Hunderte Millionen Euro will ein ehemaliger Geschäftsführer in Main-Spessart investieren. Das Problem: Das Geld dazu hat der Mann, der im Landkreis lebt, bislang nicht. Ob er es je bekommen wird, ist gänzlich ungewiss.
Er hat Ideen. Ein Parkhaus, ein Skaterplatz, ein neues Jugendzentrum sollen der Stadt Lohr zu mehr Anziehungskraft verhelfen. Auch in die Stadthalle und einen Kletterpark will er Geld aus undurchsichtigen Quellen investieren.
Ähnliche Pläne hat der 77-jährige Harald B. (Name von der Redaktion geändert) für Marktheidenfeld. Bisher wurde jedoch keines seiner Immobilien-Projekte realisiert. Damit konfrontiert, bestreitet er, überhaupt jemals ein Bauvorhaben in Landkreis Main-Spessart angestoßen zu haben.
Denn "als Bauvorhaben bezeichnet man entweder ein konkret in Bau befindliches Bauwerk oder aber die Planung eines konkreten Bauwerks", schreibt der Mann auf Anfrage der Redaktion. In Gesprächen bittet Harald B. mehrmals um Verständnis dafür, dass die Details seiner Vorhaben geheim bleiben müssten.
77-Jähriger bestreitet Vorwürfe ehemaliger Geschäftspartner aus Main-Spessart
Mit vollmundigen Versprechungen stößt Harald B. bei Bürgermeistern, Planungsbüros, Maklern und Grundstückseigentümern im Landkreis Main-Spessart und darüber hinaus auf offene Ohren. Doch viele Menschen ließ er enttäuscht zurück, manche erlitten finanzielle Schäden. Harald B. bestreitet auch das.
Gerichtsurteile zeigen jedoch, dass er mit seinen Versprechen bereits andernorts Menschen um Teile ihres Vermögens gebracht hat. In Gesprächen mit dieser Redaktion beschuldigen auch mehrere frühere Geschäftspartner den 77-Jährigen, ein Hochstapler zu sein. Sie wollen namentlich nicht genannt werden.
Harald B. hat offenbar Wohnungen für 300 Millionen Euro planen lassen
Bevor der 77-Jährige in Ruhestand ging, war er Geschäftsführer mehrerer Firmen. Er sei als großspurig und visionär bekannt gewesen, sagen frühere Geschäftspartner über Harald B.. Das hat auch der Architekt Bernd Müller aus Rothenfels (Lkr. Main-Spessart) erlebt. Das Vertrauen in die Worte von Harald B. hat ihn eigenen Angaben zufolge mehr als 20.000 Euro gekostet.
"Es war ihm immer wichtig, in Lohr zu investieren."
Architekt Bernd Müller über den ehemaligen Geschäftsführer
Der Architekt und Harald B. entwickelten gemeinsam Projektideen: Für das Areal eines Campingplatzes in Lohr skizzierte Müller eine exklusive Wohnsiedlung direkt am Main, mit privaten Bootsanlegern. Am Bahnhof soll ein moderner Gebäudekomplex entstehen, der Wohnen, Arbeiten und Parken vereint – geschätzte Kosten: 300 Millionen Euro.
"Es war ihm immer wichtig, in Lohr zu investieren", sagt Müller rückblickend über Harald B.. Ihm zufolge habe der 77-Jährige die Stadt voranbringen wollen. Im November 2020 stellten der Architekt und der vermeintliche Geldgeber die Projekte beim Lohrer Bürgermeister Mario Paul vor.
Dieser will sich trotz mehrmaliger Anfragen dieser Redaktion nicht zu den Inhalten des Gesprächs äußern. Harald B. teilt mit: "In beiden Gesprächen sind wir so verblieben, dass wir zunächst abwarten, bis die Geldmittel zur Verfügung stehen, um dann zu entscheiden, wie man in Bezug auf die Projektentwicklung weiter agiert." Auch diese Pläne wurden bisher also nicht realisiert.
Harald B. bestreitet, dass Ideen für Konzepte von ihm stammen
Im selben Jahr präsentierten Harald B. und Müller auch bei Marktheidenfelds Bürgermeister Thomas Stamm Skizzen von Bauvorhaben – zur Entwicklung eines innerstädtischen Areals rund um das frühere Lermann-Kaufhaus. "Die Ideen waren nicht absurd, sondern durchaus interessant", sagt Stamm im Rückblick. Harald B. sagt, die Idee zu dem Konzept stamme nicht von ihm.

"Ich höre mir grundsätzlich an, wenn jemand Ideen für unsere Stadt hat", sagt der Bürgermeister. Er sei jedoch skeptisch gewesen und die Verhandlungen mit einem anderen Investor seien schon sehr weit fortgeschritten. Ein weiteres Beispiel für Pläne, die nicht realisiert wurden.
