Kein allzu leichtes Unterfangen, vor allem für die kleinen Metzgerei-Betriebe, wenn man die Vorschriften einmal genauer unter die Lupe nimmt. Denn die einzelnen Schlachtvorgänge, also das Schlachten, Zerlegen und Weiterverarbeiten, müssen mit Inkrafttreten der neuen EU-Verordnung getrennt erfolgen. Was aber, wenn Platz und Geld für einen Anbau einfach nicht vorhanden sind? Direktvermarkter und Metzgermeister Christoph Schreiber aus Wohnrod muss beispielsweise eine so genannte Hygieneschleuse einbauen, will er auch im Jahr 2010 auf seinem Hof schlachten. „Was wäre die Alternative? Soll ich die Tiere nach Würzburg fahren und dort schlachten lassen? Wo bleibt da die Nähe zum Verbraucher?“, fragt Schreiber.
„In manchen Fällen ist es nicht verkehrt, dass Abläufe überprüft wurden“
Dr. Franz Arand, Staatliches Veterinäramt
Sachgebietsleiter Dr. Franz Arand vom Staatlichen Veterinäramt für den Landkreis Main-Spessart hat Verständnis für den Ärger der Metzger: „Es tut mir leid, wenn ein Betrieb schließen muss.“ Allerdings sieht er auch die positiven Seiten der neuen Richtlinien. „Es ist in manchen Fällen sicher nicht verkehrt, dass die Abläufe einmal eingehend überprüft wurden.“ Er und seine Kollegen haben in den letzten Wochen und Monaten alle 37 Betriebe, die im Landkreis Main-Spessart für eine Zulassung in Frage kommen, genau unter die Lupe genommen. Und dabei zum Teil erhebliche Mängel festgestellt.
Die Konsequenz: 13 der 37 Betriebe bekommen nach dem jetzigen Stand keine EU-Zulassung. Das sind immerhin ein Drittel aller Betriebe im Landkreis. Bislang halten nur zwei Metzgereien ihre Zulassung in Händen. Andere rechnen in den nächsten Wochen und Monaten mit einem positiven Bescheid von der Regierung von Unterfranken, die die endgültige Entscheidung über die Vergabe trifft.
Christoph Schreiber steht noch ganz am Anfang des Zulassungsverfahrens. Der 30-jährige Metzgermeister brütet derzeit über seinen Umbauplänen. Er muss einen Teil seines Kuhstalls für eine Umkleide mit Hygieneschleuse und einen Konfiskatraum, in dem künftig seine Schlachtabfälle gekühlt werden, opfern. Schreiber ist ein Direktvermarkter. Die Rinder, die er schlachtet und weiterverarbeitet, stammen aus dem eigenen Stall. Zwei bis drei Stück Vieh schlachtet er pro Woche. Sein Fleisch und seine Wurst verkauft er auf Bauernmärkten oder direkt vom Hof weg.
Bekäme der 30-Jährige keine Zulassung, stünde er vor den Trümmern seiner Existenz. „Dann müsste ich die ganze Landwirtschaft aufgeben und wäre arbeitslos“, macht der Vater von vier Töchtern den Ernst seiner Lage deutlich. Also bleibt Schreiber nichts anderes übrig, als zähneknirschend umzubauen. 10 000 Euro werden dafür insgesamt fällig. „Aber auch nur mit ganz viel Eigenleistung“, sagt der 30-Jährige. 10 000 Euro für Maßnahmen von deren Notwendigkeit er nur teilweise überzeugt ist. „Ich habe in einem Betrieb gelernt, in dem Hygiene immer an erster Stelle stand. Außerdem steht mein Name auf den Produkten, würde ich nicht sauber arbeiten, mache ich mich doch selber kaputt.“
Aber Dr. Franz Arand und seine Mitarbeiter vom Veterinäramt haben während ihrer Besuche in den verschiedenen Metzgereien des Landkreises auch ganz andere Erfahrungen gesammelt. „Bei manchen Betrieben war es an der Zeit, dass etwas passiert. Daher muss man diese Entwicklung als Chance nehmen. Schließlich werden die Anforderungen seit Jahren immer höher.“
Metzgermeister Norbert Lutz aus Langenprozelten hat die Entwicklung frühzeitig erkannt und seinen Betrieb schon 2002 renoviert. Davon profitiert der 40-Jährige jetzt. Seine EU-Zulassung ist auf dem Weg. Auch er war anfangs skeptisch, was die neuen Vorschriften anbelangt. Vor allem der Papierkrieg schreckte ihn ab. Die Dokumente, die er für seinen Antrag ausfüllen musste, füllen einen dicken Ordner. „Das war für mich schon eine Umstellung. Aber inzwischen kann ich dem Ganzen etwas Positives abgewinnen.“
„Man bekommt ein ganz anderes Empfinden für die Hygiene“
Norbert Lutz, Metzgermeister
Vor allem was die Hygiene und den Tierschutz anbelangt, hat sich Lutz inzwischen für die Brüsseler Richtlinien erwärmt, auch wenn das für ihn und die rund 20 Mitarbeiter in seinem Betrieb einen zusätzlichen Aufwand bedeutet. Sie müssen jetzt alle möglichen Arbeitsschritte in Listen eintragen, um eine lückenlose Dokumentation zu gewährleisten. Lutz muss Abklatschproben von den Wänden in seiner Schlachterei nehmen und sie auf Keime untersuchen lassen. „Man bekommt ein ganz anderes Empfinden für die Hygiene“, findet er. Der Langenprozeltener ist froh, dass jetzt einmal reiner Tisch gemacht wird. Gleichsam bedauert er die Kollegen, die gute Arbeit leisten, aber durch die neuen Vorschriften aufgeben müssen. Lutz fürchtet sogar um den Fortbestand des Handwerks, wenn der Druck auf die Metzger weiter wächst. „Ich denke, dass in Zukunft noch einige Metzger zumachen werden.“
Stichwort
Die Hygiene-Verordnung Das Hygienepaket der Europäischen Union umfasst mehrere Bereiche und betrifft alle Unternehmen, die mit Lebensmitteln zu tun haben – vom Großhändler bis zum Kioskbesitzer und damit auch die Metzgereien und Schlachtereien. Bisher brauchten nur große Schlachtereien, die ihr Fleisch international vermarkten, eine Zulassung der EU. Seit dem 1. Januar 2006 benötigen diese nun alle Betriebe. Die Übergangsfrist endet am 31. Dezember 2009, spätestens dann müssen auch die kleinen Metzgereien eine EU-Zulassung haben.