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Lengfurt/Rettersheim: Giftmorde Anfang der 1970er: Erst den Vater, dann den Schwiegervater vergiftet

Lengfurt/Rettersheim

Giftmorde Anfang der 1970er: Erst den Vater, dann den Schwiegervater vergiftet

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    Giftmorde im Raum Marktheidenfeld: Eine junge Frau hat ihren Vater und ihren Schwiegervater mit einem Pflanzenschutzmittel vergiftet.
    Giftmorde im Raum Marktheidenfeld: Eine junge Frau hat ihren Vater und ihren Schwiegervater mit einem Pflanzenschutzmittel vergiftet. Foto: Martin Schutt / dpa

    Was für eine Geschichte. Fünf Tage vor der geplanten Hochzeit einer jungen Frau aus Lengfurt im Juli 1973 starb plötzlich der künftige Schwiegervater aus Rettersheim. Ihm waren anonym Pralinen geschickt worden, die mit Gift präpariert waren. Da erinnerte man sich daran, dass im November 1971 auch ihr Vater unter merkwürdigen Umständen gestorben war. Damals war Herzinfarkt als Ursache angenommen worden. Bei der Exhumierung der Leiche wurden Giftrückstände gefunden. Vor 50 Jahren, im Oktober 1974, stand die 26-jährige Zahnarzthelferin vor Gericht.

    Im Januar 1974 standen laut Main-Post nicht nur die Ermittlungen gegen sie kurz vor dem Abschluss, sondern die Beschuldigte war auch kurz davor, ein Kind auf die Welt zu bringen. Noch bevor die Untersuchung des Leichnams ihres Vaters abgeschlossen war, soll die Zahnarzthelferin unter Tränen gestanden haben, auch diesen getötet zu haben. Am Buß- und Bettag im November 1971 hatte sie in das Getränk des Vaters etwas Pflanzenschutzmittel E605 aus einem Fläschchen in der Garage geschüttet.

    Eine zuvor ebenfalls anonym verschickte Testpackung war einwandfrei gewesen

    Ihr künftiger Schwiegervater hatte zwei Wochen vor seinem Tod schon einmal Pralinen per Post bekommen, ebenfalls anonym. Der Empfänger und mehrere Familienangehörige hatten sie ohne Folgen verzehrt. Offenbar war es ein Test. In der zweiten schmalen Schachtel lag an jedem Ende eine präparierte Praline der Marke "Kühle Schlückchen". Als Zahnarzthelferin hatte sie Zugang zu Spritzen, um sie unauffällig zu präparieren. Der 52-jährige Witwer vermutete, so die Polizei damals aufgrund von Zeugenaussagen, dass es sich beim anonymen Absender um eine ihm unbekannte Verehrerin handeln könnte.

    Der Mann erzählte Tünchnern, die in seinem Haus die Wohnung für das junge Paar renovierten, dass ihm anonym Pralinen geschickt worden waren. Eine davon sei ihm nicht gut bekommen, er habe fürchterliche Schmerzen. Eine halbe Stunde später war er tot. An der im Papierkorb gelandeten Schachtel mit den restlichen Pralinen fanden sich Spuren einer blauen Flüssigkeit.

    Der Vater hatte sie missbraucht, der Schwiegervater ihm angeblich ähnlich gesehen

    Was für ein Motiv könnte die junge Frau gehabt haben? Sie sagte aus, von ihrem Vater über Jahre hinweg sexuell missbraucht worden zu sein. Kurz vor der Erstkommunion habe er angefangen und dann nicht mehr damit aufgehört. Ihre Mutter sagte aus, sie habe davon nichts mitbekommen. Die junge Frau habe es schließlich nicht mehr ausgehalten. Den künftigen Schwiegervater wiederum habe sie aufgrund seiner Ähnlichkeit zum Vater getötet, auch wenn der Richter eine solche anhand von Fotos nicht erkennen konnte. Sie habe Angst gehabt, dass er ihr ebenfalls etwas antun könnte.

    Gutachter diagnostizierten der Angeklagten eine verminderte Zurechnungsfähigkeit, ausgelöst durch die jahrelangen sexuellen Missbrauch durch den Vater, der eine erhebliche Persönlichkeitsveränderung hervorgerufen haben sollen. Die Angeklagte habe alles in sich hineingefressen, da sie aus Angst und Scham über die Taten schwieg, und habe nach jahrelanger Belastung "überschüssig reagiert".

    14 Jahre Haft für den zweifachen Mord

    Während ihr Verlobter die Verlobung auflöste, fühlte sie sich noch immer mit ihm verbunden, schrieb die Angeklagte in Briefen aus der Untersuchungshaft. Sie bedaure das Leid, welches sie der Familie zugefügt hat.

    Im Oktober 1974 wurde die 26-Jährige wegen zweifachen Mordes zu 14 Jahren Freiheitsstrafe und Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt aufgrund von Wiederholungsgefahr verurteilt. Das Gericht argumentierte, dass die Morde heimtückisch begangen worden waren, strafmildernd wirkte sich aber die erhebliche Persönlichkeitsveränderung durch den jahrelangen sexuellen Missbrauch des Vaters aus.

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