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MARKTHEIDENFELD: Hip-Hop mit Handicap

MARKTHEIDENFELD

Hip-Hop mit Handicap

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    Bewegung macht Spaß: Patrizia Kurz (Mitte) übt mit den jungen Tänzerinnen und Tänzern vor einem großen Spiegel.
    Bewegung macht Spaß: Patrizia Kurz (Mitte) übt mit den jungen Tänzerinnen und Tänzern vor einem großen Spiegel. Foto: Daniela Arndt

    Der Bass ist voll aufgedreht, rhythmische Beats erfüllen den Raum im Fitnessstudio „Bodylimit“ in Marktheidenfeld. Patrizia Kurz steht mit vier Kindern vor dem Spiegel, der die eine Seite der Wand bedeckt, und übt Tanzschritte. Zwei der Kids sind zum ersten Mal bei ihrem Hip-Hop-Kurs, die anderen beiden sind seit September dabei. Die fünf sowie die Mutter von Jana, einem Mädchen mit Trisomie 21, stellen sich auf, immer zu zweit, klatschen einander ab und gehen ihre Choreographie durch.

    Für die gebürtige Sauerländerin Patrizia Kurz geht jedes Mal, wenn sie mit den Kindern tanzt, ein Traum in Erfüllung. Zwar hat sie schon vorher als Tanzlehrerin Kurse gegeben, doch die Arbeit mit den Gehandicapten ist für sie wichtiger.

    Als Kind stand sie selbst kurz davor, ihr Leben im Rollstuhl zu verbringen. Sie hatte Glück. Die Ärzte haben sie wieder hingekriegt. Doch einige Nachwirkungen blieben: Die 36-Jährige ist nicht besonders gelenkig. Das ist einer der Gründe, warum sie sich für Hip-Hop entschieden hat. Im Gegensatz zu anderen Tanzstilen, wie etwa Jazz, braucht es hierbei keine große Gelenkigkeit. Vor allem aber sei Hip-Hop einfach cool, man könne man selbst sein; auch ungeschminkt und in bequemen Klamotten. „Ich bin nicht so eine High-Society-Frau, die sich immer schick machen möchte“, erklärt Kurz.

    „Ich mag Menschen, die es vom Schicksal her nicht so leicht haben.“

    Patrizia Kurz, Tanzlehrerin

    Den Schwerpunkt auf das Tanzen mit Menschen mit Behinderung legte sie aus verschiedenen Gründen. Zum einen brauchte sie als Hip-Hop-Lehrerin ein Alleinstellungsmerkmal. „Ich bin schon relativ alt für den Beruf, aber Hip-Hop ist was Junges“, erklärt sie. Deshalb habe sie sich etwas Spezielles überlegen müssen. Am meisten aber reizt sie, dass sie sich selbst verwirklichen und die anderen glücklich machen kann.

    Die Choreographie modifizieren

    Sie wolle bei den Kindern das Gefühl erzeugen, dass sie sich toll fänden, und ihnen zeigen, dass man aus jeder Situation etwas Cooles machen kann. Deshalb modifiziert die alleinerziehende Mutter die Choreographie für die Kurse so, dass die Teilnehmer ein positives Erlebnis haben. Das sei das Schwierigste dabei. Außerdem könnten manche Kinder aufgrund ihrer Behinderung einige Bewegungen nicht ausführen. So muss die Sauerländerin die Choreographie für die einzelnen Teilnehmer aufteilen, Tanzschritte modifizieren – insbesondere die Grundschritte – und wenn etwas nicht ankommt, dies sofort ändern.

    Zum Anfang der Choreographie wird „eingecheckt“. Patrizia Kurz übt dies mit einem der neuen Kinder.
    Zum Anfang der Choreographie wird „eingecheckt“. Patrizia Kurz übt dies mit einem der neuen Kinder. Foto: Fotos: Daniela Arndt

    Von der Krankenschwester zur Tanzlehrerin

    Patrizia Kurz ist gelernte Krankenschwester und arbeitet in einer Arztpraxis in ihrer Wahlheimat Neubrunn. Die Ausbildung zur Tanzlehrerin hat zwei Jahre gedauert – und die waren laut Kurz „richtig hart“. Alle acht Wochen musste sie für vier Tage nach Köln fahren, wo sie sich bei der Deutschen Tanzlehrer- und Hip-Hop-Tanzlehrer-Organisation (DTHO) ausbilden ließ. Über die Hälfte der Teilnehmer stieg während der zwei Jahre aus. Jedes Mal, wenn sie dort war, hieß es nur: schlafen, essen, tanzen – und dann alles wieder von vorne.

    Großer Zeitaufwand

    Jetzt unterrichtet Patrizia Kurz bereits seit fast drei Jahren, auch wenn die Gruppe im Fitnessstudio „Bodylimit“ ihr erster freier Kurs ist. Momentan sei die Zeitaufteilung flexibel, was es einfacher mache, beide Jobs unter einen Hut zu bringen. Dennoch: „Die Freizeit bleibt auf der Strecke und reich werde ich dadurch nie“, so Kurz. Stattdessen ist es für sie wichtig, das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken.

    Die 36-Jährige hat selbst drei Jahre Standard und ein Jahr Jazz getanzt. Als Krankenschwester hat sie lange auf der Krebsstation gearbeitet – die schönste Zeit ihres Lebens, wie sie sagt. „Ich mag Menschen, die es vom Schicksal her nicht so leicht haben“, erzählt sie. Deshalb möchte sie etwas zurückgeben.

    Es geht um Spaß

    In den Kursen geht es um Spaß. Zwischen 45 und 60 Minuten übt Patrizia Kurz mit den Kindern tanzen und ist dabei selbst locker und witzig. „Ich lasse jeden so cool sein, wie er will“, lautet ihre Devise. Eigentlich rentiert sich eine Gruppe erst ab fünf Teilnehmern, deshalb zahlt sie momentan noch drauf. Doch die zwei neuen Kinder wollen auf jeden Fall wiederkommen.

    Patrizia Kurz ist guter Dinge: „Ich bin fest entschlossen, das zu schaffen.“ Am liebsten möchte sie in Zukunft noch mehr Kurse geben, damit noch mehr Menschen mit Handicap neues Selbstbewusstsein gewinnen können.

    Para Dancing Patrizia Kurz bietet momentan zwei Hip-Hop-Kurse an. Einer davon findet montags im Fitnessstudio „Bodylimit“ in Marktheidenfeld statt und ist für Kinder ab acht Jahren gedacht. Einen weiteren Kurs gibt sie mittwochs für die Mainfränkischen Werkstätten in Würzburg. Dieser ist für Erwachsene. Die Kurse richten sich vor allem an Menschen mit Behinderung, zum Beispiel solche, die im Rollstuhl sitzen, eine Prothese haben oder blind sind. Interessierte können sich unter Tel. (0 15 75) 7 56 29 97 oder E-Mail: ParaDancingWue@gmail.com bei Patrizia Kurz melden.

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