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ROTHENFELS: Ist Wasserkraft wirklich Ökostrom?

ROTHENFELS

Ist Wasserkraft wirklich Ökostrom?

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    Die Schleuse Rothenfels wurde 1939 in Betrieb genommen.
    Die Schleuse Rothenfels wurde 1939 in Betrieb genommen. Foto: Foto: Johannes Ungemach

    Die Rhein-Main-Donau AG will das Rothenfelser Schleusenkraftwerk mit einer zusätzlichen, dritten Turbine ausstatten, um mehr Strom produzieren zu können. Oberflächlich betrachtet müssten solche Pläne zum Ausbau der nachhaltigen Energiegewinnung umweltbewusste Menschen erfreuen. Doch unter der Oberfläche sieht es anders aus. Genauer: Unter der Wasseroberfläche. Dort, so sagt die Fischerzunft Lohr, verursacht die gemeinhin als ökologisch wertvoll geltende Wasserkraftnutzung tausendfachen Fischtod. Deswegen will die Fischerzunft den auf über zehn Millionen Euro veranschlagten Umbau des Rothenfelser Mainkraftwerks verhindern.

    Das Genehmigungsverfahren soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. 2014 will die E.ON Wasserkraft GmbH als Betreiber des bisherigen Kraftwerks die neue Turbine in Betrieb nehmen. Zuständig für die Genehmigung ist das Landratsamt Main-Spessart. Wenn es jedoch nach der Fischerzunft Lohr geht, kann die Behörde das Projekt nur ablehnen. Die zusätzliche Kraftwerksturbine stelle eine klare Verschlechterung der Durchlässigkeit des Mains für wandernde Fische dar. Eine solche Verschlechterung sei mit geltenden Bestimmungen nicht vereinbar, argumentiert die Fischerzunft in ihrer dem Landratsamt zugesandten Stellungnahme. Die Interessenvertreter der Fischerei fordern die Behörde auf, die Ausbaupläne nicht zu genehmigen.

    E.ON: Verbesserung der Situation

    Der Kraftwerksbetreiber E.ON beurteilt den geplanten Kraftwerksausbau ganz anders. Durch den Bau einer aufwändigen Fischaufstiegshilfe werde sich die Situation an der Schleuse Rothenfels für die Fische spürbar verbessern, sagt Carolin Patzner, Pressesprecherin der E.ON-Wasserkraft GmbH mit Sitz in Landshut. Der geplante Umbau des Kraftwerks an der Rothenfelser Schleuse sei ein Musterbeispiel dafür, wie wirtschaftliche Interessen und die Belange des Naturschutzes unter einen Hut gebracht werden könnten.

    Für Alfred Höfling, den Vorsitzenden der Fischerzunft Lohr, wäre eine Genehmigung des Kraftwerksausbaus hingegen ein „Skandal“. Seit Jahren gebe es klare rechtliche Bestimmungen, die Behörden dazu verpflichteten, die Durchlässigkeit der Fließgewässer für Fische zu verbessern beziehungsweise Verschlechterungen zu verhindern.

    Doch unter dem Deckmäntelchen der forcierten Energiewende würden die Behörden Bestimmungen wie die Wasserrahmenrichtlinie, das Wasserhaushaltsgesetz oder auch das Tierschutzgesetz im Zusammenhang mit der Wasserkraftnutzung konsequent missachten. Ziel sei es offenbar, die Wasserkraft ohne jede Rücksicht auf deren negativen Auswirkungen auf die Fischwelt auszubauen.

    Turbinenschaufeln töten Fische

    „Wasserkraft ist kein Ökostrom“, sagt Höfling. Er untermauert diesen Satz mit einer Reihe von Bildern, die er selbst gemacht hat. Die unappetitlichen Aufnahmen zeigen Fische, die in den Kraftwerksturbinen entlang des Mains zerfetzt oder schwer verletzt wurden. Höfling sagt, dass an jeder Schleuse 30 Prozent der Fische, die in die Turbine geraten, sofort getötet werden. Dies sei durch wissenschaftliche Untersuchungen beispielsweise an der als besonders modern geltenden Schleuse Kostheim belegt.

    Viele weitere Fische würden von den Turbinenrädern verletzt, manche überlebten zunächst mit gebrochenem Rückgrat, um dann qualvoll zu verenden, schildert Höfling seine Erfahrungen, die er beim jahrelangen Betrieb des Aalschokkers unterhalb der Steinbacher Schleuse gesammelt hat. Nach nur drei Stunden hätten sich dort mitunter zwölf Kilo zerfetzte Aale im unterhalb des Kraftwerks ausgelegten Netz befunden. Der Anblick der Fischkadaver habe ihm die Lust an dieser Form des Fischens genommen, sagt Höfling.

    Mainaal als gefährdete Art

    Nach seinen Worten ist gerade für den Aal die Situation besonders dramatisch. Dass es im Main überhaupt noch Aale gebe, liege ausschließlich daran, dass die Fischer Jahr für Jahr für viel Geld Tausende kleine Aale im Fluss aussetzten. Schön längst sei die in stürmischen Herbstnächten stattfindende Abwanderung der geschlechtsreifen Aale in Richtung der im Westatlantik gelegenen Laichgewässer unmöglich. „Es hat kein Aal mehr die Chance, das Meer zu sehen“, sagt Höfling über die durch die Wasserkraftwerke existierenden Barrieren. Da die Fische in den Kraftwerksturbinen entlang des Mains zu Tode gehäckselt würden, sei der Mainaal mittlerweile eine gefährdete Art.

