Gut zwei Jahre lang hat der Karlstadter HNO-Arzt Dr. Heinz Hauck einen Nachfolger gesucht – ohne Erfolg. Seine Praxis wird deshalb geschlossen. Der reguläre Betrieb endet bereits an diesem Freitag, offiziell besteht die Praxis noch bis Ende nächster Woche, dem Quartalsende. Seine Patienten und Patientinnen müssen sich einen neuen Facharzt suchen, erklärt eine Medizinische Fachangestellte am Telefon.
Im Landkreis Main-Spessart bleibt ihnen da keine große Auswahl mehr: Der einzig verbleibende Hals-Nasen-Ohren-Arzt ist Dr. Friedrich Hochapfel in Lohr. Doch auch er wird für seine Praxis in Lohr in absehbarer Zeit einen Nachfolger suchen. Vor einem Jahr sagte er der Redaktion, er wolle seine Praxis maximal noch sieben Jahre führen. 2029 wäre also spätestens Schluss. Die Arbeitsbelastung in der Praxis ist hoch, Zeit für ein Gespräch mit der Redaktion bleibt nicht.

Schon seit Jahren gilt der Landkreis bei den Hals-Nasen-Ohren-Ärzten als unterversorgt. Eigentlich stünden laut der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) 4,5 Sitze zur Verfügung, besetzt ist ab April nur noch einer. Axel Heise ist Pressesprecher der KVB und bestätigt, dass der Landkreis nun auch offiziell als unterversorgt eingestuft wird. Zuvor lief er nur als "drohend unterversorgt".
Wer sich als HNO-Arzt niederlässt, bekommt einen Zuschuss von 90.000 Euro
Die KVB bemüht sich laut Heise intensiv darum, Nachfolger für Main-Spessart zu finden. Man biete eine Niederlassungsberatung an, es gebe Seminare und Veröffentlichungen in den Medien. Außerdem verspricht die KVB einen großen finanziellen Anreiz: Wer sich als HNO-Arzt in Main-Spessart niederlässt, erhält einen Zuschuss von 90.000 Euro. Heise sagt jedoch auch: "Der Mangel an HNO-ärztlichem Nachwuchs seit vielen Jahren, insbesondere in ländlich geprägten Regionen, ist kein lokales, sondern ein bundesweites Problem."
Doch warum ist es so unattraktiv, einen HNO-Sitz zu übernehmen? Bereits vor einem Jahr erklärte der Karlstadter Arzt Dr. Hauck gegenüber dieser Redaktion, dass viele jüngere Ärzte heute lieber in einer Klinik arbeiten würden, als in die Selbstständigkeit zu gehen. "Als Oberarzt ist der Verdienst dort gleich. Aber sie haben nicht so viel Organisatorisches zu erledigen wie in einer eigenen Praxis", so Hauck damals.
Praxen haben kaum Inflationsausgleich erhalten
Laut Pressesprecher Heise spielt auch der Trend zum Arbeiten in Teilzeit eine große Rolle. "Für das Arbeitsvolumen, das früher ein Arzt geleistet hat, braucht es künftig gegebenenfalls zwei Ärzte in Teilzeit", so Heise. Das hänge auch damit zusammen, dass in der Medizin immer mehr Frauen arbeiten und Familien sich die Sorgearbeit für Kinder heute gleichberechtigter aufteilen als früher.

"Auch die explodierenden Energiekosten wirken sich ausgesprochen negativ auf die wirtschaftliche Kalkulationsgrundlage der Praxen aus", erklärt Heise. Da sie die Preise nicht einfach erhöhen könnten, würden die niedergelassenen Ärzte auf den Mehrkosten durch die Inflation größtenteils sitzen bleiben. Das stehe im Gegensatz zu der finanziellen Unterstützung, die viele Krankenhäuser vom Staat erhalten haben.
Keine Belegbetten für HNO-Ärzte im Klinikum in Lohr
In einem Gespräch über die Hausärzteversorgung in Gemünden erklärte der Allgemeinarzt Dr. Helmut Aulbach Mitte Februar, für ein Medizinisches Versorgungszentrum wäre ein HNO-Arzt eine ideale Ergänzung. In diesem Zusammenhang wies er auf die fehlende Möglichkeit zu HNO-Operationen über Belegbetten am Klinikum in Lohr hin. Das mache den Landkreis für einen HNO-Arzt weniger attraktiv, so Aulbach.

Grundsätzlich hat das Klinikum Main-Spessart Interesse, das Fachgebiet HNO anzubieten, erklärt Jessica Werthmann, Assistentin des Klinikreferenten. Die Geschäftsführung habe in den vergangenen Jahren Gespräche mit potentiellen HNO-Ärzten und -Ärztinnen geführt, um ein Belegarztsystem mit niedergelassenen Ärzten zu etablieren. "Diese Gespräche waren jedoch erfolglos", so Werthmann. Als mögliche Erklärung führt sie an, dass die hohe Komplikationsrate nach HNO-Operationen für viele Ärzte ein Hindernis darstelle. Denn das impliziere, dass die Fachärzte in unmittelbarer Nähe des Klinikums verortet sein müssten, um schnell reagieren zu können.
HNO grundsätzlich ein attraktives Fachgebiet
Dass die OP-Möglichkeit ausschlaggebend ist, das denkt Dr. Bernhard Junge-Hülsing jedoch nicht. Er ist bayerischer Landesvorsitzender des HNO-Berufsverbandes. "Im Jahr 2000 waren circa 40 Prozent belegärztlich tätig, jetzt sind auch aufgrund der völlig unzureichenden Vergütung nur noch etwas mehr als 15 Prozent ambulant und belegärztlich operativ tätig", erklärt er. Wichtiger ist in seinen Augen, dass die Anzahl der Studienplätze erhöht wird. "Außerdem hat die Bürokratie in den Praxen mittlerweile ein Ausmaß angenommen, die jede Vorstellungskraft übersteigt", so Junge-Hülsing. Trotz allem habe er den Eindruck, dass die Hals-Nasen-Ohrenheilkunde ein eher attraktives Fachgebiet für junge Ärzte und Ärztinnen sei.