Der Jüngste in einer Gruppe zu sein, das ist für Dimitrios Härtel gerade in mehreren Bereichen Alltag. Einmal wäre da seine Ausbildung zur Pflegefachkraft, die der 17-Jährige aus Thüngen direkt nach dem Schulabschluss vergangenes Jahr begonnen hat. Gleichzeitig ist da aber auch sein Ehrenamt, für das er streng genommen zu jung ist. Seit vergangenem Herbst ist er im Kirchenvorstand seiner Gemeinde; nach den Wahlen hat ihn das Gremium für Thüngen, Karlstadt und Arnstein "nachberufen", da er das Wahlalter noch nicht erreicht hatte. Wie er mit der neuen Verantwortung umgeht und was ihm sein Amt bedeutet, darüber hat Härtel mit der Redaktion gesprochen.
Zur Kirche selbst ist er durch die Konfirmation gekommen – "erst", wie Härtel betont. Seine Familie unterstütze sein Ehrenamt, doch der regelmäßige Kirchgang stand davor nicht auf dem Programm. Im Mehrgenerationenhaus mischen sich die religiösen Ausprägungen: Opa und Mutter sind evangelisch, die Oma katholisch und der Vater griechisch-orthodox.

So gab es zwar keine Regelmäßigkeit für den evangelischen Härtel, aber dafür ein Hineinschnuppern in andere Ausprägungen des Christentums. "Das Osterfest ist gerade bei den Orthodoxen sehr wichtig. Da geht man natürlich auch einmal in eine orthodoxe Kirche und sieht die andere Konfession", sagt er.
Die Gemeinde ist stolz auf den engagierten Jugendlichen
Die Konfirmation zu feiern und in der evangelischen Kirche zu bleiben, das war für Härtel dennoch eine klare Entscheidung. Damit sei er aufgewachsen und "am nächsten dran". Griechisch-orthodoxe Kirchengemeinden gebe es nur im 25 Kilometer entfernten Würzburg und im 36 Kilometer entfernten Schweinfurt, die katholische Kirchengemeinde in seinem Heimatort erscheint ihm weniger aktiv.
Der Gemeindepfarrer und gleichzeitig Härtels ehemaliger Religionslehrer, Tilman Schneider, bemerkte Härtels Interesse an der Kirche schon viel früher, etwa wenn dieser immer wieder Rollen im Krippenspiel übernahm. "Ich finde das toll, dass er im Kirchenvorstand ist", freut er sich. Dabei betont er, dass die Berufung nichts mit Nachwuchsgewinnung zu hatte oder damit, dass unbedingt ein Jugendlicher in dem Gremium vertreten sein sollte – Schneider führt das nur auf Härtels Interesse an der Gemeinde zurück. Und er sagt: "Die Gemeinde ist da stolz darauf."
"Das fiel mir am Anfang überhaupt nicht leicht. Ich habe es ein bisschen unterschätzt, ehrlich gesagt."
Dimitrios Härtel über seinen Start
Weitere Jugendliche finden sich unter den neuen Kirchenvorstands-Kontakten keine – leider, wie Härtel feststellt. In seinem Konfirmationskurs habe es mehrere interessierte Jugendliche gegeben. "Das ist das, was ich ein bisschen schade finde: Dass es in der Hinsicht für junge Leute wenig Angebot gab", sagt er. Bei ihm sei das eigene Interesse sehr stark gewesen, auch über die Konfirmation hinaus dabeizubleiben. Er nahm an Veranstaltungen teil, übernahm Lesungen in der Kirche oder spielte in der Christmette Musik. Eigeninteresse, das auch Eigeninitiative erfordert hat.
Seine Idee war es also, sich im Kirchenvorstand für die Jugendarbeit stark zu machen. Für seine Gemeinde da sein und die Kirche repräsentieren, so beschreibt er die grundsätzlichen Aufgaben des Kirchenvorstands. "Das fiel mir am Anfang überhaupt nicht leicht. Ich habe es ein bisschen unterschätzt, ehrlich gesagt", sagt Härtel. Von der Fülle an Aufgaben etwa, um die sich das Gremium kümmert, sei er anfangs überrascht gewesen.

