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Main-Spessart: Haustier-Boom belastet die Tierärzte: In Main-Spessart mangelt es vor allem an Personal für die Notdienste

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Haustier-Boom belastet die Tierärzte: In Main-Spessart mangelt es vor allem an Personal für die Notdienste

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    Die Erlenbacher Tierärztin Dr. Julia Deivel arbeitet etwa  45 bis 50 Stunden in der Woche. Hinzu kommen die Stunden vom Notdienst. Dieses Arbeitspensum ist nur ein Grund dafür, weshalb sich viele ihrer Kollegen für eine Stelle in der Forschung oder beim Amt entscheiden.
    Die Erlenbacher Tierärztin Dr. Julia Deivel arbeitet etwa  45 bis 50 Stunden in der Woche. Hinzu kommen die Stunden vom Notdienst. Dieses Arbeitspensum ist nur ein Grund dafür, weshalb sich viele ihrer Kollegen für eine Stelle in der Forschung oder beim Amt entscheiden. Foto: Alisia Öztürk

    Fast die Hälfte aller Haushalte in Deutschland besitzt ein Haustier, das zeigen Zahlen von Statista. Doch die ärztliche Versorgung kann schon seit Jahren nicht mehr mithalten. Es fehlen besonders Landtierärzte, die sich um Nutztiere wie Rinder oder Kühe kümmern. Aber auch bei der Versorgung von Haustieren kommen die niedergelassenen Tierärzte kaum hinterher. Laut Dr. Gudrun Hagmayer, Tierärztin und erste Vorsitzende des tierärztlichen Bezirksverbandes Unterfranken, wird der Mangel besonders nachts und am Wochenende deutlich. Tagsüber gebe es kaum Probleme bei der Versorgung.

    Fünfzig bis sechzig Wochenarbeitsstunden sind normal

    Dr. Julia Deivel aus Erlenbach spürt den Tierärztemangel seit Corona deutlich. Viele Menschen hätten sich in dieser Zeit ein Haustier angeschafft, wodurch sie neue Patienten dazubekommen habe. In den sieben Jahren, die sie in Erlenbach arbeitet, haben drei Praxen geschlossen und eine eröffnet, erzählt sie. Die meisten Ärztinnen und Ärzte würden aus Altersgründen schließen, jedoch oft ohne Nachfolger.

    Die Tierärztin erklärt sich den Mangel an niedergelassenen Ärzten in Deutschland unter anderem durch die große Verantwortung, die sie und ihre Kollegen tragen: "Wenn ein Notfall kommt, muss man schnell entscheiden. Oft arbeiten niedergelassene Tierärzte alleine, da kann man keinen nach Rat fragen." Hinzu komme das Arbeitspensum: "Früher habe ich 50 bis 60 Stunden in der Woche gearbeitet, heute 45 bis 50 Stunden. Die Arbeitsstunden vom Notdienst kommen da noch obendrauf." Auch Tierärztin Christine Werner aus Marktheidenfeld erzählt, dass sie ungefähr 60 Stunden in der Woche arbeitet.

    In der Tiermedizin arbeiten vor allem Frauen

    Ein Faktor, der zum Tierarztmangel beiträgt, ist auch die hohe Frauenquote. Denn laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft waren im Jahr 2022 von den im tierärztlichen Bereich tätigen Personen circa 70 Prozent Frauen. Auch Verbandsvorsitzende Dr. Hagmayer bestätigt, dass sich der Beruf zu einem von Frauen dominierten Feld gewandelt hat. Viele Ärztinnen würden nach ihrem Studium oder der Ausbildung eine Familie gründen.

    Doch da Frauen häufig noch immer einen Großteil der Kinderbetreuung und des Haushalts übernehmen, sei das schwierig mit dem Arbeitspensum zu vereinbaren. Deshalb entscheiden sich einige dann eher für eine Tätigkeit beim Amt oder in der Pharmaindustrie, meint Deivel. Die unflexiblen Arbeitszeiten sind laut Dr. Hagmayer ein weiterer Grund: "Es ist nötig, dass das Arbeitszeitgesetz flexibilisiert wird." Die Lösung könnte ihrer Meinung nach eine Festlegung einer maximalen Wochenarbeitszeit sein. Dadurch könnten die Tierärzte ihre Arbeitszeiten flexibler gestalten, was vor allem die Mütter in ihrem Beruf unterstützen würde.

    Nur wenige Tierärzte wollen den Notdienst übernehmen

    Dr. Deivel erklärt, dass sich das Arbeitspensum verbessert habe. Inzwischen müsse sie nur an einem Tag vom Wochenende den Notdienst übernehmen. Dadurch können sich allerdings für die Tierhalter weite Wege ergeben, da sich die Landkreise Würzburg, Kitzingen und Main-Spessart die Notversorgung teilen. Das bedeutet auch, dass nur eine Arztpraxis pro Tag für diese drei Landkreise zuständig ist. Daher können längere Wartezeiten entstehen, denn "ein Notfall ist meist nicht in drei Minuten erledigt", erzählt die Tierärztin.

    Ein Grund, warum so wenige Tiermediziner den Notdienst übernehmen, ist wohl, dass er freiwillig ist. Eine mögliche Lösung wäre, den Notdienst für alle praktischen Tierärzte verpflichtend zu machen. Auf Nachfrage erzählt Dr. Hagmayer, dass das aufgrund der aktuellen Rechtslage aber nicht möglich ist. Es gebe aktuell jedoch die Überlegung, diese Situation zu ändern.

    Rundum-Versorgung durch Tierkliniken fehlt

    In Zeiten von "Dr. Google" sind laut Dr. Hagmayer ein weiteres Problem die Tierhalter selbst. Diese seien viel unsicherer geworden, was sich durch das Googeln von Symptomen noch verstärke. Besonders Menschen, die sich erst kürzlich ein Haustier angeschafft haben, gingen daher oft vorschnell zum Notdienst. "Nicht jeder Durchfall ist ein Notfall", sagt Hagmayer. Deshalb ist auf der Website des Bezirksverbands Unterfranken zu lesen, wann es sich um einen Notfall handelt und wer wann zu erreichen ist.

    Außerdem betonen die Ärztinnen Deivel, Werner und Hagmayer, dass es an Tierkliniken mangle, besonders solchen, die eine Rundum-Versorgung anbieten. Viele Kliniken mussten wegen Personalmangels schließen und so sei es auch für die übrigen kaum möglich, eine "24/7-Versorgung" anzubieten. Besonders hier, meint Deivel, sei die Bezahlung sehr schlecht. Und das obwohl auch hier das Personal "oft nicht nach Dienst, sondern viel länger" arbeite.

    Ist eine Verbesserung in Sicht?

    In naher Zukunft erwarten die Ärztinnen keine Verbesserung, aber auch keine Verschlechterung der veterinärmedizinischen Versorgung in Main-Spessart. Durch die Nähe zu Aschaffenburg, Würzburg und Schweinfurt, wäre die Versorgung besser als in anderen Regionen, meint Werner. Um dem Mangel entgegenzuwirken, gebe es bereits Ansätze: Eine seit 2022 erhöhte Gebührenordnung und Bayerns "Zukunftskonzept Landtierärzte" mit einem Fünf-Punkte-Plan zur Verbesserung der Landtierärzteversorgung, darunter bessere Arbeitszeiten und eine Landestierärztequote für das Studium.

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