Gemächlich knattern Gitte, Rosi und Tante Lu über die Landstraße, ihr Ziel: der Marktheidenfelder Festplatz. Dort will der Vespa-Club Main-Spessart beraten, wohin die Ausfahrt gehen soll. Die Vespas rollen, ihre Fahrer fühlen sich frei und unbeschwert, so der Tenor. "Das ist wie Urlaub", schwärmt Stefan Lakeit (56) aus Homburg. "Da geht einem das Herz auf."
Das gelte nicht nur für die Fahrer, in Italien genannt "Vespisti", sondern eigentlich für alle Menschen: "Wenn man mit dem Motorrad vorfährt, schimpfen die Leute über einen. Kommt man mit der Vespa, lachen sie dich an", hat Lakeit beobachtet. Und weil sie ihre Roller und das italienische Lebensgefühl schätzen, haben ihre Vespas alle Namen – Frauennamen, versteht sich.

Ciraci: Vespas sind wie Schuhe, man hat immer mehrere zu Hause
Gitte, eine Vespa 150 T4, ist mit ihren 150 Kubikzentimetern Hubraum ein deutsches Modell, stammt aus Augsburg. Deshalb hat ihr Jens Schindler (48) aus Marktheidenfeld einen deutschen Namen gegeben. "Jeder von uns hat mindestens noch eine Vespa zu Hause", sagt er. Kumpel Rocco Ciraci (38) aus Erlenbach erklärt: "Das ist wie mit Schuhen, da hat man auch nicht nur ein Paar im Schrank."

Seit die erste Vespa 1946 in Italien verkauft wurde, gibt es viele Bauarten und technische Unterschiede. Der Hersteller Piaggio vertreibt die Roller weltweit. Eigentlich baute das Unternehmen Schiffe, Eisenbahnwagen und Flugzeuge. Doch kurz nach Kriegsende 1945 erkannte Enrico Piaggio eine hohe Nachfrage nach mobilen, gleichzeitig preisgünstigen, und leicht fahrbaren Transportmitteln.
Unverwechselbare Form der Vespa vereint praktische Überlegungen
Kleine Räder und ein relativ leistungsschwacher Motor machen die Vespas bis heute aus. In puncto Nachhaltigkeit sind sie erfolgreich: zeitloses Design und leicht zu reparieren. Ihre unverwechselbare Form verdankt die Vespa praktischen Überlegungen.

Die Konstruktion sollte Menschen jeden Alters und ohne Vorerfahrung mit Rollern ansprechen: freier Durchstieg, einseitige Radaufhängung für einen schnellen Wechsel, keine Schaltung und eine leichte Karosserie. Woher sie ihren Namen hat, zu Deutsch "Wespe", ist nicht geklärt. Manche gehen davon aus, dass das Motorengeräusch an das Insekt erinnert. Andere sind der Meinung, die Vespa hat eine Wespentaille.
Vespas im Original-Zustand
Die meisten der Maschinen, die in Marktheidenfeld vorfahren, sind grau oder beige lackiert. Rocco Ciraci und seinen Kumpels ist es wichtig, ihre alten Fahrzeuge in den Originalzustand zu versetzen. Dazu nehmen die Vespisti das aufwendige Abschleifen mehrerer Lackschichten in Kauf, um die Farbe freizulegen. "In Italien fährt keiner eine alte Vespa", erklärt Rocco Ciraci.

Aus Kostengründen importieren viele ihre Roller direkt von dort, etwa Karsten Steffen aus Lengfurt. Der 45-Jährige erzählt, er habe keine Ahnung gehabt, in welch miserablem Zustand der Roller sei, bevor er ihn nicht vor Ort besichtigt hatte. Bis auf den Grundrahmen hat er ihn auseinander gelegt und neu aufgebaut.

Liebe zu Vespas liegt in der italienischen Familie
So aufwendig restauriert könnten die Liebhaberstücke hohe Preise erzielen, ab 10.000 Euro aufwärts, meint Steffen. Das älteste Modell des Clubs, Baujahr 1951, fährt Rocco Ciraci. Er hat die Liebe zu den nostalgischen Vespas von seinem Vater Vito Ciraci übernommen. Der fährt schon lange Vespa und ist in der Familie dafür zuständig, dass die Roller in Schuss bleiben.

Rosi, die neueste Errungenschaft in Stefan Lakeits Garage, ist eine Vespa Rally 200, Baujahr 1976, 200 Kubikzentimeter Hubraum. "Ich habe sie erst vor drei Monaten relativ günstig in Frankfurt gekauft", sagt er. Sie sei mehr als zehn Jahre lang Deko-Objekt in einem Kaufhaus gewesen. "Ich mag es, wenn die Roller eine Geschichte zu erzählen haben."
Im Vespa-Club Main-Spessart ist jeder willkommen, der eine Vespa fährt
Den Vespa-Club Main-Spessart gibt es seit 2022. Wer die Idee dazu hatte, ist nicht geklärt. Letztlich spielt das auch keine Rolle. "Jeder, der eine Vespa fährt, ist bei uns willkommen", sagt Alexander Krämer (36) aus Erlenbach. Wie auch in der Motorrad-Szene üblich, tauschen die Vespisti mit anderen Clubs Banner für ihre Roller und Patches, die auf die Clubwesten genäht werden. Ihr eigenes Logo ist der Form des Wappens von Main-Spessart nachempfunden.
Im Vordergrund stehen für die 19 Männer und Frauen des Vespa-Club Main-Spessart, sich zu gemeinsamen Ausfahrten zu treffen. Mal geht es für die Vespisti nach Feierabend in die nächstgelegene Eisdiele, mal zum Anrollern nach Aschaffenburg oder auf Tour durch Italien – so wie Anfang Juni am Comer See. Hat jemand eine Panne, halten alle an und helfen zusammen, das Gefährt wieder flottzubekommen.
Schließlich kommt es beim Vespafahren nicht auf die zurückgelegten Kilometer an, sondern auf das italienische "La dolce Vita", was übersetzt so viel heißt wie ein positives Lebensgefühl aus Müßiggang und Vergnügen.