Ziemlich ab vom Schuss, tief im Hafenlohrtal versteckt, liegt zwischen den Landkreisen Main-Spessart und Aschaffenburg das Fleckchen Erlenfurt. Erlenfurt gehört zu Rothenbuch, die Telefonnummer hat die Vorwahl von Lohr, die Kinder gehen nach Hafenlohr in die Schule. Noch einmal rund 500 Meter von Erlenfurt entfernt liegt der Forellenzuchtbetrieb Hochspessart. Der Betrieb profitiert von einer stetig steigenden Nachfrage und produziert jährlich 400 bis 450 Tonnen Fisch mit Wasser der Hafenlohr. Damit ist die Forellenzucht die größte ganz Frankens, wie der Gemündener Thomas Hartmann, Präsident des Fischereiverbands Unterfranken, sagt.
Weil der Betrieb so abgelegen ist und früher viel kleiner war, kommt dort kaum Strom an, erklärt Inhaber Peter Grimm, 56, bei einem Rundgang. Nur 23 Kilowatt stehen der Anlage und den Wohn- und Bürogebäuden zur Verfügung. Zwar liefert eine Blockheizanlage noch zusätzlich Elektrizität, aber ansonsten ist Stromsparen angesagt. Deshalb geschieht die Anreicherung der sogenannten Fließkanäle mit Sauerstoff nicht wie anderswo mit Strom, sondern energielos. Und geräuchert werden Fische mit Erlenholz. Ein elektrischer Räucherofen brauche mindestens 10 kW. „Wenn sie den anmachen, gehen bei mir die Lichter aus.“
Über 2 Millionen kleine Fische
In Erlenfurt werden Regenbogenforelle, Saibling und Bachforelle gezüchtet. Rund 1,5 Millionen sechs bis zehn Zentimeter lange Setzlinge der Regenbogenforelle, 700 000 des Saiblings und 100 000 der Bachforelle braucht der Betrieb, zu dem zusätzlich eine Anlage ein paar Kilometer weiter in Lindenfurt und eine weitere zwischen Lohr und Partenstein gehören, jährlich. Fischwirtschaftsmeister Grimm ist neuerdings Prüfungsausschussvorsitzender bei der Prüfung von Fischwirten in Starnberg.
Eine vor allem optische Besonderheit sind Lachsforellen. Das, so erklärt Grimm, sind eigentlich Regenbogenforellen, die jedoch ab einem Gewicht von 500 Gramm karotinhaltige Nahrung bekommen, die das Fleisch lachsfarben macht.
Der Betrieb hat zehn Festangestellte, darunter vier Lehrlinge und drei Teichwirtschaftsmeister, und weitere sechs Teilzeitbeschäftigte. Erste Station der Fische ist das Bruthaus. Dort schlüpfen die Fische. Die Eier von Saiblingen und Regenbogenforellen kauft der Betrieb zu, Bachforellen streifen Angestellte in Erlenfurt selbst ab. Durch lange grüne Bottiche fließt im Bruthaus reines Quellwasser. Darin tummeln sich gerade drei bis sechs Zentimeter lange Saiblinge. Mitarbeiter Rudi Stenger säubert die Rinnen eine nach der anderen mit einer Bürste, während die Fischlein um sie herumschnellen.
„Der Kormoran tötet aus Lust.“
Peter Grimm, Fischwirtschaftsmeister in Erlenfurt
Weil die Kapazität des Bruthauses begrenzt ist, kauft Peter Grimm zusätzlich Setzlinge von anderen Betrieben. Wenn die Tiere etwas gewachsen sind, geht es für sie in die sogenannte Anfütterungshalle. Dort stehen mehrere große Bottiche, aus denen über Rohre ständig Wasser herausläuft. Später kommen die Jungfische in die 2008 angelegten Fließkanäle aus Beton. Vorher hatte der Betrieb nur Erdteiche, die aber „einiges mehr an Pflege“ brauchen. Der Sauerstoffgehalt wird nun automatisch gemessen und vom Computer gesteuert. Mit einer Fischförderschnecke können die Fische herausgeholt und dann von einer Sortieranlage gewogen, gezählt und automatisch in bis zu vier Größen sortiert werden. Als Grimm ein paar Fischfutterpellets hineinwirft, brodelt das Wasser wie ein Piranhabecken.
