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Karlstadt: Karlstadter Geiselnehmer bittet sein Opfer vor Gericht um Verzeihung

Karlstadt

Karlstadter Geiselnehmer bittet sein Opfer vor Gericht um Verzeihung

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    Nach über acht Stunden ergab sich im Februar ein  Geiselnehmer in Karlstadt. Nun sitzt er auf der Anklagebank.
    Nach über acht Stunden ergab sich im Februar ein  Geiselnehmer in Karlstadt. Nun sitzt er auf der Anklagebank. Foto: Archivfoto: Karlheinz Haase

    Mehr als acht Monate nach der Geiselnahme einer Frau in Karlstadt (Lkr. Main-Spessart) hat der Angeklagte die Tat zu Prozessbeginn weitgehend eingeräumt. Dem Verdächtigen werden auch Beleidigung und Bedrohung vorgeworfen. Schon an diesem Dienstag könnte es ein Urteil geben.

    Auf der Anklagebank wirkt der 23-Jährige entsetzt über sich selbst. Der schmale Mann kann die Frau kaum anschauen, der er ein Messer an die Kehle gehalten hatte – und die dennoch kühlen Kopf bewahrte. "Ich habe versucht, nichts zu tun, was ihn dazu bewegt, den Schalter umzulegen", erklärt sie im Zeugenstand.

    Zur falschen Zeit am falschen Ort

    Nach Mitternacht war sie in jener Nacht wach geworden, weil der Unbekannte im Hausgang an der Wohnung unter ihr vehement gegen die Tür schlug und trat, aber keiner öffnete. Die Frau und ihr Sohn gingen in den Hausgang, baten vergeblich den Wütenden, aufzuhören, damit sie schlafen könnten.

    Dann kam die alarmierte Polizei. Er floh treppauf, hatte plötzlich einen langen Dolch in der Faust, drängte die Frau und ihren Sohn in deren Wohnung zurück und verschanzte sich da. Dem Sohn gelang die Flucht, die Mutter blieb in der Hand des Geiselnehmers.

    Beschämt über sich selbst

    Jener verbirgt vor Gericht beschämt den Kopf in den Armen, als die Frau von acht Stunden Todesangst berichtet. Er schüttelt über die eigene wüste Beschimpfung den Kopf, als die Tonband-Aufnahme von der Verhandlung mit der Polizei abgespielt wird, wo er vehement Heroin verlangte, um sich mit einem "goldenen Schuss" das Leben zu nehmen. Dabei war er schon im Rausch, hatte vor der Tat reichlich Alkohol, Cannabis und LSD genommen.

    Verteidiger Christian Cazan muss für ihn sein Geständnis verlesen: Von seiner Ex-Freundin in Karlstadt und deren Freund sei ihm Hilfe versprochen worden, doch dann stand er vor verschlossener Tür, erklärt er. Er sei verzweifelt gewesen, habe nicht weiter gewusst. Da sei er ausgerastet.

    Die Polizei versuchte vergeblich, zu ihm und der Geisel zu kommen. Er hielt der Frau das Messer an den Hals, verlangte Zigaretten, Tabletten und Drogen. Nach acht Stunden kletterte er durch ein Fenster aufs Dach. Die Geisel entkam. Der Mann drohte, herunterzuspringen, gab dann doch auf.

    Die Frau schildert, wie sie noch heute an der Erinnerung leidet, in ärztlicher Behandlung ist, die Wohnung wechselte, kaum noch nach draußen geht. "Es ist nichts mehr, wie es war", sagt sie auf Nachfrage des Vorsitzenden Thomas Schuster.

    Minutenlang die Geisel um Vergebung angefleht

    Da bricht es aus dem Angeklagten heraus: Minutenlang fleht er mit dramatischen Worten die Frau an, ihm zu vergeben. "Es muss für Sie eine schreckliche Erfahrung gewesen sein", sagt er. "Ich schäme mich sehr."

    Alle Prozessbeteiligten schweigen nach diesem Ausbruch. Dann erklärt die Geisel mit Tränen in den Augen: "Ich nehme Ihre Entschuldigung an." Auch den Sohn fleht er an, und der gibt fast knurrend zurück: "Machen Sie das beste daraus."

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