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HOMBURG: Fliegerdrama im Krieg: Ein Fallschirm voller Blut

HOMBURG

Fliegerdrama im Krieg: Ein Fallschirm voller Blut

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    So oder so ähnlich hatte die Maschine ausgesehen: Ein britisches Bombenflugzeug vom Typ Vickers Wellington wurde von deutschen Jagdflugzeugen im September 1940 so schwer getroffen, dass es bei Homburg abstürzte.
    So oder so ähnlich hatte die Maschine ausgesehen: Ein britisches Bombenflugzeug vom Typ Vickers Wellington wurde von deutschen Jagdflugzeugen im September 1940 so schwer getroffen, dass es bei Homburg abstürzte. Foto: Repro: Günter Reinwarth

    Das war dort, wo die Blümli stehn“, sagt Hugo Martin und deutet auf ein Feld, auf dem ein Bauer Ölrettich als Zwischenfrucht zur Humusverbesserung gesät hat. Auf dem Areal, das der 88-jährige Homburger im Blick hat, lagen vor 76 Jahren Trümmerreste eines britischen Bombenflugzeugs vom Typ Vickers Wellington. Die Maschine war in der Nacht zum 29. September 1940 von deutschen Jagdflugzeugen schwer getroffen worden und abgestürzt.

    Hugo Martin, damals zwölf Jahre alt, hatte so tief geschlafen, dass er von dem Unglück zunächst nichts mitbekam. So erfuhr er von Mutter Apollonia erst am nächsten Morgen, was sich am östlichen Ortsrand Stunden zuvor abgespielt hatte. „Ich gläb, da is heut‘ Nacht en Fliecher runnergfalle“, sagte die Mutter am Frühstückstisch zum Sohnemann. Sie habe einen lauten Knall gehört, ergänzte Apollonia Martin. Ein Flugzeugabsturz in der Flurabteilung „Viehsteige“ – da musste der junge Hugo doch seiner jugendlichen Neugierde freien Raum lassen. Aber die Mutter schränkte ein: „Erscht geht?s awer nei die Kirch!“ Der 29. September war nämlich ein Sonntag.

    Der dramatische Vorfall hatte am späten Samstagabend auch am Stammtisch „beim Winkler“ (Gasthaus „Güldenes Rösslein“) die Runde gemacht. Eine Gruppe junger Homburger ging daraufhin mit Taschenlampen und Laternen raschen Schrittes hinauf zur „Viehstäch“. Sie entdeckten brennende Flugzeugtrümmer und sahen ein Besatzungsmitglied auf einem Kleebock sitzen. Bald stellte sich heraus, dass es der Pilot der Wellington war: der britische Feldwebel Harald Ridley Bjelke Peterson. Er hatte sich zusammen mit vier weiteren Kameraden, die zum Teil leicht verletzt wurden, mit dem Fallschirm retten können.

    Ob Hugo Martin im sonntäglichen Gottesdienst ein Vaterunser für die Soldaten gebetet hat, entzieht sich seiner Erinnerung. Zusammen mit einigen Kumpels eilte er am Sonntagvormittag nach der Kirche hinauf zur „Viehstäch“, wo sich bereits eine größere Menschenmenge, darunter auch Schaulustige aus Wüstenzell und Remlingen, am Rande der Absperrung eingefunden hatte.

    Hugo Martins erster Blick fiel auf das abgerissene und in den Himmel ragende Flugzeugheck. „Wir hatten eine Sauangst!“, erinnert er sich noch heute an brennende Flugzeugreste. Die Angst der jungen Burschen bezog sich auf mögliche Reste von herumliegenden Brandsätzen oder Brandbomben. Martin mag heute gar nicht daran denken, was passiert wäre, „wenn die uns um die Ohren geflogen wären“.

    Die fünf abgesprungenen Besatzungsmitglieder – unter ihnen angeblich zwei Angehörige der neuseeländischen Luftwaffe – wurden rasch gefangen genommen. Dafür sorgten Soldaten der deutschen Luftwaffe, die vom Fliegerhorst Wertheim nach Homburg beordert worden waren.

    Wo aber war der sechste Mann, der sich an Bord befunden hatte? Sergeant Thomas J. Hallam, so sein Name, hatte beim Absprung mit dem Fallschirm tödliche Kopfverletzungen erlitten. Er war auf einem Kirschbaum in Rettersheim in der Nähe der Kirche gelandet. Hugo Martin war Zeuge, als deutsche Soldaten Hallam in einem Wehrmachtsfahrzeug auf den Homburger Friedhof brachten und im Leichenhaus – von den Einheimischen damals nur „Toutehäusle“ genannt – aufbahrten. Der Fallschirm, der den britischen Soldaten bedeckte, sei von Blut durchtränkt gewesen, erinnert sich der Homburger.

    Welcher Religion Hallam angehörte, war nicht bekannt. Eine Abordnung vom Wertheimer Reinhardshof brachte einen evangelischen Geistlichen für die Beisetzung mit. Salutschüsse der in Reih und Glied stehenden deutschen Wehrmachtsangehörigen begleiteten die Zeremonie auf dem Homburger Gottesacker. Später wurde der bei seinem Tod gerade einmal 23 Jahre alte Soldat auf den Soldatenfriedhof nach Dürnbach am Tegernsee überführt.

    Nach englischen Unterlagen hätte die Wellington Industrieanlagen in oder bei Frankfurt bombardieren sollen. In Homburg schließt man jedoch nicht aus, dass die Glanzstoffwerke in Obernburg das Angriffsziel gewesen sein könnten.

    Der pensionierte Marktheidenfelder Oberlehrer Kurt Schüll möchte in diesem Wochen etwas Licht in das Dunkel des Flugzeugabsturzes bringen. Erfahren hatte er davon, als das Landratsamt Main-Spessart Mitte der 1970er Jahre in den Gemeinden eine Umfrage über besondere Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg durchführte. Mittlerweile hat Schüll mit Hilfe einer Sonde an der Homburger Absturzstelle viele metallene Reste der „Wellington“ gefunden. Schüll möchte dort mit Unterstützung des Marktes Triefenstein ein Gedenkkreuz „Gegen das Vergessen“ aufstellen lassen.

    Vickers Wellington Das zweimotorige britische Kampfflugzeug des Herstellers Vickers-Armstrongs kam im Zweiten Weltkrieg hauptsächlich als Bomber zum Einsatz. Zwischen 1936 und 1945 wurden etwa 11 500 Maschinen verschiedener Versionen produziert. Damit ist die Wellington der meistgebaute Bomber der Royal Air Force. Ihr Spitzname „Wimpy“ beruhte auf der populären Zeichentrickfigur Popeye, der einen Freund namens J. Wellington Wimpy hatte. In der Royal Air Force wurde die Maschine fast nur „Wimpy“ genannt. Arth

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