Netze schützen die Forellenbecken
Dass die Fließkanäle von hohen Netzen geschützt werden müssen, daran sind Graureiher und Kormorane schuld. Die Eisvögel, die sich ab und an ein Fischchen herauspicken, seien kein Problem. Vor allem Kormorane seien jedoch „existenzbedrohend bis hin zur Aufgabe“, sagt Grimm. Er kenne Kollegen, die in Karpfenteichanlagen durch Kormorangemetzel bis zu 95 Prozent der Tiere verlieren. „Der Kormoran“, sagt der 56-Jährige, „tötet aus Lust.“
Und eine weitere, momentan noch ernstere Bedrohung macht ihm erneut zu schaffen. Vor vier Jahren sah sich die Forellenzucht Hochspessart plötzlich mit einem ungeahnten Problem konfrontiert: Damals wurde von der Autobahnbaustelle bei Weibersbrunn viel Schlamm in die Hafenlohr getragen, und die Brühe lief dann auch durch die Forellenzuchtanlage. Grimm musste zeitweise die Fütterung einstellen.
Bei Starkregen kommt in der Anlage Dreckbrühe an
Das Problem gab sich, als die Baustelle weiterzog. Jetzt allerdings ist die Baustelle ein paar Kilometer weiter bei Rohrbrunn angelangt. Von dort fließt bei Regen Schlammbrühe in den Rohrwiesenbach und landet wiederum in der Hafenlohr. Am Tag des Rundgangs hat es morgens eine halbe Stunde lang stark geregnet. Grimm befürchtet, dass in ein paar Stunden wieder Dreckbrühe ankommt. „Unter Umständen können wir morgen nicht füttern.“
Diesen Winter froren die Becken an einigen besonders kalten Tagen zu, dadurch konnten die Fische nicht gefüttert werden. Das, so Grimm, überstehen die Tiere, allerdings würden sie in dieser Zeit nicht wachsen. Gewollt auf Diät gesetzt werden die Fische dann zum Schluss. Aus hygienischen Gründen werden sie vor der Schlachtung mindestens drei bis vier Tage „genüchtert“.
Verkauf von jungen Lebendfischen
In Erlenfurt werden nicht alle Fische gezogen, bis sie Verzehrgröße haben. Der Betrieb hat einen eigenen Lastzug, der lebende Fische in Transportbehältern zu Kollegen bringt, die sie auf Schlachtreife bringen. Neben Kunden, die einzelne Fische kaufen, gehen Fische an die Gastronomie, an Fischgeschäfte im Raum Aschaffenburg und ausgewählte Supermärkte in der Region. „Man steht nicht auf einem Bein.“
Ein weiteres Standbein ist das Marktauto, das zweimal die Woche in Aschaffenburg Fisch verkauft – einerseits eigene Produktion, geräuchert oder filetiert, andererseits alle möglichen anderen Fische, die zugekauft sind. Die Forellenzucht wurde 2016 dafür sogar von der Branchenzeitschrift Fischmagazin mit dem „Seafood Star“ für das beste mobile Fischfachgeschäft ausgezeichnet.
Ursprünglich betrieb die Familie Fischerei am Main
Peter Grimm führt das Unternehmen nicht alleine. Mit dabei sind seine Schwester Monika Nolda, ihr Mann Reinhard Nolda und ihr Sohn Markus. Angefangen hat in Erlenfurt alles 1963. Sein Vater war eigentlich Mainfischer in Aschaffenburg, aber die Erträge gingen durch den Ausbau des Mains nach dem Krieg zurück. Mit einem Kompagnon begann Vater Grimm zunächst mit einer kleinen Anlage in Sulzbach bei Aschaffenburg. Die konnte aber keine zwei Familien ernähren, weswegen er nach Erlenfurt kam, wo sich durch die Hafenlohr ideale Bedingungen vorfinden. Peter Grimm ist heilfroh, dass das Hafenlohrtal nie gestaut wurde. Das wäre das Ende des Betriebs gewesen.