Latein oder Französisch? Viele tun ich schwer mit dieser Entscheidung, die am Johann-Schöner-Gymnasium Karlstadt nach der 5. Klasse ansteht. Bei Informationsveranstaltungen buhlen beide Fachschaften regelrecht um "Nachwuchs".
Im Lateinunterricht geht es oft martialisch zu. Da werden Texte gelesen, die von der "Schanzarbeit, die die Römer leisteten", handeln. Die Jugendlichen haben es mit Begriffen zu tun, die fernab des heutigen Sprachgebrauchs sind. Beispielsweise wird "decet" mit "es geziemt sich" übersetzt. Und am Ende geht es um Stilanalysen von Vergil. Im Französischen wiederum tun sie sich oft schwer, weil die Hälfte der Wörter beim Sprechen verschluckt wird. Beim "Romanistik-Tag" am Karlstadter Johann-Schöner Gymnasium ging es um beide Sprachen. Und beide erschienen auf einmal höchst plastisch und spielerisch.
Schüler wurden zu römischen Soldaten
Der Archäologe Mario Becker zog einem Sechstklässer eine Tunika an, streifte ihm ein Kettenhemd über, gab ihm Helm, Schwert, Speer und Schild. "Es heißt ,der Schild', denn ,das Schild' ist zum Beispiel das Preisschild oder das Verkehrsschild", betonte er. Mit seiner lebhaften Art führte er die Jugendlichen tief in die Details ums Soldatenleben im alten Rom ein. "Wie lange war einer Soldat?" Die richtige Antwort lautete 25 Jahre. "Nur" 20 Jahre leisteten die Legionäre ab – sofern sie es überlebten.

Eine Spezialität sei das kurze römische Schwert (lateinisch: Gladius) gewesen, das rechts getragen wurde und auch noch im engen Kampfgetümmel einsatzfähig war. Es sei aber erst zum Einsatz gekommen, wenn der Speer "verbraucht" war. Dessen Spitze sei so konstruiert gewesen, dass sie sich im Ziel verbog und es daher unsinnig war, ihn zurückzuschleudern.
Gar nicht mehr kriegerisch wurde es bei Beckers Erklärungen zur Stadt Pompeji. Der Vulkanausbruch des zuvor 1500 Jahre ruhigen Vesuvs habe detaillierte Kenntnisse über die Lebensweise der dortigen Menschen 79 n. Chr. ermöglicht. So etwa ist unter der Vulkanasche ein "Fastfoodrestaurant" beinahe vollständig erhalten geblieben. Der Dozent zeigte sich im Nachhinein beeindruckt vom Wissen und der Wissbegierigkeit der Karlstadter Gymnasiasten.
Theater ohne Camembert
Theater auf Französisch spielen mit einer Klasse, die erst ein Jahr Französisch hatte, geht das? Ansatzweise zumindest gelang dies dem aus Frankreich stammenden und in Berlin lebenden Schauspieler und Regisseur Vincent Simon. Mit Spielen lockte er die acht Mädchen und zwei Jungs der 8. Klasse aus der Reserve. Das begann höchst niederschwellig: "Sagt mir bitte jeder ein französisches Wort, aber bitte nicht ,Baguette' oder ,Camembert'.'"

Über die Darstellung von "Angst" (französisch: le peur) oder "Freude" (la joie) mit passenden Ausdrücken wie "genial" oder "formidable" ging es bis zu kleinen Szenen, in denen sich zwei begegnen und fragen, wie es geht oder auch "Willst du mich heiraten?".
Nicht "trop complexe"
Diejenigen, die schon in der 6. Klasse Französisch gewählt haben, hatten kleine Theaterstücke einstudiert, die sie den "Lateinern" präsentierten. Die eingeübten Sätze gingen ihnen nach erst einem Jahr Französisch erstaunlich flüssig über die Lippen, etwa, als die Oma an ihrem Geburtstag feststellte, dass ihr Geburtstagsgeschenk – ein Mobiltelefon (französisch: le portable) – für sie "trop compliqué" (deutsch: zu schwierig) ist. Für die Schülerinnern und Schüler dagegen war die Aufführung überhaupt nicht "trop compliqué". Fast schon überfüllt war die Bühne, als eine ganz Französischklasse ein Lied im Karaoke-Stil sang. Französisch oder Latein? Nach diesem Tag habe es keinen Verlierer, sondern zwei Sieger.
Nach der 5. Klasse wählen die Karlstadter Gymnasiasten zwischen Französisch und Latein. Wer Latein genommen hat, wählt nach der 7. Klasse noch einmal, dann aber zwischen Französisch und einer Vertiefung der Naturwissenschaften. Wer sich aber nach der 5. Klasse für Französisch entschieden hat, ist später automatisch im vertieften naturwissenschaftlichen Zweig, hat also mehr Physik, Chemie und Informatik als die Sprachler.