Architekt hat selten Kunden, für die Geld scheinbar keine Rolle spielt
Architekt Müller fühlt sich betrogen. Er wird Harald B. vor Gericht wiedersehen, weil dieser seine Rechnungen nicht bezahlt. Müller beschreibt den ehemaligen Geschäftsführer als "sehr überzeugend und charismatisch". Harald B. könne "Menschen für seine Ideen vereinnahmen". Es habe den Architekten gereizt, einen Kunden zu haben, für den Geld scheinbar keine Rolle spielt, gibt Müller zu. So etwas gebe es sehr selten.
Auch andere potenzielle Geschäftspartner nehmen Harald B. ab, zahlungskräftig zu sein. Einem Immobilienverwalter aus dem Landkreis Main-Spessart zufolge bot Harald B. eine "horrende Summe" für ein Haus mit mehreren Mietwohnungen, das eigentlich gar nicht zum Verkauf stand. Der Eigentümer kündigte den Mieterinnen und Mietern in Erwartung des Verkaufs. Zwei Jahre später platzte auch dieser Deal.
Harald B. schildert gegenüber dieser Redaktion, er habe das Haus lediglich besichtigt, zu konkreten Vertragsverhandlungen sei es aber nicht gekommen. Der Architekt Bernd Müller sagt über Harald B.: "Dem Mann scheint es egal zu sein, dass er mit seinem Geschäftsgebaren Existenzen zerstört."
Finanzierung über angebliche Geschäfte mit DDR-Mark-Bargeld geplant
Harald B. stand bereits mehrfach wegen Betrugs vor Gericht. Wie aus einem Urteil des Amtsgerichts Fulda hervorgeht, erzählt er mindestens seit dem Frühjahr 2012 immer wieder fast dieselbe Geschichte.
Es ist eine Geschichte darüber, wie er bald zu unfassbar viel Geld kommen werde. In einem Urteil des Amtsgerichts Fulda heißt es, der Angeklagte berichtete "von Geschäften, die den Transport von DDR-Mark-Bargeld aus Fernost in die Schweiz zum Gegenstand haben". Der Abschluss der Geschäfte sei "demnächst" zu erwarten. Der Geldtransfer sei wegen eines Geschäftsmanns aus Ägypten ins Stocken geraten, der "im Ausland von Behörden festgesetzt" worden sei – so steht es im Gerichtsurteil aus Fulda.
Gegenüber der Redaktion sagt Harald B.: "Ich habe Kenntnis darüber, dass es noch alte DDR-Mark-Bestände gibt, die eingelagert sind und in der Schweiz über Securityhäuser eingelöst werden können. Diese Geldbestände gehören mir nicht und meine Zahlungsfähigkeit hat damit nichts zu tun."
Mit geliehenen Oberklassefahrzeugen ist Harald B. zu Terminen vorgefahren
Im Jahr 2019 verurteilte das Amtsgericht Fulda Harald B. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Er hatte eine Firma in Hessen damit beauftragt, zwei Wintergärten für Penthousewohnungen zu planen. Als die Pläne fertig waren, unterschrieb er den Auftrag nicht.
Aus dem Urteil geht hervor, dass sich Harald B. damals in einer "desolaten finanziellen Situation" befunden hat. Er habe trotzdem den "äußeren Anschein eines soliden, seriösen Geschäftsmanns" erwecken wollen und sei zu Besprechungen mit "hochwertigen Oberklassefahrzeugen" vorgefahren – geliehen von einem Bekannten.
Amtsgericht Gemünden kann keine betrügerische Absicht erkennen
Mitte Juli bekräftigte der 77-Jährige im Gerichtssaal in Gemünden (Lkr. Main-Spessart) erneut, dass viele Millionen Euro investiert würden – sobald der Geldtransfer abgewickelt sei. Planungen für Bauvorhaben habe er bei Bernd Müller jedoch nicht in Auftrag gegeben.
Im Polohemd und mit Turnschuhen, gelassen und um keine Antwort auf die Fragen des Gerichts verlegen, trug Harald B. vor, was er wohl zuvor schon etliche Male vorgetragen hat: Es sei nur eine Frage der Zeit, bis Projekte in Marktheidenfeld, Lohr und anderen Gemeinden im Landkreis Main-Spessart starten könnten.
Die Richterin am Amtsgericht Gemünden sprach den Angeklagten frei. Das Urteil ist rechtskräftig. Eine betrügerische Absicht zum Schaden von Bernd Müller konnte das Gericht nicht erkennen. "Man kommt zu dem Ergebnis", sagt die Richterin, "dass der Angeklagte an seine Geschichte glaubt."