Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten

Karlstadt: Geschichte des Zeitungswesens: Die Lohrer Zeitung als täglicher Begleiter durch das Jahrhundert

Karlstadt

Geschichte des Zeitungswesens: Die Lohrer Zeitung als täglicher Begleiter durch das Jahrhundert

    • |
    • |
    Die Lohrer Zeitung vom 28. Februar 1933 mit der Schlagzeile "Der Reichstag brennt".
    Die Lohrer Zeitung vom 28. Februar 1933 mit der Schlagzeile "Der Reichstag brennt". Foto: Wolfgang Dehm

    Ein erstes Anzeigeblatt wurde in Lohr schon im Jahr 1850 herausgegeben. Ab 20. Juni erschien zweimal wöchentlich ein "Anzeige-Blatt für Lohr und Umgebung". Herausgeber war Georg Gentil aus Aschaffenburg. Im Mittelpunkt standen damals amtliche Bekanntmachungen und private Anzeigen. Ab Januar 1858 nannte es sich "Lohrer Anzeiger, Lokal-Amtsblatt der königl. Landgerichte Gemünden, Karlstadt, Lohr, Marktheidenfeld, Orb, Rothenfels, Stadtprozelten". Im Lauf der Jahrzehnte wurde das Format immer größer.

    Der redaktionelle Lokal- und Regionalteil und das Weltgeschehen wurden in äußerster Kürze abgehandelt. Schlagzeilen gab es nicht. Die Nachrichten wurden ohne eigene Überschriften einfach aneinander gehängt, lediglich durch Absätze getrennt. Nur selten wurde der Leser durch ein fett oder gesperrt gedrucktes Wort auf eine besonders wichtige Meldung aufmerksam gemacht.

    So erfuhr man über offizielle und Inkognito-Aufenthalte der bayerischen Könige in Lohr oder dass Ihre Majestät Kaiserin Elisabeth von Österreich auf der Rückreise von einer Kur in Bad Kissingen nach Wien "geruhten in hiesigem Bahnhofe Aufenthalt zu nehmen". 1885 übernahm Ernest Distler, seit 1865 Redakteur und Verlags-Geschäftsführer die Druckerei und den Verlag des "Lohrer Anzeiger"

    Der Sitz der Lohrer Zeitung seit 1883 an der Ecke Färbergasse.
    Der Sitz der Lohrer Zeitung seit 1883 an der Ecke Färbergasse. Foto: Rita Greß

    Parallel dazu kam die "Lohrer Zeitung" (LZ) auf den Markt. 1878 hatte Carl Keller zusammen mit seinem Bruder Josef die Buchdruckerei C. Keller gegründet. Mit zunächst 500 Abonnenten ließ er fünf Jahre später seine "Lohrer Zeitung" erscheinen. 1888 wurde erstmals das Bild der Lohrer Stadtansicht mit der Mainbrücke in den Zeitungskopf aufgenommen. Es prägte fast 100 Jahre mit Abwandlungen und mit kurzen Unterbrechungen (zum Beispiel im 2. Weltkrieg) das äußere Erscheinungsbild des Blattes. Verlag und Druckerei wechselten in den ersten Jahren mehrfach das Domizil, bis Carl Keller 1883 das 1878 errichtete Haus an der Ecke der Färbergasse zu dem nach ihm benannten "Kellers-Rempel" erwerben konnte, das er für seine Zwecke umbaute.

    Carl Keller, Gründer der Lohrer Zeitung.
    Carl Keller, Gründer der Lohrer Zeitung. Foto: Repro Karl Anderlohr

    Die neue Konkurrenz machte dem "Lohrer Anzeiger" bald zu schaffen. Das Verhältnis zwischen den beiden Presseorganen in Lohr war zumindest zeitweilig nicht gerade freundschaftlich. Man kommentierte Fehler des jeweils anderen mit einer gewissen Häme. Dabei hatte der "Anzeiger" als Amtsblatt das Bezirksamt auf seiner Seite. Dort wurde die "Lohrer Zeitung" genau beobachtet. Man sammelte kritische Leitartikel, die allerdings nicht in der Lohrer Redaktion entstanden waren, sondern von Korrespondenten stammten, hauptsächlich in München, aus denen der Bezirksamtmann eine "stark sozialdemokratische" Richtung der Zeitung zu erkennen glaubte.

    Schließlich bot ein Leitartikel, in dem die überzogene Rüstungspolitik des Deutschen Reiches für die "sociale Frage" mitverantwortlich gemacht wurde, den Anlass für ein Verbot der LZ durch die Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg aufgrund des Sozialistengesetzes vom 21. Oktober 1878. Doch Carl Keller machte sich eine Gesetzeslücke zunutze: Ab 8. März 1884 erhielten die Abonnenten der LZ die Nummer 1 der "Neuesten Nachrichten". Damit umging Keller das Verbot. Er legte auch sofort Beschwerde ein und hatte damit Erfolg. Die zuständige Reichskommission erklärte nach eingehender Prüfung, das Verbot sei gesetzlich nicht haltbar und müsse aufgehoben werden. Am 14. Juni 1884 kündigte Keller das Wiedererscheinen der "Lohrer Zeitung" an. Den Vorwurf, er fördere "sozialdemokratische Bestrebungen", wies er entschieden zurück.

    Beispiel für eine Anzeige in der Lohrer Zeitung.
    Beispiel für eine Anzeige in der Lohrer Zeitung. Foto: Lohrer Zeitung

    Im Juli 1913 übernahm Friedl Keller, der Sohn des Gründers, 1883 in Lohr geboren, die Zeitung. Er führte sie auch weiter, nachdem er aus dem Kriegsdienst im 1. Weltkrieg zurückgekommen war. Carl Keller, der hart gearbeitet hatte, um seine Zeitung zu behaupten, starb 1919. Friedl Keller widmete der Zeitung seine ganze Lebensarbeit. Unterstützt wurde er durch seinen Onkel Josef, den Bruder seines Vaters, der bis ins hohe Alter in der Redaktion mitarbeitete. Er starb im Alter von 94 im Jahr 1940.

    Die LZ hatte den Ersten Weltkrieg und das Kaiserreich überlebt, als am 7. April 1919 eine Abteilung Militär aus der Würzburger Garnison in Lohr eintraf, um die Räterepublik zu unterstützen, die ein "Aktionsausschuß des revolutionären Proletariats" hier ausgerufen hatte. Die Revolutionäre besetzten die Redaktionen der Lohrer Zeitung und des Lohrer Anzeigers, den 1918 der Heimatdichter Nikolaus Fey übernommen hatte, und stellten sie unter Zensur. Trotzdem veröffentlichte die LZ am 9. April 1919 einen gemeinsam von allen demokratischen Kräften in der Stadt unterzeichneten Aufruf, sich hinter den gewählten Landtag und die Regierung Hoffmann (SPD) zu stellen, die von München nach Bamberg geflüchtet war. Daraufhin gaben die Revolutionäre auf. Die Lohrer Räterepublik war nach wenigen Tagen am Ende.

    Diese Meldung aus Würzburg, die der Lohrer Anzeiger und die Lohrer Zeitung noch am selben Tag veröffentlichten, veranlasste zusammen mit Flugblättern der Regierungstruppen auch die Lohrer Vertreter der Räterepublik zum Aufgeben
    Diese Meldung aus Würzburg, die der Lohrer Anzeiger und die Lohrer Zeitung noch am selben Tag veröffentlichten, veranlasste zusammen mit Flugblättern der Regierungstruppen auch die Lohrer Vertreter der Räterepublik zum Aufgeben Foto: Repro Karl Anderlohr

    In den folgenden Jahren fand die Lohrer Zeitung immer größere Verbreitung. Der Anzeiger geriet infolge der Inflation und der Wirtschaftskrise in Schwierigkeiten und war nicht mehr zu halten. Am 1. August 1922 erwarb Friedl Keller in freundschaftlichen Verhandlungen die Verlagsrechte des Anzeigers, der in der Lohrer Zeitung aufging, und damit auch dessen Archiv.

    Ein Anzeige in der Lohrer Zeitung.
    Ein Anzeige in der Lohrer Zeitung. Foto: Lohrer Zeitung

    Gleichschaltung

    Weniger spektakulär, aber umso nachdrücklicher vollzog sich 1933 nach der "Machtergreifung" durch die Nationalsozialisten die Gleichschaltung der Presse. Bis dahin hatte die LZ noch deutlich gemacht, dass von den Nazis wenig Gutes zu erwarten ist, aber in kürzester Zeit hatte Reichspropagandaminister Joseph Goebbels das Pressewesen im Griff.

