In ungefähr 320 mittelgroßen Städten in ganz Deutschland kann man sich möglicherweise schon bald auf neue Autokennzeichen freuen. Oder darauf, dass das alte bald zurückkehrt. Das ergab sich aus einer Studie der Hochschule Heilbronn, deren geistiger Vorgänger bereits im Jahr 2012 deutschlandweit zu einer Welle von neuen Ortskürzeln auf den Autos geführt hat.
Worum geht es in der Studie zur Kennzeichenliberalisierung?
Den aktuellen Landkreisen soll ermöglicht werden, bei der Anmeldung eines Autos wieder die Ortskürzel der ursprünglichen Altlandkreise zuzulassen. Es wäre zum Beispiel im Sinne der Studie, dass man beim Landratsamt Main-Spessart neben dem MSP-Kennzeichen noch die "ausgelaufenen" Kürzel MAR, LOH, GEM und KAR vergibt. Grundlage dieser Studie ist eine von 2010 bis 2012 deutschlandweit durchgeführte Umfrage von Studierenden der Hochschule Heilbronn. Initiator dieser, und gleichzeitig Gesicht der Kennzeichenliberalisierung, ist Professor Ralf Bochert, der für die Hochschule unter anderem als Dozent für Tourismusmanagement tätig ist.
Das Resultat der Umfrage war eindeutig: 74 Prozent der Befragten wünschte sich eine Rückkehr der Altkennzeichen. Das rief die Politik zum Handeln auf und bereits im November 2012 durften die Landkreise selbst entscheiden, welche Kürzel man den Bürgerinnen und Bürgern anbietet.
Welche Auswirkungen hatte die Änderung in Unterfranken?
In fast allen Landkreisen begrüßte man die Möglichkeit und zeigte sich der Kennzeichenliberalisierung gegenüber sehr wohlwollend. Die Ortskürzel von Gerolzhofen (Lkr. Schweinfurt), Hofheim (Lkr. Haßberge), Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen) und Ochsenfurt (Lkr. Würzburg) feierten im Zuge dieser ersten Welle beispielsweise ihr Comeback. Anders sieht es in Main-Spessart aus, wo es bis heute keine Alternative zu MSP auf den Schildern gibt.

Wie war die Resonanz der Bürgerinnen und Bürger?
Vielerorts kann bei der Wiedereinführung von kleinen Erfolgsgeschichten gesprochen werden. Im Landratsamt Ochsenfurt vermeldete man im Jahr 2023 eine Zahl von knapp 21 000 Anmeldungen des OCH-Kürzels und auch GEO-Nummernschilder fahren in einer großen Zahl auf den Straßen. Wie hier ein Sprecher der zuständigen Behörde Auskunft gab, sind es aktuell 7356.
Welche Vorteile kann eine Rückkehr der Altkennzeichen für einen Landkreis mit sich bringen?
Durch die Neuanmeldungen kann das jeweilige Landratsamt Einnahmen erzielen, ohne dass Kosten oder ein nennenswerter Aufwand entstehen, erinnert Professor Ralf Bochert von der Hochschule Heilbronn. Gleichzeitig könnten die Städte so ohne großen Mehraufwand eine Marketing-Maßnahme dazugewinnen.
Außerdem: Bringt das Landratsamt die Altkennzeichen zurück, könne das für das Ansehen der Institution nur positiv sein. "Es zeigt, unser Landkreis lässt uns unsere Vielfalt, unser Landkreis ist bürgernah, unser Landkreis gibt uns die Möglichkeit, unsere Städte zu repräsentieren, wenn wir das wollen. Die Kennzeichen sind Symbole und Menschen sind grundsätzlich symbolisch", erklärt Bochert.
Welche Städte stehen auf der jüngst veröffentlichten Liste?
Deutschlandweit knapp über 320, darunter 20 in Bayern. In Bayern konzentrieren sich die Vorschläge jedoch auf den Großraum München und Südbayern im Allgemeinen. Keines der MSP-Altkennzeichen steht auf der Liste.

Wieso hat man MAR, LOH, GEM und KAR bei der jüngsten Studie nicht berücksichtigt?
Der Grund hierfür ist tatsächlich relativ banal, wie Prof. Ralf Bochert zugibt: "Wir mussten irgendeine Grenze nach unten festsetzen und haben uns für 20.000 Einwohner entschieden. Lohr als größte Stadt hat lediglich eine Einwohnerzahl von 15.000. Aber trotzdem: auch Lohr, Marktheidenfeld, Gemünden und Karlstadt können mit einer Änderung von den positiven Effekten profitieren."
Wie reagiert nun das Landratsamt Main-Spessart?
Für das zuständige Landratsamt in Karlstadt sind die Altkennzeichen auch im November 2024 kein Thema. Wie ein Sprecher mitteilte, ist die Wiedereinführung auf absehbare Zeit nicht notwendig, da genügend freie MSP-Kennzeichen zur Verfügung stehen. Zudem teilte man mit, dass es zwar vereinzelte Nachfragen bezüglich der Altkennzeichen MAR, LOH, GEM und KAR gebe, diese jedoch in ihrer Häufigkeit auf ohnehin niedrigem Niveau eher ab- als zunehmen.
Das tragende Argument ist dasselbe wie bei der Einführung des MSP-Kürzels im Jahr 1978: Es trage zur Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit dem Landkreis bei. Die Idee eines geeinten Gebiets, geschaffen aus den vier Teilen Gemünden, Lohr, Marktheidenfeld und Karlstadt, solle auch beim schnellen Blick auf das Auto erkennbar sein.
Wie bewertet Professor Bochert die Situation in Main-Spessart?
Bochert betont erneut, dass die Altkennzeichen-Rückkehr in Main-Spessart absolut Sinn ergebe. Die Begründung, dass "MSP" die Identifikation mit dem Landkreis stärke, ist für ihn nicht zufriedenstellend: "Ein Landkreis ist vor allem eine Verwaltungseinheit und es sollte reichen, wenn die Bürgerinnen und Bürger ihn als eine solche respektieren."
Die Binsenweisheit, dass ausschließlich ältere Leute an den Altkennzeichen hängen und in ihnen ein Stück Vergangenheit sehen, kann er ebenfalls nicht teilen. "Es fällt mir schwer, zu glauben, dass es keine jungen Menschen gibt, die sich mit Marktheidenfeld, Karlstadt, Lohr oder Gemünden identifizieren."
Sollten die Städte Interesse an einer Rückkehr ihrer Kürzel haben, empfiehlt Bochert, an einem Strang zu ziehen: "Der Landkreis wird sich kaum gegen alle vier Zentren stellen, wenn diese unbedingt die Kennzeichen wollen."