Die Entwicklung der Spiegelreflexkamera, wie wir sie heute kennen, dauerte über 300 Jahre. Die Anfänge aber gehen auf den in Karlstadt geborenen Johannes Zahn zurück. Er hat das Prinzip der Spiegelreflexion erstmals 1686 beschrieben und gilt damit als Wegbereiter der Spiegelreflexkameras. Weitere Verdienste hat er sich erworben, weil er in einem Buch die Erkenntnisse der damaligen Zeit im Bereich der Optik zusammengefasst hat. Das Buch galt lange Zeit als Standardwerk.
Das Prinzip von Zahn, das in einen dunklen Kasten einfallende Licht mit einem Spiegel umzuleiten, wird im neuen Museum der Stadt Karlstadt anschaulich zu sehen sein, wenn das Museum vermutlich ab Frühjahr 2022 wieder öffnet. Eine sogenannte Camera Obscura wird dort ausgestellt, die allerdings nicht aus alter Zeit ist. Sie wurde vor ein paar Jahren nach den Plänen von Zahn von Schülern des Johann-Schöner-Gymnasiums unter Anleitung der Lehrer Wolfgang Merklein und Johannes Günther gebaut. Es lässt sich aber an ihr anschaulich demonstrieren, wie sie funktioniert.
Spiegel in der Camera Obscura
Das Verdienst von Zahn war es, in eine Camera Obscura einen Spiegel einzubauen, denn eine Camera Obscura gibt es schon seit der Antike. Durch ein Loch in einem lichtdichten Kasten trifft dabei das Licht einer beleuchteten Szene auf die gegenüberliegende Rückwand. Auf der Rückwand entsteht dabei ein auf dem Kopf stehendes und seitenverkehrtes Bild dieser Szene. Das Bild ist lichtschwach und nur bei ausreichender Abdunklung gut zu sehen. Bei transparenter Rückwand kann man das Bild auch von außen betrachten, wenn man für ausreichende Abdunklung sorgt.

Zahn hat in den Kasten einen Spiegel im Winkel von 45 Grad eingebaut und damit gleich zwei Verbesserungen erzielt. Zum einen dreht der Spiegel das einfallende Licht wieder und wirft das Motiv seitenrichtig nach oben. Zum zweiten kann dort der Betrachter durch die Öffnung einer zweiten Klappe das Motiv bequem abmalen. Fotopapier gab es zur Zeit von Zahn freilich noch nicht. Seine Modelle verfügten nicht nur über eine Linse, die man in einem Tubus hin- und herbewegte, um ein scharfes Bild zu erhalten, sondern auch über eine veränderliche Lichtöffnung, um die in die Kamera eintretende Lichtmenge zu regeln.
Meilenstein hin zur Entwicklung der Spiegelreflexkamera
Dies war daher der erste Meilenstein der über Jahrzehnte andauernden Entwicklung der Spiegelreflexkamera, an der im Laufe der Zeit immer mehr Personen beteiligt waren. Es dauerte aber noch bis zum Jahr 1861, bis die erste Spiegelreflexkamera vom englischen Fotografen Thomas Sutton hergestellt worden ist.
Hans L. Müller hat im Karlstadter Jahrbuch 2006/2007 die Lebensgeschichte von Johannes Zahn dargelegt. Seinen Recherchen zufolge wurde Zahn als Sohn eines Kaufmanns in Karlstadt geboren und wurde am 29. März 1641 in St. Andreas getauft. Er trug sich im November 1656 in die Matrikel der Universität Würzburg ein. Er musste also zuvor die Lateinschule in Karlstadt besucht haben. Bei dem Würzburger Jesuiten Pater Kaspar Schott studierte Johannes Zahn Naturwissenschaften. Später nahm er das Theologiestudium auf und trat in den Prämonstratenserorden ein. Im Dom zu Würzburg erteilte ihm Weihbischof Melchior Söllner am 30.Mai 1665 die Priesterweihe.
Auf Geheiß seiner Oberen übernahm Johannes Zahn die Pfarrei Acholshausen im Ochsenfurter Gau, wo er sich besonders um die Wahrung der pfarrherrlichen Rechte und um die Erhaltung der Einkünfte der Pfarrei einsetzte. Gleichwohl hatte Zahn dort bei glücklicher Amtsführung die Muße zum optisch-mathematischen, sternenkundlichen und experimentell-pysikalischen Forschen. Seine Erkenntnisse veröffentlichte er unter dem Titel "Occulus artifi-calis Teledioptricus, sive Telescopium e triplici fundamentum stabilitum" (Künstliches licht-brechendes Auge oder Fernrohr, auf dreifacher Grundlage befestigt). Das Werk erlebte zwei Auflagen (Würzburg 1685/Nürnberg 1702) und enthält in drei Teilen alle optischen Kenntnisse seiner Zeit.