    Im überörtlichen Teil brauchte man nur die Pressedienste "gleichzuschalten", auf die alle Zeitungen angewiesen waren. In den Lokalteilen sorgte die Zensur durch örtliche und überörtliche Stellen der Partei und der Behörden rasch dafür, dass nur noch erscheinen konnte, was den braunen Machthabern genehm war. Nur besonders aufmerksame Leser konnten in den folgenden Jahren gelegentlich zwischen den Zeilen lesen, dass die Redaktion durchaus nicht mit allem einverstanden war, was man sie zwang, ihren Lesern zuzumuten.

    Das Schicksal des "Tageblatts"

    Dass Widerstand zwecklos war, erfuhr das "Tageblatt für Spessart und Frankenland", das 1933 in Lohr mit einer ausdrücklich christlich-konservativen Grundhaltung gegründet wurde und aus seiner Abneigung gegen die Nazis keinen Hehl machte. Dafür wurde das Blatt zunächst verboten und als es schließlich doch wieder erschien, war es ebenso "gleichgeschaltet" wie alle anderen. Wenige Monate nach dem ersten Erscheinen musste es ganz aufgeben.

    Auch die Lohrer Zeitung hatte es nicht leicht, sich gegen die Vereinnahmung durch den NS-Parteiverlag und die Konkurrenz der Parteizeitungen zu behaupten. Das Impressum nennt in diesen Jahren offiziell mehrere "Hauptschriftleiter", die der Partei und den Behörden gegenüber für die "Linientreue" der Zeitung verantwortlich waren. In der Praxis leitete nach wie vor Friedl Keller die Redaktion. Ab 1937 wurde er dabei von dem jungen Redakteur Gerhard Böhnhardt unterstützt, der aus dem niedersächsischen Einbeck nach Lohr gekommen war.

    Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs verschärfte sich die Zensur. Selbst die Veröffentlichung von Todesanzeigen für Gefallene unterlag nach der militärischen Katastrophe von Stalingrad strengen Reglementierungen und wurde schließlich ganz verboten. Den Lesern wären sonst möglicherweise Zweifel an den Siegesmeldungen gekommen, die nach wie vor die Schlagzeilen beherrschten. Über den schweren Luftangriff, der am 16. März 1945 Würzburg im Schutt und Asche legte, bekamen die Lohrer in ihrer Zeitung nur einen Satz zu lesen: "In der Nacht waren Nürnberg und Würzburg das Ziel britischer Terrorangriffe."

    Am 31. März 1945, als amerikanische Panzer schon im Spessart standen, erschien die Lohrer Zeitung zum vorerst letzten Mal, immer noch mit Durchhalteparolen: "Und dennoch! Wir glauben! Wir kämpfen! Wir arbeiten!" und "Erfolgreicher Gegenangriff südöstlich Aschaffenburg".

    Nach dem amerikanischen Einmarsch an Ostern 1945 wurde die LZ wie alle anderen Zeitungen durch die Militärregierung verboten. Stattdessen erschienen in unregelmäßigen Abständen und in den unterschiedlichsten Formaten (Papier war Mangelware) Mitteilungen mit amtlichen Bekanntmachungen, privaten Anzeigen, aber auch kurzen Lokalnachrichten. Die "Lohrer Zeitung" durfte erst 1949 wieder erscheinen. In der Zwischenzeit hatten sich aber die von den Besatzungsmächten lizensierten Zeitungen bereits fest etabliert. Die LZ konnte nur noch einen Teil ihrer einstigen Leserschaft zurückgewinnen.

