Burg Rothenfels mit seinen 40 000 Übernachtungen kann die Jugendherberge (Juhe) Lohr nicht das Wasser reichen. Das liegt nicht nur an der unterschiedlichen Bettenkapazität (164 in Rothenfels, 96 in Lohr), sondern auch an dem Intermezzo als Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete, die Lohr bis 2017 zurückgeworfen hat. Doch hat das Haus in Lohr im vergangenen Jahr unter neuer Leitung wieder Boden gut gemacht.
Mit 6034 Übernachtungen im vergangenen Jahr ist die Lohrer Herberge dem mittelfristigen Ziel einen Schritt näher gekommen. Eine fünfstellige Zahl peilt Jürgen Goldbach letztlich an, 8000 sollen es in diesem Jahr werden. Goldbach leitet das Haus seit dessen Wiedereröffnung 2017. Es sieht ganz danach aus, als ob er auf einem guten Weg ist: Für das laufende Jahr seien bereits um die 3500 Übernachtungen gebucht, führte er bei einem Termin mit der Redaktion aus. Das sind rund 1000 mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres.
Momentan ist es noch recht ruhig im Brunnenwiesenweg. Zwar ist das Haus erstmals seit der Wiedereröffnung 2017 schon seit Jahresbeginn geöffnet. Doch werden Gäste anfangs nur sehr vereinzelt eintrudeln. So hat Goldbach genug Freiraum, sich dem Qualitätsmanagement zu widmen, mit dem sich alle gut 50 Jugendherbergen Bayerns auseinandersetzen müssen. Da geht es um gemeinsame Standards, angefangen von der Hausreinigung bis hin zur Küche. Die Vereinheitlichung des Erscheinungsbildes hat etwa zur Folge, dass die Speisenschilder neu zu gestalten sind.
Fleischlose Alternative
Einheitlich eingeführt wird auch ein Wochentag, an dem ausschließlich Vegetarisches angeboten wird. Zudem soll künftig grundsätzlich auch eine fleischlose Alternative zum herkömmlichen Essen angeboten werden. Dies gab's bisher nur auf Vorbestellung. Damit folgt das Jugendherbergswerk einem Trend, den auch Goldbach ausgemacht hat: Es wird mehr vegetarisches Essen gewünscht und es steigt auch der Anteil von Gästen, die mit Unverträglichkeiten zu tun haben.
„Auch bei Kindern ändert sich die Einstellung“, hat Goldbach bemerkt. „Viele Influencer (Beeinflusser und Meinungsmacher, die in sozialen Netzwerken über Marken berichten oder Produkte präsentieren) steigen um auf vegane Ernährung – das ist momentan hip.„ Gut angekommen ist auch der Trinkwasserbrunnen gleich im Eingangsbereich.
Zwar kommt da nur ganz gewöhnliches Leitungswasser aus dem Hahn, doch hat Goldbach in die Trickkiste gegriffen: „Spessart Quell – Trinkwasser“ steht in großen Kreidelettern auf der Tafel über dem Becken. Das lockt offenbar mehr als “Leitungswasser„. Den Nebeneffekt kann Goldbach verkraften: „Wir verkaufen halt weniger Softdrinks“, hat er schon im vergangenen Jahr festgestellt.
Im September wurde der Juhe-Garten durch einen kleinen Spielplatz aufgewertet. Kostenpunkt: 15 000 Euro. Heuer wird doppelt so viel Geld investiert: Kessel und Brenner der Gasheizung werden nach 34 Betriebsjahren ausgetauscht. Außerdem wird eine Brandmeldeanlage mit direkter Verbindung zur Feuerwehr installiert und die bisherige Hausmeldeanlage ersetzen.
Schulklassen – überwiegend aus der Grundschule oder fünften bis achten Klassen – sind das wichtigste Klientel der Lohrer Herberge. Sie kommen aus einem Umkreis von 100 Kilometern, so Goldbach, überwiegend aus dem Raum Würzburg und Aschaffenburg/Frankfurt.
In deren Fokus oftmals: Erlebnispädagogik und Teambuilding. Bei den entsprechenden Angeboten arbeitet Goldbach mit der Schattenspringer GmbH aus Bielefeld oder dem Schauspieler-Team der Spiel-Schau von Anna Habeck aus Mainz zusammen. Jüngster Partner ist die Familie Seufert aus Steinfeld. Mit deren Erlebnisbauernhof als Baustein will der Juhe-Leiter seine Angebotspalette dieser Tage noch erweitern.
Freizeitgruppen haben nicht selten längere Anfahrtswege als die Schulklassen. Da sind des öfteren Fußball-Mannschaften dabei, erzählt Goldbach – weshalb er froh ist, dass das Soccer-Center in Sackenbach weiterläuft. Mit Michael Lang, dem Vorgänger des neuen Betreibers Andreas Leidlein, hatte er bereits eingefädelt, Bubble-Fußball anzubieten. Bei diesem Freizeitspaß stülpen die Teilnehmer aufblasbare, transparente Kugeln über ihren Oberkörper und spielen so Fußball. Diese Idee will er nun mit Leidlein wieder aufgreifen.
Derlei Aktivität ist wichtig für die Jugendherberge. „Was in Lohr fehlt, ist was für Schlechtwettertage“, verdeutlicht Goldbach. Außer dem Besuch des Spessartmuseums sei in dieser Hinsicht wenig geboten. Kino und Disco seien für seine Gäste „irrelevant“, die vielen Spielplätze hingegen gefragt. „Die Wöhrde ist für uns Gold wert“, so der 40-jährige Herbergsvater. Auch der Stadtstrand, so er denn kommt, wäre für die Juhe „super“.
Besucher aus Frankfurt
Bleiben noch die unkalkulierbaren Individualreisenden, die sich nur selten vorher anmelden. „Die kommen meist spontan“, sagt Goldbach. Die Radler stoßen oft über die Online-Plattform bett+bike des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) auf die Jugendherberge. Andere werden über die Internetseite www.booking.com auf sie aufmerksam. Darunter ist dann auch schon mal ein Gast, der zu Messezeiten in Frankfurt keine Bleibe gefunden hat und von Lohr aus mit dem Zug dorthin fährt, erzählt er.
Vor allem jene, die einzeln, paarweise oder in kleinen Gruppen reisen, sorgen für internationales Flair in der Lohrer Herberge. Auf das Konto von Ausländern gingen im vergangenen Jahr laut Goldbach 240 Übernachtungen. Die meisten von ihnen kamen aus europäischen Ländern (offenbar größere Grüppchen aus Estland, Belgien, Italien, Frankreich, Polen und den Niederlanden), einzelne aber auch aus China, Kanada und den USA. Im vergangenen Jahr, schmunzelt der Herbergsvater, habe sich „sogar ein Australier hierher verirrt“.