Vor einigen Monaten herrschte hier noch emsige Betriebsamkeit, jetzt ist die Stille fast mit Hände zu greifen. Das verwaiste Fabrikgelände ist nicht nur rein optisch ein Schandfleck.
Es könnte dort auch zu einer Gefährdung für die Umwelt kommen. Denn die alte Kläranlage und die Heizungsanlage der Papierfabrik müssen gesichert werden, oder es droht beispielsweise Öl an die Oberfläche zu gelangen und das Grundwasser zu verunreinigen.
Von der Situation vor Ort hat sich eine Abordnung des Landratsamts Main-Spessart gemeinsam mit dem Gräfendorfer Bürgermeister Alfred Frank bereits Ende des letzten Jahres ein Bild gemacht. Ihr Urteil: „Es besteht keine akute Gefährdung des Grundwassers und der Schondra.“ Allerdings, so heißt es von Seiten des Landratsamtes weiter, müssen geeignete Maßnahmen unternommen werden, um ein von den Anlagen ausgehendes, mögliches Gefährdungspotenzial so gering wie möglich zu halten.
Bescheid angefochten
Daher ging bereits im Dezember 2009 ein Bescheid an den für die Papierfabrik zuständigen Insolvenzverwalter Christian Adolf von der Kanzlei Beck & Partner in Würzburg. Darin ist aufgelistet, welche Schritte unternommen werden müssen, um das Gelände abzusichern. Darunter: Die Entleerung der Kläranlage, die sukzessive Entsorgung der Papier- und Spuckstoffhalden sowie die Entleerung des Heizkessels im Kesselhaus. Außerdem muss das Holzlager geräumt beziehungsweise in einen Bereich außerhalb des Überschwemmungsgebietes umgesetzt und danach fachgerecht entsorgt werden .
Diesen Bescheid hat Insolvenzverwalter Christian Adolf angefochten. Allerdings, so heißt es vom Landratsamt auf Anfrage, habe Adolf regelmäßige Kontrollen und die Sicherung der Anlage durch einen ehemaligen Mitarbeiter der Papierfabrik veranlasst. „Es geht dabei um die Frage, ob diese Verpflichtung die Insolvenzmasse trifft und daher auch daraus erfüllt werden muss. Das muss im Interesse der Gläubigergemeinschaft zunächst geklärt werden. Schließlich geht es um viel Geld“, sagte Adolf im Gespräch mit der Main-Post.
Er wolle selbstverständlich nicht, dass die Umwelt zu Schaden komme, betonte der Insolvenzverwalter. „Ich stehe daher regelmäßig in Kontakt mit dem Landratsamt Main-Spessart und habe auch schon vorher einige Maßnahmen in die Wege geleitet“, so Christian Adolf weiter. Über den weiteren Vorgang... . . . muss jetzt das Verwaltungsgericht in Würzburg entscheiden. Wie und ob es mit der Papierfabrik weitergeht, steht ebenfalls noch in den Sternen. Für eine mögliche Übernahme des Betriebes liege ihm bisher noch kein Angebot vor, sagte der Insolvenzverwalter im Gespräch mit der Main-Post.
Der Gräfendorfer Bürgermeister Frank hofft, dass wieder Bewegung in die Sache kommt und die Maschinen in der Papierfabrik über kurz oder lang wieder anspringen. „Es sind ja nicht nur über 50 Arbeitsplätze von der Insolvenz betroffen, sondern auch mindestens 30 Familien in Gräfendorf. Das ist auch der Grund, warum ich mich eingeschaltet habe.“ Auch wenn die Maschinen alt seien, glaube er immer noch daran, dass die Papierfabrik mit ihrem Nischenprodukt auf Dauer konkurrenzfähig sei.
Darüber was passiert, wenn die Lichter in der Papierfabrik nicht wieder angehen, will Alfred Frank im Moment gar nicht nachdenken. „Was wird dann aus der Anlage? So nahe am Naturschutzgebiet wäre das für uns eine echte Katastrophe.“
Papierfabrik Gräfendorf
Auf Seidenpapiere, Einschlagpapiere und paraffinierte Papiere spezialisiert ist die bereits im Jahre 1805 gegründete Papierfabrik Gräfendorf GmbH. Sie hatte zuletzt rund 50 Beschäftigte in Produktion und Verwaltung.
Das Unternehmen geriet in den vergangenen Jahren immer wieder in die Schlagzeilen. So meldete am 16. November 2007 die noch von dem über 80 Jahre alten Inhaber Walter Pawlowsky geführte Fabrik Insolvenz an. Insolvenzverwalter Bruno Fraas setzte den Betrieb fort und konnte im April 2008 die Firma erfolgreich veräußern. Die neuen Besitzer, die Hendriksen AG – sie kaufte für eine Holding kleinerer und mittlerer Papierfabriken – wollte mit Investitionen das Unternehmen für die nächsten Jahrzehnte fit machen. Doch im Sommer 2009 kam die nächste Insolvenz. Die Angestellten unterschrieben schließlich rückwirkend zum 31. August ihre Kündigung, um an die Löhne der vorausgegangenen Monate zu gelangen.