    Die Redaktion übernahm wieder Friedl Keller, unterstützt von Gerhard Böhnhardt, der nach Kellers Tod am 13. August 1960 seine Nachfolge antrat. Hans Nestmeier war als Freier Mitarbeiter sowohl für die Main-Post wie für die Lohrer Zeitung tätig. Auch das „Volksblatt“ hatte mit Otto Madre einen fest angestellten Redakteur

    Karl Anderlohr als junger Redakteur.
    Karl Anderlohr als junger Redakteur. Foto: Foto Main-Post

    Bei der Main-Post hatte auch Karl Anderlohr sein journalistisches Handwerk gelernt, der 1976 in die Redaktion der LZ eintrat und sie im Dezember des selben Jahres verantwortlich übernahm. Der überörtliche Teil wurde in der Nachkriegszeit von Gemeinschaftsredaktionen gestaltet, zuächst in Frankfurt, später in Nürnberg und Würzburg, schließlich gemeinsam in einer Redaktions- und Druckgemeinschaft mit der "Kitzinger Zeitung". Dass der Schwerpunkt auf dem Lokalteil lag, wurde dadurch unterstrichen, dass das Lokalgeschehen ab 1981 auf die erste Seite wanderte.

    Der Einsatz aller an der redaktionellen und technischen Herstellung Beteiligten ging jedoch allmählich weit über das hinaus, was Tarife festlegen und manchmal hart an die Grenzen der physischen Belastbarkeit. Zunehmend stellte sich die Frage, wie lange ein solches Arbeitspensum überhaupt durchzuhalten war - ganz abgesehen von der Wirtschaftlichkeit.

    Juliane Sommer geb. Keller, die letzte Inhaberin, entschloss sich schließlich 1993, die Lohrer Zeitung an die Mainpresse-Zeitungsgesellschaft zu verkaufen. Ab 1. September 1993 erschien sie zwar mit neuer Gestaltung aber noch für einige Monate unter dem seitherigen Titel und mit dem vertrauten Kopf, bis auch der aus Zeit- und Kostengründen aufgegeben wurde und die LZ endgültig in der Main-Post aufging.

    Die gebundenen Jahrgänge des Lohrer Anzeigers seit 1850 und der Lohrer Zeitung ab 1883 sowie des kurzlebigen "Tageblatts" befinden sich im Lohrer Stadtarchiv. Sie dokumentieren anderthalb Jahrhunderte Lohrer Stadtgeschichte im Spiegel der hier erschienenen Zeitungen.

    Zeitungen in der Region und ihre Geschichte"Karlstadter Zeitung": Gegründet 1882 als "Fränkisches Wochenblatt", ab 1900 "Karlstadter Zeitung" von Jean Dietz. Das Druckhaus stand in der Karlstadter Hauptstraße, Ecke Färbergasse. 1919 übernahm Oswald Dix. 1942 wurde die "Karlstadter Zeitung" eingestellt. Wiedererscheinen nach dem Krieg im November 1949 bis Silvester 1969. Letzter Redakteur war Hanns Meder."Marktheidenfelder Bote": Im Jahr 1880 von Heinrich Eisenacher gegründet und 1883 von Balthasar Dürr übernommen. 1910 erschien als weitere Zeitung das "Marktheidenfelder Tagblatt", das von Hubert Väth herausgegeben wurde. Er übernahm 1919 den "Marktheidenfelder Boten" und führte diesen bis 1945 fort.Lokalanzeiger Gemünden: Gegründet von Georg Heinrich Hofmann im September 1896. 1903 erwarb Georg Heinrich Hofmann das heutige Anwesen Bahnhofstraße 27 und errichtete 1904 ein neues Wohnhaus mit Druckereigebäude. Bis 1940 erschien der Gemündener Anzeiger regelmäßig. An ihn knüpfte weniger umfangreich 1949 das „Gemündener Anzeigenblatt für die Stadt und den Landkreis Gemünden a. Main“ bis zur Gebietsreform an.Werntal-Zeitung: Gegründet von Georg Joseph Scholl in Arnstein im Jahr 1878 als "Wernthal-Zeitung". Alois Echinger übernahm 1886 die Werntal-Zeitung und kaufte von der Stadt das "Armenhaus" in der Marktstraße 1 auf. Dort errichtete er um die Jahrhundertwende das heute noch bestehende Betriebsgebäude am gleichen Platz.(gi/bs)

    Zum Autor: Karl Anderlohr war viele Jahre Redakteur der Lohrer Zeitung und der Main-Post und Vorsitzender des Geschichts- und Museumsvereins Lohr.

    Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter https://www.mainpost.de/dossier/geschichte-der-region-main-spessart

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden