Ein langgehegter Traum ist am Freitag in der SOS-Dorfgemeinschaft Hohenroth endlich eingeweiht worden: das neue Haus für 24 Bewohnerinnen und Bewohner mit erhöhtem Hilfebedarf. Schon seit einem Jahr leben geistig Behinderte dort, aber wegen der Pandemie fand die Eröffnungsfeier erst jetzt statt. Alle Redner waren voll des Lobes für das zweistöckige Gebäude mit 2550 Quadratmeter Fläche. Auch Bewohnerin Heidi zeigte sich erfreut: So ein Gebäude mit Aufzügen, eigenen Bädern und genügend Platz hätte man schon vorher brauchen können, sagte sie. Und zum Glück sei auch endlich ein Koch da. Rund sieben Millionen Euro hat das Zentrum gekostet.
"Mein Sohn hätte sich sehr gefreut, wenn er in den schönen Räumen mit Einzelzimmern hätte leben dürfen."
Gönnerin Gertraud Wallrapp
Dorfleiter Mario Kölbl freute sich, erneut einen Spendenscheck über 10.000 Euro von Gönnerin Gertraud Wallrapp entgegennehmen zu können. Die Spende ist für zwei Elektrorollstühle gedacht. Wallrapp habe die Dorfgemeinschaft bereits mit einer sechsstelligen Summe unterstützt und den Grundstein für das neue Zentrum gelegt. Die über 90 Jahre alte Spenderin erzählte in einer kurzen Rede, dass ihr Sohn 1985 nach Hohenroth kam. "Damals waren fast alle Bewohner jung", sagte sie. Schon frühzeitig sei Angehörigen der Gedanke gekommen, was mit den Bewohnern werde, wenn sie älter werden. Jetzt freut sie sich über das "schöne Haus". Ihr Sohn, der mit 61 Jahren starb, "hätte sich sehr gefreut, wenn er in den schönen Räumen mit Einzelzimmern hätte leben dürfen".

Zusätzliche Betreuungskapazitäten im neuen Haus
Das neue Haus steht an der Stelle des oberen Kuhstalls, mitten im Dorf. Gefördert wurde der holzverkleidete Bau vom Freistaat, vom Bezirk und von der Aktion Mensch. Vor 16 Jahren gründeten Eltern von Bewohnern die "Stiftung Hohenroth Heimat im Alter", die als Stiftungszweck hatte, ein Zentrum für Bewohner zu eröffnen, in das diese bei Pflegebedürftigkeit oder im Alter ziehen können, führte Gründungsmitglied Helmut Rogler aus. Zunächst entstand 2012 in der Burgsinner "Villa Adelmann" eine kleine Gruppe für sieben ältere Menschen mit erhöhtem Betreuungsaufwand, die nun umziehen konnte. Die Stiftung hat für das neue Zentrum etwa Pflegebetten, behindertengerechte Badewannen und eine halbe Betreuerstelle über den normalen Betreuerschlüssel hinaus finanziert.

Die Vorstandsvorsitzende des SOS-Kinderdorf e.V. Sabina Schutter erzählte, dass Bewohnerinnen und Bewohner den Wunsch geäußert hätten, in Hohenroth alt werden zu dürfen. Mit dem neuen Haus müssen diese nicht in ein Altenheim abgeschoben werden. Dorfleiter Kölbl dankte insbesondere auch Regionalleiterin Maria Schwarzfischer, die sich für die Idee bei der SOS-Zentrale in München und der Regierung von Unterfranken eingesetzt habe. Das Ministerium hatte eine Förderung von 3,7 Millionen Euro zugesagt, der Bezirk Unterfranken gut 600.000 Euro. Schwarzfischer berichtete, dass Bewohnerinnen und Bewohner haben mitreden dürfen beim Standort und bei der Gestaltung des Gebäudes. So hätten diese geäußert, lieber große Gemeinschaftsräume statt Einzelbalkons zu wollen. Der Wunsch nach einem Whirlpool, wie ihn ein Bewohner in einem Gangsterrap-Video gesehen habe, sei aber nicht erfüllbar gewesen, scherzte Kölbl.
"Ihr macht einen Riesenumsatz im Dorfladen."
Rienecks Bürgermeister Nickel
Bernhard Roth vom Angehörigenrat, der Vertretung der Angehörigen, erzählte, dass er über eine der ersten Reaktionen erschrocken gewesen sei. "Das Haus ist sehr steril", habe er gehört. Inzwischen sei dort richtig Leben eingekehrt. An den Wänden hängen etwa Bilder des im Oktober verstorbenen Münchener Kunstprofessors Horst Sauerbruch, dessen Sohn weiterhin in Hohenroth lebe. Alle Räume, insgesamt 24 Einzelzimmer, wirken hell und großzügig, die beiden Wohnküchen mit Sitzgruppen haben mit einem Balkon beziehungsweise einer Terrasse eine Erweiterung nach draußen. In einem der Einzelzimmer lebt offenbar ein Fan des 1. FC Köln. Das Haus bietet neben dem Wohnbereich einen weiteren für die Tagesstruktur, wo die Bewohner beschäftigt werden. So ist auch die Kerzenwerkstatt in das neue Gebäude umgezogen.

Gemündens Bürgermeister Jürgen Lippert versprach, dass die Stadt auch künftig ein offenes Ohr für die Belange des SOS-Dorfes habe, und hatte eine kleine Spende im Gepäck. Das Herz des SOS-Dorfs sei zwischen zwei Städten geteilt, sagte Dorfleiter Kölbl. Einerseits gehöre es zu Gemünden, andererseits liege es oberhalb von Rieneck, wo die Bewohner integriert seien. Dessen Bürgermeister lobte die Bewohner: "Ihr macht einen Riesenumsatz im Dorfladen." Gerüchtehalber müsse Edeka Extra-Lieferungen von Süßigkeiten organisieren.
43 Umzüge in knapp vier Wochen
Eine Voraussetzung der Förderung durch das bayerische Sozialministerium war, dass am Standort keine zusätzlichen Plätze geschaffen werden, teilte die Regierung 2019 mit. Denn der Trend geht eigentlich in Richtung Inklusion, dahin, dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammenleben, arbeiten und ihre Freizeit verbringen können. So wurden in den Hausgemeinschaften nun Doppelzimmer aufgelöst und in Einzelzimmer umgewandelt, sagte der Dorfleiter bei der Eröffnung. In knapp vier Wochen habe es so 43 Umzüge gegeben.
Für Unterhaltung und zum Teil Jubelstürme sorgte die Hohenroth-Band unter Leitung von Michael Hock. Als Solosänger traten die Bewohner Julius mit "An Tagen wie diesen", zu dem eifrig getanzt wurde, und Uwe mit einer beeindruckenden Interpretation von "I can't help falling in love" auf.
