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Halbe Altstadt stand unter Wasser

Karlstadt

Halbe Altstadt stand unter Wasser

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    In der Hofriethgasse verkehrten Schelche beim Hochwasser 1909. Einige Bewohner bauten sich Stege vor ihren Eingängen (rechts im Bild), auf dem sie trockenen Fußes standen.
    In der Hofriethgasse verkehrten Schelche beim Hochwasser 1909. Einige Bewohner bauten sich Stege vor ihren Eingängen (rechts im Bild), auf dem sie trockenen Fußes standen. Foto: Archiv Historischer verein

    Am 5. Februar stand der Nürnberger Markt rund zwei Meter unter Wasser. Vermutlich ahnten die Karlstadter nur, was da noch auf sie zukommen könnte. Am Nachmittag desselben Tages erreichte die Stadtverwaltung ein Telegramm des Flussbauamtes mit den aktuellen Wasserständen von Bischberg, Schweinfurt und Würzburg mit der Bemerkung, „dass dieses Hochwasser dem von 1845 gleich sein wird“.

    Die Flut erreichte in Karlstadt am 7. Februar ihren Höchststand. Mit dem Wasser trieben Vieh, Holzstämme, Bretter, Möbelstücke, Getreide und alles, was der Fluss mit sich riss, auf dem Main an Karlstadt vorbei. Ständig waren die Männer der Feuerwehr und die Fischer der Stadt mit ihren Booten in den überschwemmten Gassen unterwegs, um Hilfe zu leisten oder Anwohner mit Lebensmitteln und trockenen Decken zu versorgen. An diesem Tag reichte das Mainwasser „bis zur Einmündung der unteren Gassen in die Hauptstraße“.

    Was das bedeutete, bekam auch der Wirt des Gasthauses zum Deutschen Kaiser (heute: Pilsstube „Alt-Franken“, Hauptstraße 34) zu spüren. Die im Keller des Hauses gelagerten Bier- und Weinvorräte entsorgte er gleich mit dem ablaufenden Wasser. Die für diesen Verlust gezahlte Entschädigung war mit 50 Mark die höchste Summe, die die Stadt erstattete. Nicht anders erging es den Landwirten in den überschwemmten Häuser und Kellern.

    Während die Handwerker ihre Materialien und Werkzeuge und Maschinen noch rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten, mussten vor allem Kartoffeln und Futterrüben an Ort und Stelle verbleiben. Rund 300 Zentner Kartoffeln und knapp 100 Kilogramm Futterrüben begannen nach dem Abzug der Flut zu verfaulen und mussten entsorgt werden.

    Eine Entschädigung gab es auch für das Austünchen der Wohnung, der Reparatur von Kellertreppen, den Ersatz für verzogene Türen oder für den Austausch von Dielenböden in den Werkstätten. Insgesamt zahlte die Stadt bis Mai 1909 rund 1200 Mark an Entschädigungen für die Hochwasseropfer.

    In einer Liste der vom Hochwasser geschädigten Einwohner der Stadt vom 6. März 1909 sind 50 Familien aufgeführt, die nach einem Spendenaufruf, der den Betrag von 94,17 Mark einbrachte, eine Unterstützung zwischen 20 Pfennigen und zehn Mark erhielten.

    Entschädigungsbeiträge wurden ab 3. Mai entgegengenommen – allerdings nicht in bar. Die Hochwassergeschädigten mussten vorher ihre Schäden genau beschreiben und dann beheben lassen. Die über diese Arbeiten vorgelegten Rechnungen prüften die Mitarbeiter des Stadtkämmerers sorgfältig. Erst danach gab es grünes Licht für die Auszahlung. Genauso verfuhr die Stadt mit der Verteilung der eingenommenen Sammelgelder.

    Als das Wasser zurückgewich und mit dem abfließenden Wasser die Aufräumungsarbeiten in der Stadt begannen, veröffentlichte das Bezirksamt am 9. Februar einen umfangreichen Maßnahmenkatalog in dem es die sofortige Sicherstellung der in der Stadt angeschwemmten Gegenstände, deren Erfassung und die umgehende Sicherung gegen Diebstahl forderte.

    Danach sollte der Umfang der Wasserschäden festgestellt werden und alle in Not geratenen Personen die einer Unterstützung bedürfen, erfasst werden. Die Hausbesitzer wurden außerdem aufgefordert, an den Häusern und Mauern Hochwassermarken anzubringen.

    Gleichzeitig ließ die Stadt von ihrem Amtsdiener „ausschellen“, dass sich Besitzer von Grundstücken, die Treibgut geborgen hatten, dieses umgehend dem Amt zu melden haben, nicht ohne den Hinweis, dass eine Zuwiderhandlung strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde.

    Am 12. Februar erreicht die Stadt ein Schreiben der Pfirschinger Mineralwerke Kitzingen mit der Anfrage, ob in Karlstadt zwei graublaue Türen angeschwemmt worden seien, darunter ein Schiebetor mit der Größe von knapp dreimal 1,50 Meter. Noch am 17. April meldete sich bei der Stadt der Sägewerksbesitzer Carl Fleischmann aus Ochsenfurt: „Anlässlich des Hochwassers im Februar ist mir eine Menge Holz, bestehend in Blöcken, Bohlen usw, abgeschwemmt worden, wovon ein Teil in Karlstadt geländet worden ist.“ Nachdem sich kein weiterer Besitzer bei der Stadt meldete, durfte er sein Holz wieder nach Ochsenfurt zurückführen.

    Eine Reihe vom Maßnahmen sollte die Ausbreitung von Krankheiten verhindern. So wurden die Schachtbrunnen vollständig ausgepumpt und mit Ätzkalk desinfiziert. Die Abtrittgruben mussten geleert, auf ihre Dichtheit überprüft und ausgebessert werden. Nach der Entwässerung der Keller entfernte man den verbliebenen Schlamm und übergoss den Boden mit einer fünfprozentigen Karbolsäurelösung. Um die Kellerräume schneller zu trocknen, empfahl das Bezirksamt die Aufstellung von Koksöfen, verbunden mit der Lieferung der dazu notwendigen Kohle, allerdings nur bei Anwendung der entsprechenden Vorsicht. Bei der Verteilung und Verwendung der Kohle wurde vorsichtshalber angeordnet: „Die Kohlen sind zweckentsprechend zu verwenden und ja nicht zu veräußern.“

    Seit 100 Jahren gab es in Karlstadt kein Hochwasser von diesem Ausmaß. Darum ist der heute oft strapazierte Begriff „Jahrhundert-Hochwasser“ wohl gerechtfertigt. Seit den 1930er Jahren wurde dem Main seine ungebremste Ausbreitung genommen, das Flussbett kanalisiert und mit Staustufen versehen. Bisher ist diesen Um- und Ausbauten ein vergleichbares Hochwasser wie 1909 noch nicht zugemutet worden.

    Bleibt die Frage, wie der Fluss bei gleichen oder ähnlichen Wetterverhältnissen wie 1909 reagiert. Steigt das Wasser bis zur Hauptstraße oder noch weiter? Und lässt dann das zurückweichende Wasser nach vielen 100 Jahren wieder einen Fisch in der Stadtpfarrkirche zurück?

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