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KARLSTADT: Faust und die Wette mit dem Kapitalismus

KARLSTADT

Faust und die Wette mit dem Kapitalismus

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    Ein überzeugendes Trio bei „Faust Today“: Der überragende Tobias Jennewein (links) und Margarete Kreutz umgarnen als Mephisto im Doppelpack den wankelmütigen Faust (Nico Fleischmann).
    Ein überzeugendes Trio bei „Faust Today“: Der überragende Tobias Jennewein (links) und Margarete Kreutz umgarnen als Mephisto im Doppelpack den wankelmütigen Faust (Nico Fleischmann). Foto: Foto: Günter Roth

    (th) Wie würde wohl Goethe sein weltberühmtes Drama „Faust“ in der heutigen Zeit geschrieben haben? Wie haben sich Einsichten und Einsichtsfähigkeiten der Menschen in den letzten 200 Jahren verändert? Sind wir klüger als zuvor? Haben wir erkannt „was die Welt im Innersten zusammenhält?“ Der Grundkurs Dramatisches Gestalten am Karlstadter Johann-Schöner-Gymnasium hat es unter der Leitung von Studiendirektor Wolfgang Tröster gewagt, den Fauststoff an die heutige Zeit zu adaptieren.

    Das Publikum in der leider halb leeren Aula zollte dem Projekt große Anerkennung für diese schwierige Aufgabe.

    Die Bilder, das äußere Lebensumfeld des „Faust Today“ entwickelte die Projektgruppe aus ihrer eigenen Erfahrung: Faust 2010 ist ein frustrierter, teilweise zynischer Lehrer mit Burn-out-Syndrom, der selbstverständlich auch Philosophie, Lehramt und sogar Theologie mit durchaus heißem Bemühen studiert hat, aber nach Jahren feststellen muss, dass ihn all sein Wissen und seine scheinbare Macht über die Schüler der Wahrheit und vor allem der inneren Freude kein Stück näher gebracht hat.

    Faust (überzeugend und mit großem inneren Engagement dargestellt von Ralf Sailer) trinkt „Red Bull“ und zieht sich gefrustet Pornos auf seinem Laptop rein. Er droht an seinen zwei Seelen in seiner Brust zu zerbrechen, weil er die Anforderungen des Stoffdrucks im Lehrplan nicht mit seinen früheren Idealen einer schöngeistigen Erziehung in Einklang bringen kann. So ist er eine leichte Beute von Mephisto, der seine Wette um Faust nicht mit dem altersschwachen, senilen Gott im Rollstuhl abschließt, sondern mit dem wahren Herrscher der Welt: dem Kapitalismus.

    Gute schauspielerische Leistung

    Mit Mephisto haben sich die jungen Autoren und Schauspieler etwas ganz Besonderes ausgedacht. Dem überragenden schauspielerischen Naturtalent Tobias Jennewein wurde mit Margarete Kreutz ein diabolisch-verführerischer femininer Gegenpol – eine Mephista quasi – zur Seite gestellt. In ihrer Ergänzung geben beide der teuflischen Gestalt eine besondere Ausprägung. Jennewein fesselt den Zuschauer von Anfang an: schmeicheln, verlocken, täuschen und letztendlich hohnlachen vermittelt er mit unglaublicher Leichtigkeit und Intensität zugleich.

    Nico Fleischmann, der die Rolle des jungen Fausts nach dessen Verwandlung übernimmt, braucht zunächst eine Anlaufzeit. Er bemüht sich, die Figur des charmanten Junglehrers und Mädchenschwarms überzeugend auszufüllen, natürlich auch mit postmodernen Akzenten und Ausdrücken, wenn er zum Beispiel sein Date mit Margarete per Telefon abspricht und seine Verwandlung mit„o Fuck!“ kommentiert. Im Lauf des Dramas gewinnt Fleischmann immer mehr an Glaubwürdigkeit und Sicherheit. Auch Julia Muszinsky weiß sich als Gretchen zunehmend zu steigern und beeindruckt besonders in der Gefängnisszene.

    Letztendlich zeigt die Projektgruppe überzeugend, dass sich wohl in den vergangenen 200 Jahren seit Goethe zwar die äußeren Erscheinungsformen verändert haben, die Grundproblematik doch stets dieselbe geblieben ist: Fragen nach dem Sinn des Lebens, Machtgelüste, Rücksichtslosigkeit und Hilflosigkeit. Eine illegale Abtreibung zum Beispiel bringt eine Frau heute zwar nicht mehr aufs Schafott, aber die Psychiatrie kann hier schon mal die reale Endstation sein. Sehr gekonnt waren auch die Hexentanz- und Gauklervorführungen.

    Weitere Darsteller

    Zu den weiteren Darstellern gehörten: Manuel Amthor, Ricardo Münch, Luis Maiberger, Felix Sauer, Ann-Christin Scharf, Lorena Mohr, Veronique Schuhmann, Eva Gößwein, Kevin Hümmer, Denise Ziegler, Katja Sieg und Moritz Haase.

    „Faust-Today“ wird noch zwei Mal in der Aula des Johann-Schöner-Gymnasiums zu sehen sein: am Dienstag, 13., und am Dienstag, 27. Juli. Die für den heutigen Mittwoch geplante Vorstellung fällt wegen des Fußball-Halbfinals aus.

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