Im Jahr 2020 ist es dem Historischen Verein Karlstadt gelungen, das Buch "Oculus artificialis teledioptricus sive telescopium" zum Preis von 4000 Euro von einer Pariser Buchhandlung zu erwerben. Wolfgang Merklein, Vorsitzender des Historischen Vereins, spricht von einem Glücksfall. Auch das Buch soll mit der Camera Obscura die Präsentation im Stadtgeschichte-Museum bereichern. Die erste Auflage von "Oculus artificialis teledioptricus sive telescopium" wurde in Würzburg gedruckt. "Vielleicht nur 200 oder 300 Exemplare", sagt Merklein. Genau wisse man dies nicht. In Deutschland ist das Buch nur in fünf Bibliotheken nachweisbar. "Jetzt haben wir auch in Karlstadt ein Exemplar", freut er sich.
Neben der Theorie befasste sich Johannes Zahn ausführlich mit der Herstellung von Teleskopen und ihrem Einsatz in der Astronomie. Er schaffte für die Verbesserung von Spiegelteleskopen die theoretische Grundlage durch die Berechnung des Strahlengangs eines Schiefspieglers, dessen leistungsfähiger Aufbau erst in unserer Zeit erfolgte. Zudem beschäftigte ihn wie oben beschrieben der Aufbau der "camera obscura", der "laterna magica" und die Herstellung einer Sonnenuhr.
Ab 1992 Probst von Kloster Unterzell
20 Jahre lang war Johannes Zahn Pfarrer in Acholshausen. Dann wurde ihm die benachbarte Pfarrei Gaukönigshofen zugewiesen, wo er vier Jahre lang wirkte. Am 16. Oktober 1692 wählten die Schwestern des Klosters Unterzell Johannes Zahn zum neuen Propst. Die bischöfliche Bestätigung von Johann Gottfried von Guttenberg erfolgte am 15. Dezember 1692. Johannes Zahn übernahm die Verwaltung eines reichen Klosters.
Bereits im Jahre seines Amtsantritts kaufte er bei Johann Jakob Pfälzer für 100 Reichstaler einen mit Edelsteinen besetzten Kelch. Mit Eifer machte er sich auch an die bauliche Verbesserung des Klosters. 1693 ließ er das künftig als sein Amtssitz gedachte Gebäude restaurieren. Der Bau einer neuen Orgel, die Errichtung einer Bibliothek und eines Archivs sowie die Einrichtung eines kleinen Naturalienkabinetts zeugen vom kunstsinnigen Wirken des Vogteiherrn, der Einkünfte für das Kloster von mehreren Ortschaften aus der Umgebung einzog, aber auch zum Bezug des Zehnten von Unterboihingen in Schwaben berechtigt war.

Auch auf dem karitativen Sektor wird Johannes Zahn genannt. Die Abgabe von Brot und Geld an Arme war wie in vielen Klöstern auch in Unterzell geübter Brauch. Für den 8. April 1700 wird eine besonders große Gründonnerstag-Speisung bezeugt. An diesem Tag wurden 900 "Brötlein" verteilt und Würzburger Dreier im Gesamtwert von zehn Gulden gereicht.
In den Jahren kurz vor seinem Tod besuchte Zahn zur Stärkung seiner Gesundheit mehrfach die Bäder Ems und Kissingen. So stellt sich das Bild des Propstes als Herrn eines großen Klosters dar, der hinter den Prälaten größerer Klöster keineswegs zurückstand. Gewöhnlich stiegen auch die Pröpste von Unterzell zur Stufe eines Abtes von Oberzell empor. Diese Würde erlangte Johannes Zahn allerdings nicht mehr. Im Alter von 66 Jahren starb er am 27. Juni 1707.
Es ist das Verdienst von Johannes Zahn, die Erkenntnisse seiner Zeit im Bereich der Optik zusammenzufassen. Wenn er damals schon eine lichtempfindliche Platte zum Fixieren des Bildes besessen hätte, würde er heute wohl als Erfinder der Fotografie gelten.
Literatur: Karlstadt Jahrbuch 2006/07 - Beiträge zu Geschichte und Gegenwart" mit einem Beitrag von Hans L. Müller mit dem Universalgenie Johannes Zahn.