Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten

Triefenstein: Einst Stiftsherren, heute Christusbrüder im Kloster "Am Tropfenden Stein"

Triefenstein

Einst Stiftsherren, heute Christusbrüder im Kloster "Am Tropfenden Stein"

    • |
    • |
    Kloster Triefenstein: Das Wahrzeichen der Marktgemeinde.
    Kloster Triefenstein: Das Wahrzeichen der Marktgemeinde. Foto: Christusträger

    Ach, wenn man es nur wüsste ... Es ist der Traum jedes Historikers, eine Zeitreise unternehmen zu können, nicht um vielleicht alles zu erleben, was einst geschah, aber wenigstens das, worüber es schriftliche Zeugnisse gibt – denen man jedoch oft nicht vertrauen kann. Und so ist es eben auch bei Triefensteins Gründungsgeschichte. Man kann sich es sich kaum vorstellen: aber es existierten nur spärliche Nachrichten, die man im 17. Jahrhundert mehr oder weniger richtig zu einer Gründungsgeschichte verarbeitete. Nun, bei anderen Institutionen war das oft nicht anders.

    Jedenfalls ist das Stift im Jahr 1102 existent und noch nicht alt, höchstens wenige Jahre – doch ist die Quelle für diese Datierung weit schwieriger zu analysieren, als sich hier darstellen ließe. Es war der Würzburger Bischof Emehard (1089–1105), der die Gründung wohl nicht nur bestätigte, sondern auch initiierte.

    Man folgte der Regel des heiligen Kirchenvaters Augustinus und gründete nicht ein „normales“ Benediktinerkloster, sondern ein sogenanntes Chorherrenstift. Die Stiftsherren oder Regularkanoniker waren eine Art „Mittelding“ zwischen dem Weltklerus und den „echten“ Mönchen, wobei die Unterschiede zu den Letzteren oft nur schwer zu fassen sind, und am Anfang schien auch nicht klar zu sein, in welche Richtung sich Triefenstein entwickeln würde: Nicht wenige Kanonikergemeinschaften wurden in den (reformierten) Benediktinerorden überführt.

    An der Spitze stand ein Probst

    Die Chorherren legten das Gelübde auf ihr Stift ab, nicht auf einen Orden, sie waren Mönche, ohne Mönche zu sein, einen eigentlichen Augustinerorden gab es um 1100 noch nicht. An der Spitze der Gemeinschaft stand ein Propst, kein Abt. Vorzugsweise widmeten sie sich der Seelsorge in benachbarten Gemeinden, während die „echten Mönche“ sich eher auf ihr Kloster konzentrierten. Sie orientierten sich an der Urkirche der Apostel, suchten das Leben in der radikalen Nachfolge Christi, wollten gewissermaßen ärmer als die Mönche in den oftmals reichen Klöstern sein. Wobei es aber nicht ausblieb, dass auch sie mit der Zeit reichlich Besitz erhielten. Und vielleicht fühlten sich manche in einem Kloster auch stärker eingesperrt und überwacht und bevorzugten eine offenere Gemeinschaft.

    Das Kloster Triefenstein in einer Luftaufnahme aus dem Jahr 2014.
    Das Kloster Triefenstein in einer Luftaufnahme aus dem Jahr 2014. Foto: Christusträger

    Triefenstein liegt nur etwa 18 Kilometer südlich von Neustadt, aber knapp außerhalb von dessen Gemarkung, ist nicht auf Neustadter Boden entstanden. Dass an dieser Stelle bereits eine dem heiligen Petrus geweihte, zu Homburg gehörige und von wem auch immer errichtete Kapelle stand, muss offenbleiben, ist jedoch wenig wahrscheinlich. Derartige Angaben lassen sich erst seit dem 17. Jahrhundert schriftlich fassen.

    "Poststraße" mit Furt bei Triefenstein

    Wohl sehr frühzeitig lief hier aber eine, von Würzburg über die Furt bei Lengfurt kommende Straße entlang, die dann über Esselbach und Rohrbrunn nach Aschaffenburg führte, die später sogenannte „Poststraße“. Nicht auszuschließen ist, dass auch an der Stelle des Stifts eine Art Befestigung lag, doch konnte die Furt auch von Homburg aus kontrolliert werden.

    Etwa 800 Meter von Triefenstein entfernt, nördlich des Klingelbachsgrabens, stand jedenfalls die Burg „Neuenburg“, eine Abschnittsbefestigung der Hallstattzeit (ca. 700–450 v. Chr.), bei der jedoch völlig unklar ist, ob sie um 1100 in (recht kleiner) Burgform (wieder) existierte. Seinen Namen „Ad Petram stillantem“, „Am tropfenden Stein“, leitete das Stift von der danebenliegenden Schlucht samt Wasserfall ab (der auch die Mühle betrieb), wobei natürlich der Petrus-Name noch mitschwingt.

    Älteste erhaltene Darstellung des Stifts Triefenstein, 1703. 
    Älteste erhaltene Darstellung des Stifts Triefenstein, 1703.  Foto: Original: Staatsarchiv Wertheim

    Die Triefensteiner Kirche wird Petrus geweiht, später (nicht vor 1200) tritt Paulus als Patron dazu. 1102 wird als erster Propst ein Gerung genannt, von dem man nicht weiß, ob er aus dem Würzburger Säkularkanonikerstift Neumünster kam oder aus dem Kloster Neustadt; beides ist möglich; Gerung soll bis 1118 gelebt haben. Allerdings: Mit welchem Recht Gerung den Platz für sich beanspruchte, wird nirgends gesagt. Erst im 17. Jahrhundert heißt es, er habe „väterliches Erbe“ übergeben.

    Das Stift wurde in den nächsten Jahrzehnten von Würzburg und von Privatpersonen reichlich ausgestattet. Unter anderem erhielt es aus Bischofshand ein Drittel der Weinberge am Homburger Kallmuth, die zuvor dem Kloster Neustadt gehörten, und 1106 die gesamte, ebenfalls Neustadt zustehende, Pfarrei Homburg. Dies geschah mit Zustimmung von Abt und Konvent des Klosters und darf als Unterstützung der Neugründung verstanden werden, es kann aber auch sein, dass Neustadt anderweitig entschädigt wurde.

    Dass Triefenstein auch schon den Mainfahr bei Lengfurt erhalten habe, lässt sich für diese Zeit nicht nachweisen. 1123 wurde das Stift von Papst Kalixt II. bestätigt, sein Bestand war inzwischen offenbar sichergestellt. Doch noch 1164 wurde Triefenstein als „Kirchlein“ bezeichnet. Immerhin gewann einer seiner Pröpste, Folmar, überregionale Bekanntheit, indem er sich um 1160 mit dem Radikalreformer Gerhoch von Reichersberg theologische Dispute lieferte.

    Auch Frauen im Konvent

    Die Jahre gingen wohl auf und ab. Es tat sich nichts Besonderes. Dass Vögte die Chorherren bedrängten, war im 12./13. Jahrhundert der Alltag. Zeitweise scheint es erlaubt gewesen zu sein, dass auch Frauen sich dem Konvent als Kanonissen anschlossen. Triefenstein hatte in vielen Orten des südlichen Spessarts und auf der fränkischen Platte reichlich Besitz an Grund, Abgaben und Rechten – aber bislang ging noch niemand daran, alle Urkunden zusammenzustellen und eine Monographie Triefensteins zu schreiben. Die Aufgabe würde sich lohnen. Von den Kanonikern weiß man wenig, die Grabsteine sind verschwunden, bis auf einen, der 1988 wiederentdeckt wurde und dessen Inschrift wohl so zu lesen ist (auch wenn man meinen könnte, die VII sei eine IIII):

    Grabplatte des Otto von Wedelberg im Kloster Triefenstein.
    Grabplatte des Otto von Wedelberg im Kloster Triefenstein. Foto: Theodor Ruf

    ANNO DOMINI M.CCCC. LXX. VII SABBATHO + ANTE.NATIUITATIS MARIE OBIIT. DNS OTTO DE WEDELBG C.AIA.REQUIESCAT.IN PACE.AME

    Im Jahr des Herrn 1477 am Samstag vor Maria Geburt [= 6. September] starb Herr Otto von Wedelberg, dessen Seele in Frieden ruhe. Amen

    Ansonsten trägt der Grabstein nur ein Wappen, das im gespaltenen Schild zwei schragenweis gekreuzte, auf den ersten Blick ungewöhnliche Instrumente zeigt: Es handelt sich um „Feuerwedel“. Das Grimmsche Wörterbuch gibt dafür keine Erklärung, nur den lateinischen Namen flabellum igniarium. Das sind, ganz einfach, eine Art Fächer, mit deren Hilfe (durch Wedeln) sich ein Feuer schneller entzündet.

    Das Geschlecht der Wedelberger nennt sich eindeutig nach der heute so genannten Weidelsburg in Hessen, 30 Kilometer westlich von Kassel, auf einem Basaltkegel namens Weidelberg 492 Meter hoch gelegen. Sie gilt als die größte Burgruine Nordhessens. Die ursprüngliche Namensform dürfte Wedelburg bzw. Wedelberg gewesen sein. Der Wedelberger wird nicht der Einzige gewesen sein, den es von weit her in das schöngelegene Stift zog.

    Karte um 1735. 
    Karte um 1735.  Foto: Staatsarchiv Wertheim 

    Plünderungen im Bauernkrieg und im 30-jährigen Krieg

    Im Bauernkrieg soll Triefenstein geplündert worden sein, und mit der Reformation in der Grafschaft Wertheim um 1550 ging es abwärts, bis Fürstbischof Julius Echter sich um eine Erneuerung bemühte. Der aus dem Kloster Theres berufene Johann Molitor, auch als religiöser Schriftsteller bekannt, schaffte ab 1617 einen Wiederaufbau. Doch im 30-jährigen Krieg wurde das Stift wieder ausgeplündert.

    Wie auch immer: Man bekam genug Geld zusammen, um 1694 einen Neubau der Kirche durchzuführen, die etwa 100 Jahre später eine hervorragende frühklassizistische Ausstattung erhielt. Wie das alles bezahlt wurde, ist, wenigstens derzeit, ziemlich rätselhaft. In der Säkularisation erhielten die Fürsten Löwenstein-Wertheim-Freudenberg das Stift und funktionierten es zum Schloss um, das aber bald vernachlässigt wurde.

    „Nun ist sie [die Kirche] schon seit Jahrzehnten völlig profaniert und dient als Abstellraum. Das Kloster steht leer, es ist wie die Kirche in einem denkbar verwahrlosten Zustand. Beide sind unzugänglich.“ So hieß es 1966. Aber dann trat ein Wunder ein: Seit 1986 übernahm die „Christusträger-Bruderschaft“, eine evangelische, ordensähnliche Gemeinschaft die Baulichkeiten und erweckte sie zu neuem Leben.

    Kloster Triefenstein – das blühende Wahrzeichen.
    Kloster Triefenstein – das blühende Wahrzeichen. Foto: Günter Reinwarth

    Sie soll für sich selbst sprechen: „Wir Christusträger Brüder leben, beten und arbeiten gemeinsam. Durch unsere Lebensform gewinnen wir Freiraum für andere. Unser Glaube kann Hand und Fuß bekommen. Getragen von Christus wollen wir Christus zu den Menschen tragen. Durch medizinische und technische Hilfe in Afghanistan und im Kongo. Und durch Freizeiten und stille Tage in unseren Häuser in Deutschland und der Schweiz.“ In Triefenstein entstand neues Leben, und in den wenigen Jahrzehnten seither wurde hier wahrscheinlich mehr für menschliche Gemeinschaft geleistet, als in manchem Jahrhundert zuvor.

    Zum Autor: Dr. Theodor Ruf ist Kreisheimatpfleger für den Altlandkreis Lohr, er schrieb zahlreiche Beiträge zur Geschichte der Region Main-Spessart.  Seine Dissertation verfasste der Historiker über die „Die Grafen von Rieneck“.

    Literatur: Störmer, Wilhelm: Beobachtungen zu den Anfängen der Augustinerchorherrenbewegung in Franken. Das Chorherrenstift Triefenstein. Jahrbuch für fränkische Landesforschung 69, 2009, S. 1–23

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden