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LOHR: Experte stellt klar: Keine Bildung ohne Bindung

LOHR

Experte stellt klar: Keine Bildung ohne Bindung

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    Hauptreferent Dr. Thomas Köhler-Saretzki, Leiter der Familienberatung der Christlichen Sozialhilfe Köln, erläuterte in anschaulicher Weise Grundlagen menschlicher Bindungen mit ihren Chancen und Risiken.
    Hauptreferent Dr. Thomas Köhler-Saretzki, Leiter der Familienberatung der Christlichen Sozialhilfe Köln, erläuterte in anschaulicher Weise Grundlagen menschlicher Bindungen mit ihren Chancen und Risiken. Foto: Foto: Birgit Wagner

    Etwa 100 Interessierte folgten der Einladung des Landratsamtes Main-Spessart in Kooperation mit dem Bezirkskrankenhaus Lohr zur Fachtagung „Bindung (er)leben in Kita und Schule“ am Dienstag. Im Festsaal des Bezirkskrankenhauses Lohr stellten mehrere Experten ihr Wissen zur Verfügung, um aktuelle und psychiatrisch relevante Aspekte der Bindungsforschung zu diskutieren, moderiert von Diplom-Sozialpädagogin Brigitte Then, zuständig für Gesundheitsförderung und Prävention am Gesundheitsamt.

    Professor Dr. Dominikus Bönsch, Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses, und Medizinaldirektor Stephan Roth wiesen auf die grundlegende Bedeutung von Bindungen in und für die Entwicklung von Menschen hin. Die Fachtagung war bereits die zehnte in der Veranstaltungsreihe „Vom Dialog zum Trialog“.

    Kita und Schule wichtig

    Als Stellvertreterin des Bezirkstagspräsidenten hob Eva-Maria-Linsenbreder die gelungene Kooperation der beteiligten Stellen hervor. Die Jugend sei eine komplizierte Phase, in deren Bewältigung Bindungen das entscheidende Fundament darstellten. „Besonders bei den heutigen Belastungen von Kindern müssen adäquate Antworten gefunden werden“, erläuterte Harald Schneider als Stellvertreter des Landrats.

    Wie bedeutsam eine tragfähige, vertrauensvolle Beziehung zwischen Kindern und Fachkräften in Kita und Schule ist, vermittelte Hauptreferent Dr. Thomas Köhler-Saretzki, in anschaulicher und lebendiger Weise. Kita und Grundschule machten heute zeitlich einen großen Anteil im Lebens der Kinder aus, speziell in diesem Alter seien Bindungen besonders relevant. In stetem Kontakt mit dem Publikum erklärte der Leiter der Familienberatungsstelle in Köln die Grundlagen gelungener Bindung, die im Idealfall in einen Zustand der „psychischen Sicherheit“ mündeten, die einen Menschen durchs Leben trage.

    Familie als „sicherer Hafen“

    Noch immer seien es überwiegend die Mütter, die in den ersten Lebensjahren das Grundbedürfnis eines Kindes nach Bindung durch körperliche Präsenz, emotionale Verfügbarkeit und feinfühliges Verhalten befriedigten. Mit zunehmendem Alter werde es dem Kind möglich, seine Umwelt zu erkunden und Bildungsangebote anzunehmen. Dabei komme es darauf an, dass es darauf vertrauen könne, in einen „sicheren Hafen“ zurückkehren zu können, der ihm in misslichen Lagen Schutz und Trost spende.

    Sowohl Kinder als auch Erzieher und Lehrer brächten ihre eigenen Bindungserfahrungen mit ein. Etwa die Hälfte der Kinder verfüge über sichere, der Rest aber über unsichere oder sogar desorganisierte Bindungsmuster. Hier gelte es, in angemessener Weise zu reagieren: Durch wertschätzende, sensible Bindungsangebote und einen permanenten Strom positiver Rückmeldung könnten frühkindlich erworbene Bindungsmuster durchaus reorganisiert werden. „Dabei liegt die Verantwortung für die Gestaltung der Beziehung beim Erwachsenen und nicht beim Kind“, erklärte Köhler-Saretzki. Ein optimales Entwicklungs- und Lernniveau in Kita und Schule sei nur durch eine stabile Basis aus Wertschätzung und Sicherheit zu erreichen.

    In herausfordernden Situationen sei die entscheidende Frage „Wer bin ich für dieses Kind?“ und nicht „Was kann ich als Fachkraft tun?“. In der Konsequenz seien daher in steigendem Maße die Vermittlung von bildungstheoretischem Wissen sowie verbindliche Möglichkeiten zur Selbstreflexion des eigenen Bindungsverhaltens während der Ausbildung wünschenswert. Häufig seien Menschen mit eigenen unsicheren Bindungsmustern in helfenden Berufen tätig, was zugleich Risiko und Chance sei. Je schwieriger die Verhältnisse zu Hause seien, desto wichtiger werde die Person des Erziehers. Schwierige Verhältnisse im heimischen Umfeld seien der einzige Grund, der für Köhler-Saretzki einen frühen Eintritt in die Kita rechtfertige. „Aus bindungstheoretischer Sicht gibt es keinen Grund für einen frühen Besuch einer Kindertagesstätte im Alter von ein oder zwei Jahren.“

    Verblüffende Erkenntnisse aus medizinischer Sicht stellte Dominikus Bönsch in seinem Vortrag zur Vererbung von Bindungsmustern und den Zusammenhang mit psychiatrischen Erkrankungen vor. „Bindung ist ein ganzes Stück Vererbung“, erklärte der Ärztliche Direktor. Mehr als allgemein eingeschätzt, bestimmten genetische und biologische Faktoren das Bindungs- und Brutpflegeverhalten von Mensch und Tier.

    Wie Eltern in Grenzsituationen wie etwa einer konflikthaften Trennung für ihre Kinder Bindungspersonen bleiben können, schilderte Ottmar Braunwarth als Leiter der Beratungsstelle für Eltern, Jugendliche und Kinder des Landkreises Main-Spessart.

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