Für das größte Aufsehen sorgten am Freitagabend die Roten. Fünf Damen und ein Herr, vollständig in rote Gewänder gekleidet, zogen durch die Innenstadt und besuchten die Geschäfte kurz vor Ladenschluss.
So etwas hatte die Stadt mit Sicherheit noch nie gesehen: Während der Herr einen Anzug im 1970er-Jahre-Look trug, schwelgten die Eva-Töchter in allen erdenklichen, fantasievollen Mischungen aus modischen Epochen und Stilen. Da gab es lange und kurze Reifröcke, ausladende Rokoko-Hüften oder Baby-Doll mit hautengem Rock bei figurbetonten oder barocken Körperformen. Originell auch die neckischen Accessoires wie Fächer, Stolen, zierliche Täschchen und Federboas. Dazu natürlich ausgefallene Kopfbedeckungen mit großen Rosenblüten oder Flamingoblumen und Marabufedern.
War schon das bloße Aussehen geeignet, die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich zu ziehen, so tat das Verhalten der Gruppe das Übrige dazu. Sie blieb plötzlich unvermittelt stehen, posierte in verschiedenen Stellungen, so dass kein Passant achtlos an ihr vorbeikam. Der Auftritt der Roten fand allgemein Beifall und Zustimmung, zumal die Damen auch kleine herzförmige Lollis verteilten –- selbstverständlich in rot. Den absoluten Knaller landeten sie allerdings im „Batzennärrle“, wo die Fantasietruppe auf eine Schar chinesischer Gäste traf. Die fernöstlichen Besucher glaubten ihren Augen nicht trauen und ließen die sonderbaren Gestalten lange Zeit nicht so einfach davonziehen.
Gut angenommen wurde auch die Idee der Parfümerie Keller-May in der Alten Bahnhofstraße. Viele Damen – aber auch mindestens ein Herr – ließen sich mit einem grellroten Lippenstift schminken und hinterließen auf einem Kärtchen ihren Abdruck. Diese wurden auf einem Tuch ausgestellt. Eine Jury soll den schönste Kussmund ausfindig machen, der prämiert wird.
„Irgendwie ist ,Der letzte Tango in Paris' in unserer Jugend an uns vorüber gegangen“, meinte eine kleine Gruppe Damen im fortgeschrittenen Alter. Weil sie aber noch wussten, dass der Skandalfilm von 1972 damals in aller Munde war, wollten sie nun die Gelegenheit ergreifen, das Versäumte im „Zeitlos“ nachholen. 15 weitere Neugierige taten es ihnen gleich. Insgesamt aber fanden die erotischen Filme, die als „Kino mal anders“ an nicht gerade typischen Orten angeboten wurden, unterschiedliches Interesse. Während der Film im „Blickwinkel“ um 15 Uhr maximal drei Zuschauer hatte, kam der in „Lilien Lounge“ immerhin auf acht Besucher.
Ein ganz besonderer Aperitif aber erwartete die Nachtschwärmer, die um 22.30 Uhr „Die Töchter des chinesischen Gärtners“ in den Mühlbacher Burg-Lichtspielen sehen wollten. Der Bund der Selbstständigen hatte die Bauchtänzerin Brigitte Anstruther aus Karlburg engagiert. Sie hielt mit ihren fulminanten Vorführungen im Foyer des Kinos ihr kleines Publikum mit und ohne Schleier knapp eine halbe Stunde lang in Atem. So machte sie einigen Appetit auf mehr – auf Bauchtanz und auf den anschließenden Film.
Alles in allem hatte die Idee, erotische Filme an nicht gerade typischen Orten zu zeigen, durchaus ihre Reize. Ob der meist mangelnde Zuspruch nun auf die Filmauswahl oder die jeweilige Tageszeit zurückzuführen ist, kann noch erörtert werden. Einen Versuch war's in jedem Fall wert.
Die Karlstadter Geschäftswelt und Gastronomie hat die vierte Auflage von „Karlstadt – rot und erotisch“ diesmal offensichtlich recht zurückhaltend begleitet. Es gab nur gelegentlich Auslagen mit entsprechenden Motiven, und auch das Ambiente in den Gaststätten war einschließlich der Speisekarten nur spärlich verändert. Lediglich im Ratskeller und im „Batzennärrle“ wurde mit einschlägigen Menüangeboten auf die Aktion eingegangen.