2005 war sie die weltgrößte Freiflächen-Solaranlage der Welt mit sogenannten Movern und machte mächtig von sich reden. Zur Einweihung gab die Kölner Band BAP ein Konzert – kostenlos für alle, die kommen wollten. Der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin freute sich bei einem Besuch auf Erlasee, Deutschland werde bei Photovoltaik weltweit führend sein. Inzwischen hat China Deutschland diesbezüglich weit abgehängt. Auch neigt sich die 20-jährige Laufzeit der Anlage dem Ende zu. Und es macht sich unter manchen Investoren, die seinerzeit einen der 1464 Mover gekauft haben, Unmut breit.

45.000 bis 55.000 Euro kostete ein solcher Mover samt PV-Modulen, Wechselrichtern und Verkabelung. Im Juni nun flatterte den Investoren Post der Raising Power GmbH ins Haus mit folgendem Angebot: Zum Jahresbeginn 2025 könnten sie ihre Mover für einen Euro verkaufen. Im Gegenzug bräuchten sie sich nicht um deren Rückbau zu kümmern.
Investoren wünschen sich eine Alternative
Das Angebot ist befristet bis zum 30. September. Bis dahin müssen sich die Investoren entschieden haben. "Das ist so wie 'Vogel-friss oder stirb'", sagt Wolfgang Holzinger aus Schongau, einer von ihnen. "Ich möchte gerne eine Alternative." Er denkt gerade ernsthaft darüber nach, seinen Mover die volle Laufzeit – also ein Jahr länger - zu behalten und dann auf eigene Faust demontieren zu lassen.
Ein anderer, der hier sein Geld angelegt hat, ist Ludwig Häberle aus Laichingen. Er hält die Frist bis 30. September für zu kurz. "Damit soll Druck aufgebaut werden." Der weitere Wortlaut in dem Brief der Raising Power GmbH gehe in dieselbe Richtung: "Die Betriebskosten steigen inflationsbedingt und vertragsgemäß auch weiterhin an." Häberle beklagt, es werde Angst geschürt, ohne die Kosten näher zu beziffern.

Auch wenn der Brief an die Investoren von der Raising Power GmbH in Augsburg stammt, wäre diese nicht der Käufer. Aus dem Kaufvertragsentwurf geht hervor, dass die S.A.G. Solar Development & Construction GmbH der Käufer wäre, beheimatet ebenfalls in Augsburg. Sie würde die Module mit einer Nennleistung von jeweils rund 7,2 Kilowatt Peak samt Unterkonstruktion sowie die Wechselrichter, Verkabelung und weitere Komponenten übernehmen. Häberle kritisiert, die S.A.G. könne ein Jahr lang die Einspeisevergütung einstreichen. Er gibt sie mit circa 4300 Euro an und rechnet nach: Bei nur 1000 Movern seien das immerhin schon 4,3 Millionen Euro.
Eigener Rückbau könnte sich für die Investoren lohnen
Was Häberle besonders wurmt: Laut Vertragsentwurf muss der Verkäufer dafür sorgen, dass die Anlage bis zum Verkaufsdatum ordnungsgemäß funktioniert. Was, wenn zwischenzeitlich etwas an der Mechanik kaputtgeht? Bliebe der Mover in der eigenen Hand, könnte er auch ohne Reparatur weiterlaufen – eben mit weniger Ertrag. Häberle würde gerne eine Interessengemeinschaft der Investoren gründen, doch fehlen ihm die Kontaktdaten der anderen. Der Rückbau der Mover auf eigene Faust könnte seiner Ansicht nach lukrativ sein. "Jeder Mover ist alleine mit zwei Tonnen Stahl konstruiert. Dafür wird ein aktueller Ankaufspreis von 500 Euro gezahlt."

Auf Käuferseite ist in dem Vertrag im Feld für die Unterschrift der Name Cheng Liu genannt. Wer ist das? Unter "North Data" findet sich der Name im Internet unter anderem vernetzt mit der Orosolar GmbH & Co.KG, der S.A.G. Solarkraftwerk GmbH, der S.A.G. Development, der Meteocontrol GmbH und so weiter. Und alleine sieben Firmen, die allesamt mit Solar zu tun haben und deren Name meist mit S.A.G. beginnt, finden sich unter derselben Adresse in der August-Wessels-Straße 27 in Augsburg.
Wem das Gelände gehört, ist unklar
Wem die 85 Hektar Grund gehören, auf dem unter anderem die Mover stehen, ist nach wie vor unbekannt. Im Dezember 2013 waren die Überlandzentrale Lülsfeld (ÜZ) und die Stadt Arnstein leer ausgegangen bei dem Versuch, in einem Bieterverfahren das Gelände zu erwerben. Die Stadt Arnstein hatte 1,5 Millionen Euro geboten. Die Arnsteiner Bürger-Energie-Genossenschaft bot sogar 1,64 Millionen Euro. Auch sie ging leer aus. Wer den Zuschlag erhalten hat, wurde nicht bekanntgegeben. Der Käufer wollte ungenannt bleiben.
Dazu macht auch Raising-Power-Geschäftsführer Matthias Philipp keine Angabe. Aber er teilt auf Anfrage mit, die Raising Power GmbH sei Zwischenpächter des Großteils der Fläche. "Wir haben diesen Anteil vom Eigentümer gepachtet und verpachten ihn kleinteilig an eine Vielzahl von Eigentümern der Mover. Zusätzlich erbringen wir eine Reihe an Dienstleistungen wie Wartung, Reparatur, Fernüberwachung etc. für die Mover."
Technik ist mittlerweile veraltet
Er verweist darauf, die damalige Technik sei mittlerweile veraltet und auch verschlissen. Ersatzteile seien nur noch teilweise zu beschaffen. "Keiner der Hersteller von wesentlichen Komponenten der Mover ist heute noch am Markt. Wir fertigen unter hohem Aufwand manche Ersatzteile selbst an und suchen auch international nach Experten, die sich beispielsweise noch mit der alten Steuerungselektronik auskennen und die immer häufiger auftretenden Fehler reparieren könnten."

In der von Raising Power verwalteten Fläche haben die Investoren die Option zu einer zweijährigen Verlängerung des Pachtvertrags. Geschäftsführer Philipp weist aber darauf hin, dass die Investoren die Anlagen nicht mehr wirtschaftlich werden betreiben können. So werde die Vergütung für den Strom um schätzungsweise 80 Prozent niedriger sein als die für die Laufzeit von 20 Jahren garantierte Vergütung durch das EEG (Energie-Einspeise-Gesetz). Die lag etwas über 40 Cent pro Kilowattstunde. Hinterher könnte sie sich bei 8 Cent bewegen.

Der technische Fortschritt der Photovoltaik war in den vergangenen 20 Jahren riesig. Aktuell hat die gesamte Anlage auf der Fläche von Erlasee eine Leistung von 12 Megawatt Peak. Matthias Philipp: "Es könnte mit aktueller Technik ein Solarpark mit von bis zu 60 Megawatt Peak entstehen, der nur einen Bruchteil des Wartungsaufwands verursacht." Heute werden keine beweglichen Mover mehr gebaut. Es sei zu erwarten, dass der Eigentümer eine neue Anlage mit deutlich höherer Leistung errichten wird oder die Fläche an einen neuen Betreiber verpachten wird, um dies zu ermöglichen, meint der Raising-Power-Geschäftsführer.
Ob es tatsächlich so kommt, könne seine Firma in ihrer Position aber nicht beantworten und erst recht nicht vorantreiben. "Für uns selbst und auch unsere langjährigen Mover-Kunden ist dies zwar traurig, aber eben auch die langfristig absehbare Zäsur. Auch wir verlieren einen erheblichen Teil unseres Geschäfts."
Solarpark ErlaseeDer Solarstrompark Gut Erlasee nördlich von Arnstein war einst die größte Freiflächen-Solaranlage der Welt mit sogenannten Movern. Anders als bei heutigen Freiflächenanlagen, bei denen die Module starr befestigt sind, sorgen die Mover dafür, dass die Photovoltaik-Module immer optimal nach der Sonne ausgerichtet sind. Morgens "stehen sie auf", richten sich gen Osten, dann immer der Sonne nach, ehe sie am Abend Richtung Westen "schauen" und sich dann wieder "hinlegen".(hop)