Vor allem in die Verwaltungsthemen müsse er erst noch "reinkommen". Trotzdem darf er seit der ersten Sitzung mit abstimmen und seine Meinung abgeben. "Da hatte ich am Anfang Schwierigkeiten, so ganz frei eine andere Meinung zu äußern oder auch einmal gegen eine Meinung zu sprechen."
"Die Idee zum Kirchenvorstand wurde angeleitet durch verschiedene Leute, die mich dazu animiert haben", sagt Härtel rückblickend. Ausschlaggebend war für ihn auch, nach der Konfirmation den Kontakt zur Kirche nicht zu verlieren. Dabeibleiben lässt ihn vor allem die Gemeinschaft, die er dort findet. Denn einfach ist es nicht, sich die Zeit für das Ehrenamt einzurichten.
"Es ist natürlich fordernd, aber es bewegt sich alles im Rahmen. Man bekommt den Freiraum, den man braucht, und man engagiert sich, soweit man kann."
Härtel über die Balance zwischen Ehrenamt, Ausbildung und Freizeit
Die Ausbildung, ein Nebenjob und monatlich etwa acht bis zehn Stunden Einsatz als Kirchenvorstand, da bleibt wenig Freizeit übrig. "Es ist natürlich fordernd, aber es bewegt sich alles im Rahmen. Man bekommt den Freiraum, den man braucht, und man engagiert sich, soweit man kann", sagt Härtel gelassen.
Schafft der 17-Jährige es bei diesem Pensum auch jeden Sonntag in die Kirche? Auf diese Frage hin muss Härtel erst einmal lachen. "Das muss ja gar nicht sein", klärt er auf. Die Sommergottesdienste findet er besonders schön, aber es werde nicht erwartet, dass er jede Woche teilnehme.
In der Pfarrei kann er mit seiner Perspektive vor allem Melina Racherbäumer unterstützen. Die Pfarrerin kümmert sich verstärkt um Jugendarbeit. "Das Ziel ist: Konfirmanden zukünftig zu behalten", sagt Härtel. Was Jugendliche wirklich wollen, was sie animiert, in der Kirchengemeinde aktiv mitzumachen – da will er Anregungen beisteuern.

"Der Vorteil ist: Die Jugendlichen erkennen in ihm ein viel stärkeres Vorbild im Glauben als in mir", sagt Racherbäumer. Die Wege seien kürzer, das Duzen falle leichter. Mit Härtel möchte sie einen Teamer-Stamm aus Konfirmierten aufbauen, die nachkommende Konfirmanden im Unterricht und auf Freizeiten begleiten. Doch nicht nur Härtels Alter macht ihn aus ihrer Sicht für die Jugendlichen nahbar: "Er hat ein total tolles Gespür für Menschen", lobt Racherbäumer.
Kritik und "doofen" Blicken stellt er sich selbstbewusst
Härtel selbst unterstützt den Konfirmandenunterricht bereits regelmäßig. "Letztes Mal war Tod und Sterben das Thema, und der Umgang damit im Glauben." Mit diesem Thema wird er bei seiner Ausbildung ebenfalls konfrontiert. "Wenn man das erste Mal damit in Berührung kommt, ist das echt schwierig", sagt der 17-Jährige. Dabei helfe ihm sein Glaube, ganz unabhängig vom Kirchenvorstandsamt.

Meist seien die Reaktionen auf sein Ehrenamt positiv, ab und an werde er auch einmal doof angeguckt. "Das ist gar nicht schlimm", sagt der 17-Jährige selbstbewusst. Bisher habe er sich nur in einer Begegnung mit starker Kritik an der Kirche auseinandersetzen müssen.
Ob er sich in knapp sechs Jahren tatsächlich zur Wahl aufstellen lässt, da ist sich Härtel unsicher. Nicht etwa, weil ihm die Begeisterung für sein Amt bereits abhandengekommen ist. Ganz verantwortungsbewusst will er abwarten, was sein Berufseinstieg nach der Ausbildung mit sich bringt, bevor er sich auf eine Antwort festlegen lässt.