl) und wir teilten uns die Marienbrücke hoch über der Pöllatschlucht, mit dem besonderen Ausblick auf die Türmchen von Neuschwanstein.
Auf uns warten die schönsten Toptrails der bayerischen Alpen. Ein absoluter Höhepunkt das Reintal mit der Angerhütte. ein sagenhafter Trail voller Kontraste: Kalkstein, gewaltige Felswände, grüne Wiesen und blaue Wassergumpen zu Füßen der Zugspitze. Flachstücke, Steilpassagen, Schieben. Bikerherz, was willst du mehr, da müssen wir durch. Nepalflair an der Reintalangerhütte (1370 Meter) mit Gebetsfahnen und unzähligen Expeditionsuntensilien, dazu Hackbrettmusik und Gesang. Wahrlich eine Kulthütte im gesamten Alpenraum.
Alte Jagdwege
Durchs wilde Karwendeltal, 18 Kilometer lang, und zum Schluss ein Ansteig mit 400 Höhenmetern zum Karwendelhaus auf 1771 Meter knabberten gewaltig am Konditionsspeicher. Auf alten Jagdwegen ging es vorbei am Walchensee und unter der Benediktwand nach Lengries. Durch die Tegernseer Berge zum Wendelstein mit den markanten Sendemasten tauchen wir in eine fantastische Landschaft und Natur ein, in der nur wir beide da sind.
Steilste Auffahrten zur Riesenhütte (1345 Meter) aus dem Inntal waren gespickt mit viel Orientierungsgefühl, aber auch dieses Problemchen wurde gelöst und dem Fahrspaß in den Chiemgauer Alpen stand nichts mehr im Weg: Der Reitweg an der Kampenwand und die einmalige Passage auf Handtuchbreiten, 70 Zentimeter hohen Felsabsätzen direkt unter dem Staubfall, einem 200 Meter in die Tiefe stürzenden Wasserfall, hindurch. Ein grandioses Erlebnis, allerdings mit sieben Kilogramm Rucksack und Bike auf der Schulter.
Tief unten der Königssee
Endspurt nach Berchtesgaden: Zum Aussichtspunkt Archenkanzel ist es zwar nicht mehr weit, aber von Ramsau hoch warten noch höllische 800 Höhenmeter bis zur Kührointhütte – 1403 Meter. Mit brennenden Oberschenkeln stehen wir dann in der „Kanzel“, ganz klein zu Füßen des gewaltig drohenden Watzmannmassivs. Gruselig tief unten der Königssee mit dem Inselvorsprung und berühmtem St. Bartholomä. Eine grandiose Aussicht auf das steinerne Meer, Hagengebirge, Hohengröll und Jenner (1874 Meter) rauben uns fast den Atem.
Nach neun Tagen, mit Übernachtungen in urigen Berghütten und romantischen Gasthäusern und kaum zu beschreibenden Erlebnissen und Sehenswürdigkeiten, bringen wir eine letzte kräfteraubende, brutal steile Abfahrt hinter uns und rollen an der Olympia-Rodelbahn am Königssee aus. Spätestens hier waren wir uns einig: Mit die schönste unserer bisherigen Touren, dieser königliche Alpencross durch unsere bayerischen Berge.