Ziemlich starken Tobak mutete der Münchner Kabarettist Helmut Schleich rund 300 Gästen in der Arnsteiner Stadthalle zu. Sein aktuelles Programm „Ehrlich!“ war hochbrisantes, politisches Kabarett vom Feinsten, das Lachmuskeln und Hirn gleichermaßen forderte – und gelegentlich auch überforderte.
Der ungemein wandlungsfähige Schleich braucht nicht viel, um von einem Augenblick zum anderen in eine neue Rolle zu schlüpfen. Ein weißer Schal mit Zylinder macht ihn zum Lebemann aus dem vergangenen Jahrhundert, ein Janker mit Hornbrille zu Franz-Josef Strauß und im dunklen Hemd an den Tisch gelümmelt ist er der sympathische Mehrfachmörder von nebenan.
Macht ehrlich sein Sinn? Wer will die Wahrheit wirklich hören? „Ehrlichkeit ist ein Minenfeld und kein Räumkommando weit und breit“, so die Botschaft gleich zu Beginn und die pragmatische, unerträglich ehrliche Lebensbeichte der „Bestie von Daddelbach“, die alles über den Haufen schießt, was ihr in die Quere kommt. Es zeigt sich, dass Lachen durchaus auch dazu dient, peinliche Ratlosigkeit zu überdecken. Will ich das wirklich wissen? Schleich bleibt gnadenlos.
Pfiffige Wortspielchen über den wohlbeleibten Vizekanzler Gabriel – „Dick und Doof, das waren doch früher Zwei!“ – derbe Vergleiche, bei denen Merkel und die EU-Kommission dem Türkischen Präsidenten Erdogan in den Schließmuskel kriechen, täuschen in bester Kabarett-Manier Spaß vor, sind aber bitter ernst gemeint.
„Hund' san's scho'“
Seine Paraderolle ist natürlich sein kabarettistisches Alter-Ego: Franz-Josef Strauß. Posthum und Ad-hoc stellt der fest, das bayerische Kabarett verdanke seine herausragende Stellung nur der CSU, die Bayern seinerzeit noch als ihren Privatbesitz betrachtet habe. Daher waren auch gesponserte Urlaube, gefälschte Doktortitel oder angestellte Verwandte kein Skandal, sondern der Wesenskern seiner Partei. „Hund' san's scho' g'wesen und in meiner Zeit hat's noch Haderlumpen gegeben, heut reicht's nur noch zu Hadertauern!“ Schließlich hätte er ja damals für 50 000 Euro das Bescheißen erst gar nicht angefangen und außerdem habe er bereits Steuern hinterzogen, als der Hinterzieher-Azubi Hoeneß noch im Kindergarten war.
Gnadenlos watscht Schleich als FJS die CSU und ihre Politschlümpfe ab. Da ist der Generalsekretär Scheuer als Worthülsen-Vollernter, dann der Ministerpräsident Seehofer, der dem Papst einen Fresskorb mit Dosenweißwürsten, Honig und Kaffee als typisch bayerische Schmankerln mitbringt und der sprechende Aktendeckel Stoiber. Strauß versteht sein Bayern nicht mehr und auch nicht die „Freien Wähler“. Seit wann sind Wähler frei? – Ein politischer Widerspruch in sich. Es bleibt nur die Feststellung: „Ich bin der FJS und da war I dahoam!“
Schleich als Tattergreis
Ein weißer Schal, ein Zylinderhut und schon ist Helmut Schleich Heinrich von Horchen, ein Tattergreis aus dem vorigen Jahrhundert, der sabbernd und stammelnd über die Entwicklung der Spionage referiert. Beginnend mit dem Alten Ägypten, wo die Abhöragenten die Worte des Pharao noch eilig mitmeißeln mussten, über Mata Haris Mitschnitte auf Watzwaxeln – aber nur in den Monaten mit „r“, weil es sonst zu warm für Wachswalzen war.
Eigentlich müsste man diesen anachronistischen Herrn zweimal hören, denn beim ersten Mal ist man viel zu stark auf die ständigen Versprecher von den „Amrenikanern und ihren NSSSÄI“, von den Micro-Kips-Zitz, vom Präsidenten Obadamamana fixiert, dass einem beinahe die tiefgründigen, bissigen und so nachdenklich stimmenden Aussagen entgehen. Zum Beispiel über die „Massentierhaltung in Altenheimen“, über die Zwangsarbeiter während des Weltkriegs bei BMW als frühe Vorform der Europäischen Integration, bei der auch heute der Osten die Drecksarbeit macht und wir absahnen.
Wenn es dann still und nachdenklich im Saal wird, konstatiert Horchen, respektive Schleich: „Tja im Kabarett muss man damit rechnen, dass man mal einen Brocken hingeworfen kriegt. Und Brocken gab es wirklich zuhauf, in Arnstein. Aber immer wieder ließ der Meister des Bayerischen Kabaretts freundlichen, versöhnlichen Humor durchblicken, wenn er zum Beispiel den schnuckeligen Ostblock-Flair der Stadthalle hervorhob.