Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Marktheidenfeld
Icon Pfeil nach unten

MARKTHEIDENFELD: Kassandra entschied sich für den Tod

MARKTHEIDENFELD

Kassandra entschied sich für den Tod

    • |
    • |
    Mythologische Königstochter: In der Rolle der Kassandra zog Cornelia Gutermann-Bauer ihr Publikum auf der Bühne des „Lichtspielhauses“ in den Bann ihrer Schauspielkunst.
    Mythologische Königstochter: In der Rolle der Kassandra zog Cornelia Gutermann-Bauer ihr Publikum auf der Bühne des „Lichtspielhauses“ in den Bann ihrer Schauspielkunst. Foto: Foto: Martin Harth

    Es waren nicht allzu viele Gäste, die am Dienstagabend den Weg ins Marktheidenfelder „Lichtspielhaus“ fanden. Hauptsächlich Frauen schienen sich für den „Kassandra“-Monolog der Schauspielerin Cornelia Gutermann-Bauer zu interessieren. Schließlich aber waren mit rund 30 Zuschauern doch mehr Leute gekommen, als man erwarten durfte.

    Griechische Mythologie, selbst wenn sie als Gleichnis der Jetzt-Zeit zu verstehen wäre, gilt als altmodisch, bildungsbürgerlich und ein wenig verstaubt. Zugegeben, was die Besucher mit Christa Wolfs Kassandra-Bearbeitung erwartete, war kein leichter Stoff. Aber die Inszenierung in einem nahezu idealen Raum mit intimer, kleiner Bühne war keineswegs eine Sache von gestern.

    Ein Schrei zerreißt die Luft auf der dunklen Bühne. Die Königstochter Kassandra, gefangen als Kriegsbeute in Mykene, erwacht aus ihren Träumen und beginnt ihren Erzählmonolog. Die Seherin, der niemand Glauben schenken wollte, erinnert sich an den endlosen Krieg zwischen den Trojanern und Griechen. Die Schilderung, wie Achill Kassandras Bruder Troilos tötet, wurde zu einer eindrucksvollen, großartigen Anklage gegen die Grausamkeit. Achill wird wiederum von Paris ermordet.

    Als Paris stirbt, kehrt Kassandra aus den Ida-Bergen zu dessen Totenfeier nach Troja zurück, das seinem Ende entgegensieht. Die Seherin flieht nicht aus der Stadt, eine Entscheidung für den eigenen Tod.

    Als die Griechen Troja schließlich erobern, wird Kassandra vergewaltigt und mit ihren Zwillingen von Agamemnon gefangen genommen. Mit diesem wird sie in Mykene von Klytaimnestra und ihrem Geliebten ermordet, da diese als Agamemnons Gattin dessen Opfer ihrer gemeinsamen Tochter Iphigenie nicht verkraftet.

    Die der Aufführung zugrunde liegende Erzählung von Christa Wolf ist bei ihrem Erscheinen auf dem Höhepunkt des nuklearen Wettrüstens im Jahr 1983 im geteilten Deutschland unterschiedlich aufgenommen worden. Christa Gutermann-Bauers intensive über 80-minütige Darstellung auf der Bühne lässt Spielräume für Interpretation offen. Dabei kann man die feministische Kritik am Patriarchat aufgrund der schlüssigen Mimik und Gestik an erster Stelle nennen. Kassandra wird von den handelnden Männern zum Objekt gemacht. Die Entscheidung für ihre Autonomie führt sie in den Tod.

    Natürlich bleibt das Stück auch eine mahnende Anklage gegen Krieg und Gewalt, ist aber auch als Form der Auseinandersetzung der Rolle von Autorin Christa Wolf in der DDR zu lesen. Sie nahm nach ihren ersten Erfolgen eine zunehmend kritische Einstellung zum sozialistischen deutschen Staat ein, wo sie von 1959 bis 1962 aber auch als „IM Margarete“ Zuträgerdienste für die Staatssicherheit leistete. Verstrickung, auch das ist ein Thema der Königstochter Kassandra.

    Die Inszenierung des Oberfränkischen Turmalin-Theater machte nicht zuletzt Regisseur Günter Bauer mit seiner suggestiven Lichtführung zu einem konzentrierten Erlebnis. Wenige Lichtquellen sorgen im dunklen Bühnenraum für Aufmerksamkeit.

    Der Volkshochschule und der Stadtbücherei ist zu danken, dass man sich an einen so schweren Stoff als gemeinsamer Veranstalter heranwagte, wohl wissend, dass dies kein Programm für das breite Publikum ist. Die Qualität der Aufführung sollte dazu ermuntern, auch künftig nicht auf so genannte Minderheiten-Programme zu verzichten.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden