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Karlstadt: Elternstreik, schlaue Flößer und ein fast vergessenes Dorf: 5 historische Fakten über Karlstadt, die Sie so noch nicht kannten

Karlstadt

Elternstreik, schlaue Flößer und ein fast vergessenes Dorf: 5 historische Fakten über Karlstadt, die Sie so noch nicht kannten

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    1958 ging die Flößerei auf dem Main mit der letzten kommerziellen Fahrt aus dem Frankenwald zu Ende. (Archivfoto)
    1958 ging die Flößerei auf dem Main mit der letzten kommerziellen Fahrt aus dem Frankenwald zu Ende. (Archivfoto) Foto: Gerhard Kuhn

    Fast ein Vierteljahrhundert hat Manfred Schneider das Stadtarchiv in Karlstadt gehütet. 2022 war dann Schluss. Wer ihn zuhause besucht, findet sich schnell vor einer Reihe seiner Werke in gebundener Form wieder. Darunter befindet sich unter anderem eine "Karlstadter Chronologie" oder die Fortsetzung von "Karlstadt - Geschichte(n) einer Stadt in Franken", an der bereits sein Archiv-Vorgänger, Werner Zapotetzky, gearbeitet hatte. Auch in den jährlich erscheinenden Jahrbüchern der Stadt wurden viele Beiträge von Schneider veröffentlicht.

    Fünf Fakten und Ereignisse, die Geschichte aus der Kernstadt sowie mehreren Ortsteilen erzählen, hat unser Autor hier zusammengetragen: 

    1. Der hölzerne Main: Als Flöße noch Bier und andere Waren brachten

    Die Flöße brachten damals auch Bier nach Karlstadt. (Archivbild)
    Die Flöße brachten damals auch Bier nach Karlstadt. (Archivbild) Foto: Gerhard Kuhn

    Haben Sie schon einmal vom Würzburger Stück gehört? Dabei handelte es sich um ein Floß, das wiederum aus kleineren Rohdachflößen, den Hallstadter Stücken, zusammengesetzt wurde. Es bestand aus sechs paarweise hintereinander gekuppelten Böden, hatte einen Tiefgang von 70 Zentimetern und bestand aus etwa 350 Kubikmetern Holz. Auf dem "hölzernen" Main waren nämlich bis in die späten 1950er-Jahre noch jede Menge Flöße unterwegs, die auch Karlstadt passierten.

    Manfred Schneider war bis 2022 insgesamt 23 Jahre lang Stadtarchivar in Karlstadt.
    Manfred Schneider war bis 2022 insgesamt 23 Jahre lang Stadtarchivar in Karlstadt. Foto: Felix Hüsch

    Neben anderen Produkten und Gütern kam auch Bier auf diesem Weg nach Karlstadt. Eine Verordnung von 1696 gab eigentlich vor, dass Bier im Karlstadter Stadtgebiet weder gebraut noch ausgeschenkt werden darf. Daher legten schlaue Flößer vor dem Mühlbacher Mainufer an und brachten den Gerstensaft so unter die Leute.

    Der Bau der Mainschleusen sorgte schließlich für eine stark verminderte Fließgeschwindigkeit des Mains und bedeutete das Ende der freien Floßfahrt. Außerdem sank die Nachfrage nach Holz und was die Transportmittel angeht, war die Eisenbahn langsam im Kommen.

    2. Tatort Stetten: Der etwas andere Maibaumklau

    1959 hätten die Stettener beinahe unwissentlich ihren eigenen Maibaum aus Heßlar zurückgeklaut. (Symbolfoto)
    1959 hätten die Stettener beinahe unwissentlich ihren eigenen Maibaum aus Heßlar zurückgeklaut. (Symbolfoto) Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Wir schreiben das Jahr 1959. Zwielichtige Gestalten schleichen in einer windigen Aprilnacht durch den Stettener Forst, Waldabteilung Tiefental. Teile der Gruppe beobachten als Späher die Umgebung, die anderen machen sich an die Arbeit.

    Zwei Wochen später kommt im Heßlarer Gemeinderat ein Schreiben vom Gemeinderat aus Stetten an. Der dortige Waldhüter Adolf Amthor hat festgestellt, dass eine Fichte aus dem Bestand in Stetten entfernt worden war. Außerdem stand in dem Brief, dass man später bemerkt habe, dass mit großer Wahrscheinlichkeit derselbe Nadelbaum in Heßlar als Maibaum aufgestellt worden ist. Um die nachbarschaftlichen Beziehungen nicht zu gefährden, erstattete Heßlar damals keine Anzeige.

    Als Preis für die entwendete Fichte einigten sich die beiden heutigen Karlstadter Ortsteile auf einen Preis von 15 D-Mark. Dass die Stettener ihrerseits den Maibaum aus Heßlar klauen, war damals nicht unüblich. Dem Spott darüber, ihren eigenen Baum zu klauen, konnten sie 1959 aber gerade so entgehen.

    3. Rohrbacher Eltern riefen 1969 zum Schulstreik auf

    Die Eltern der Schülerinnen und Schüler aus Rohrbach riefen 1969 kurzzeitig zum Streik auf. (Archivbild)
    Die Eltern der Schülerinnen und Schüler aus Rohrbach riefen 1969 kurzzeitig zum Streik auf. (Archivbild) Foto: Hans L. Müller

    In Wiesenfeld wurde schon 1961 mit einem Schulhausneubau geliebäugelt. Drei Jahre später konkretisierten sich die Planungen für eine zehnklassige Verbandsschule, die im Umkehrschluss das Aus für die Schulen in Rettersbach, Erlenbach, Halsbach und Rohrbach bedeuten sollte.

    Die meisten Eltern der betroffenen Schülerinnen und Schüler sahen darin kein großes Problem. Anders sah es bei den Rohrbachern aus. Dort gingen die Eltern geschlossen auf die Barrikaden, da sie die räumlichen Verhältnisse im Wiesenfelder Schulhaus als unzumutbar erachteten. Als einer der Erzieher sagte, dass Kinder "anpassungsfähig" seien und man sie "überall reinstecken" könne, kam es zum Streik.

    Der Beginn des Schuljahres 1969/70 lief somit ohne Kinder und Jugendliche aus Rohrbach ab. Den Erwachsenen, die zum Streik aufgerufen hatten, waren auch die sanitären Einrichtungen im Nachbarort ein Dorn im Auge. Im September 1969 wurde auf Veranlassung des Schulamtes ein Ortstermin abgehalten. Die Eltern konnten sich ein Bild von den – zuvor auf Anordnung des damaligen Landrats Erwin Ammann hergerichteten – Räumen im Schulhaus machen und begruben das Kriegsbeil.

    4. Wiesenfeld entging 1953 nur knapp einer Brandkatastrophe

    Der Brand in Wiesenfeld 1953 konnte gerade so unter Kontrolle gebracht werden. (Archivbild)
    Der Brand in Wiesenfeld 1953 konnte gerade so unter Kontrolle gebracht werden. (Archivbild) Foto: Main-Post (Röder)

    Wir bleiben in Wiesenfeld. Einige Jahre vor dem Schulstreik kam es dort zu einem Großbrand, der beinahe noch verheerender ausgefallen wäre. In der Nacht auf den 2. Dezember 1953 konnten die Bewohner sowie viele helfende Hände der umliegenden Orte eine Brandkatastrophe verhindern. In einer kleinen Holzhalle war ein Feuer ausgebrochen, das um 1.15 Uhr von zwei Männern bemerkt wurde. Kurz darauf stand die ganze Gemeinde Kopf, Glockengeläut und Feuerhorn inklusive.

    Da der Gebäudekomplex – bestehend aus Scheunen, Stallungen und Wohngebäuden – relativ eng gebaut war, konnte sich das Feuer schnell auf andere Höfe ausbreiten. Großvieh wurde aus den Ställen gerettet. In einem Anwesen aber kam für 30 Hühner, einige Gänse sowie viele Landmaschinen und -geräte jede Hilfe zu spät. 

    Trotz der Zusammenarbeit der Feuerwehren aus Wiesenfeld, Karlstadt, Lohr, Halsbach und Rohrbach zogen sich die Löscharbeiten aufgrund des Wassermangels lange hin. Wegen der anhaltenden Trockenheit führte der Dorfbach nur wenig Wasser. So bediente man sich in der Not an Dorfbrunnen und Jauchegruben. Gegen 6 Uhr morgens war der Brand unter Kontrolle.

    5. In Vergessenheit geraten: Karlstadts verschollene Flurnamen

    Viele Karlstadter Flurnamen gerieten über die Zeit in Vergessenheit. Das Foto zeigt den Hang zur Flur "Geisberg". Dieser Name ist heute noch geläufig. Früher wird das Areal wohl als Ziegenweide gedient haben. (Archivbild)
    Viele Karlstadter Flurnamen gerieten über die Zeit in Vergessenheit. Das Foto zeigt den Hang zur Flur "Geisberg". Dieser Name ist heute noch geläufig. Früher wird das Areal wohl als Ziegenweide gedient haben. (Archivbild) Foto: Manfred Schneider

    Flurnamen ordnen dem Namen entsprechend die Flur. Sie entstanden mit der Sesshaftigkeit des Menschen und dem Feldbau. Mit ihnen wurde auch der Ort des Grundbesitzes übersichtlicher. Einige der teilweise direkt nach der Stadtgründung vergebenen Flurnamen sind seitdem (nahezu) unverändert, bei anderen wurde durch sprachliche Veränderungen die Schreib- und Ausdrucksweise angepasst. Viele Bezeichnungen aber sind im Laufe der Zeit komplett aus dem Karlstadter Sprachgebrauch verschwunden.

    "Beim Gainfurt" oder "An der Gainfurtwiese" (alte Schreibweise: Genfurt) markierte zum Beispiel eine sandige Wiesenfläche am Main bei der ehemaligen Bahnstation Gambach. Dort befand sich bis zu Beginn des 15. Jahrhunderts der Ort Gainfurt. Glaubt man mündlichen Überlieferungen, wurde Gainfurt einst bei einem schweren Unwetter vernichtet. Ein Wiederaufbau soll trotz großer Bemühungen der Regierung nicht möglich gewesen sein.

    Wo sich heute die Johann-Schöner-Straße, der Stationsweg und die Rechbergstraße treffen, befand sich früher der Galgen in Karlstadt. "Am Gespött" nannte sich die dazugehörige Flur, die ein ebenes Gelände vor der Stadt auf dem Weg zum früheren Hochgericht beschreibt. Hier, auf ihrem letzten Gang zwischen Kapuzinerkloster und Galgen, konnten die Verurteilten ein letztes Mal von der Bevölkerung verspottet werden.

    Die in diesem Artikel verwendeten Informationen stammen allesamt aus Beiträgen von Manfred Schneider, genauer gesagt aus den Karlstadter Jahrbüchern 2005/2006, 2006/2007, 2008/2009, 2009/2010, 2010/2011 und 2011/2012. Die genutzten Archivfotos in schwarz-weiß stammen ebenfalls aus diesen Veröffentlichungen.

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