    Der Vorsitzende der Lohrer Fischerzunft fordert daher beim Ausbau nachhaltiger Energieproduktion „gleiches Recht für alle“. Während ein geplanter Windkraftstandort scheitern könne, wenn seltene Vögel dort ihre Kreise zögen, störe sich in Politik und Behörden offenbar niemand daran, dass Wasserkraftwerke massenhaften Fischtod mit sich bringen. „Das Sterben findet halt unter Wasser statt, wo es keiner sieht“, lautet Höflings Erklärung.

    Statt die Situation für die Fische durch neue Kraftwerksanlagen zu verschlechtern, sei es die gesetzlich festgeschriebene Verpflichtung, die Durchgängigkeit der Wasserstraßen für Fische zu verbessern, verweist Höfling auf §34 des Wasserhaushaltsgesetzes. Doch es geschehe nichts in diese Richtung. „Die Behörden schieben seit Jahren die Zuständigkeit hin und her“, sagt Höfling.

    Nutzen der Aufstiegshilfen umstritten

    Von der Fischaufstiegshilfe, die im Zuge des geplanten Turbinenneubaus an der Schleuse Rothenfels gebaut werden soll, hält Höfling nicht viel. Noch in keinem Fall sei der Nachweis erbracht worden, dass derartige Aufstiegshilfen von den Fischen tatsächlich angenommen werden. Wandernde Fische orientierten sich stets an der Strömung, und die führe nun mal direkt in die Turbinen. Durch die Auf- und Abstiegshilfen fließe hingegen viel zu wenig Wasser, um Fische dorthin zu locken. Auch im Fall der in Rothenfels geplanten Fischtreppe sei die Wassermenge viel zu gering, um die Fische aus dem Hauptstrom wegzulocken. Noch dazu ließen sich wandernde Aale meist mit der Strömung treiben. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit den „Umgehungsstraßen“ für Fische sagt Höfling: „Das ist nicht mehr als Augenwischerei.“

    Das sieht E.ON-Sprecherin Patzner ganz anders. Studien würden zeigen, dass „nach modernen Erkenntnissen konzipierte Aufstiegsanlagen“ von den Fischen sehr wohl angenommen würden. Das belegten Studien des Landesamtes für Umwelt. So habe man beispielsweise an der Isar mit ähnlichen Aufstiegshilfen wie der in Rothenfels geplanten Anlage „sehr gute Erfahrungen“ gemacht. Wenn dem nicht so wäre, würde schließlich niemand so viel Geld für den Bau der Anlagen ausgeben, sagt Patzner. Sie sagt mit Blick auf Rothenfels: „Wir sind davon überzeugt, dass das eine handfeste Planung ist, die eine ökologische Verbesserung schafft.“

    Der Vorsitzende der Lohrer Fischerzunft kann hingegen nicht verstehen, weswegen es „in einem Land, das sich rühmt, die besten Ingenieure der Welt zu haben, nicht möglich ist, eine fischunschädliche Turbine zu entwickeln“. Um eine solche Entwicklung zu forcieren, fehle offenbar „der politische und unternehmerische Wille“, klagt Höfling.

    Dringend geboten wäre es seiner Ansicht nach auch, an den Schleusen bei den vor den Turbinen angebrachten Rechen den Abstand der Stäbe zu verringern, um zu Verhindern, das größere Fische in die Turbine geraten. Der jetzige Stababstand von knapp neun Zentimetern an der Schleuse Rothenfels sei für den Fischschutz jedenfalls völlig unwirksam. Der Verband Hessischer Fischer beispielsweise empfehle einen Rechenabstand von maximal 1,5 Zentimetern.

    Parallel zum Abstand der Stäbe müsste freilich auch die Fließgeschwindigkeit an den Turbineneinlässen verringert werden, fordert Höfling. Nur so könne verhindert werden, dass die Fische quasi am Rechen kleben bleiben, weil sie nicht mehr gegen die Strömung anschwimmen können.

    Doch weniger Strömung bedeute weniger Turbinenleistung und somit auch weniger Energieertrag. Gerade in Zeiten der Energiewende wolle davon jedoch offenbar weder in Politik noch in den Behörden jemand etwas wissen, klagt Höfling.

    Kraft aus Wasser

    Das Wasserkraftwerk in Rothenfels ist eines von 36 entlang des Mains. In Betrieb genommen wurde die Schleuse 1939. Derzeit produzieren dort zwei Turbinen zusammen rund 30 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr. Diese Strommenge reicht für die Versorgung von 8500 Durchschnittshaushalten.

    Bauherr für die geplante dritte Turbine ist die Rhein-Main-Donau AG, Betreiber soll jedoch die E.ON Wasserkraft GmbH sein. Untergebracht werden soll die zusätzliche Turbine in einem Anbau, der zwischen dem bestehenden Kraftwerksgebäude und der Staatsstraße vorgesehen ist. Durch die Erweiterung soll in Rothenfels Strom für weitere rund 1700 Haushalte produziert werden. Die Kosten für das Bauvorhaben sind auf gut zehn Millionen Euro veranschlagt.

    Darin enthalten ist neben der Turbine auch eine neue Fischaufstiegshilfe. Sie soll die alte Fischtreppe ersetzen, die sich auf der anderen Seite des Schleusenbaus befindet und als weitgehend nutzlos eingestuft wird. Die neue Fischwanderhilfe soll rund 200 Meter lang werden und auf Rothenfelser Seite um das Kraftwerksgebäude herumführen. Durch sie sollen pro Sekunde rund 650 Liter Wasser strömen. Zum Vergleich: Der Abfluss des Mains beträgt in Rothenfels im Jahresmittel pro Sekunde knapp 140 000 Liter.

    Quelle: e.ON-Wasserkraft/TEXT: JUN

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