Im Alter von 17 Jahren flog Thorsten Hecht das erste Mal mit seiner Freundin, die heute seine Frau ist, nach Menorca. Beim Verlassen des Fliegers schnappte er sich als Souvenir eine Spucktüte der Fluggesellschaft Transavia. Er klebte sie als Erinnerung in sein Urlaubsalbum. Bei seinem nächsten Flug stellte er fest, dass die andere Fluggesellschaft auch andere Tüten hatte. Der Elektrikermeister, der heute 45 Jahre alt ist, fand Gefallen an dieser etwas anderen Art des Souvenirs. Heute, fast 30 Jahre später, hat er fast 5000 Spucktüten gesammelt. In Ordnern abgeheftet nehmen sie in seinem Büro eine ganze Regalwand ein.
Der gemütliche Teil der Luftfahrtindustrie
Er regte seine Freunde dazu an, ihm die Tüten ihrer Flugreisen mitzubringen. Sie belächelten das seltsame Hobby, doch 2004 lernte er Gerhard Lang aus Gerlachsheim (Lkr. Main-Tauber)kennen. Die Männer stellten fest, dass sie die Sammelleidenschaft teilten. Die beiden tauschten ihre Tüten untereinander aus und besuchten Luftfahrtmessen in Frankfurt, wo sie auf andere gleichgesinnte wie Gerd Clemens trafen. So wurde die Internetseite baghecht.de geboren. Dort nehmen sie jede ihrer Tüten in eine Datenbank auf, registrieren die Papierart, die Form, das Design. Die drei Sammler seien "das Nachschlagewerk aller Tütensammler", so Hecht. Aktuell sind auf ihrer Seite über 10.000 Spucktüten aus aller Welt von den letzten 70 Jahren registriert.

Das Herzstück der Sammlung des Elektrikermeisters ist vermutlich eine Spucktüte von Air Vietnam aus den 1960er Jahren. "Selbst für seltene Tüten muss man nicht viel zahlen", erzählt er. Normalerweise kriege man eine Tüte auf Ebay schon für ein paar Euro, eine "teure" kostet meist auch nicht mehr als 15 Euro. "Doch statt zu kaufen, tauschen wir lieber." Der gesellschaftliche Aspekt spiele in der Szene eine wichtige Rolle, der 45-Jährige schätzt, dass die Community der Tütensammler weltweit nicht mehr als 100 Mitglieder hat. "Man kennt sich durch Luftfahrtmessen. Man drückt auch mal ein Auge zu und tauscht gegen Tüten, die man nicht unbedingt will".
"Das ist kein Konkurrenzkampf, sondern wir haben alle nur Spaß an der Sache."
Thorsten Hecht, Spucktütensammler

Ein Stückchen Geschichte in Papierform
Hecht zeigt sein Regal voller alphabetisch sortierter Ordner gefüllt mit Tüten. Das Regal ist 2,50 Meter breit und 2 Meter hoch. Es fällt auf, dass einige der Ordner mit Namen von Fluggesellschaften beschriftet sind, die heute nicht mehr existieren. "Auf Luftfahrtmessen interessiert sich niemand für die Spucktüten. Die Leute wollen eher Fluguniformen oder die Ausstattung des Fliegers haben", sagt der Sammler. "Aber wir finden, dass die Tüten ein Stück Geschichte darstellen. Früher waren sie noch kreativ bedruckt, mit Referenzen zum Zeitgeschehen, wie beliebten Comics". Seiner Meinung nach würden die Beutel heute eher als Werbefläche genutzt. Wo Fluggesellschaften früher noch Design-Wettbewerbe ausriefen, um an der Gestaltung einer Tüte mitzuwirken, befindet sich heute ein Spendenaufruf für internationale medizinische Hilfe.

Für einen echten Sammler ist kein Weg zu weit
"Ich finde meine Tüten von nordkoreanischen Airlines oder aus der DDR besonders spannend", erzählt Hecht. "Die aus Nordkorea habe ich auf einer Messe in Frankfurt durch ein Tauschgeschäft bekommen. Ich würde niemals in ein Land reisen, nur um mir dann eine bestimmte Spucktüte aus dem Flieger zu holen. Doch es gibt andere Sammler, die buchen sich extra einen Flug, nur wegen der Luftfahrtmemoiren. Denen ist das Ziel egal". Er meint, seine Sammelleidenschaft sei am Ende des Tages eben sein Hobby. "Ich habe keine Grenze, ich sammle einfach weiter so lange es mir Spaß macht. Aktuell nimmt meine Sammlung ja nicht zu viel Platz ein, eine Schrankwank kann ich entbehren", lacht er. Selbst habe er noch nie eine Tüte benutzen müssen, "Dafür sind sie mir zu schade", sagt Hecht mit einem Augenzwinkern.

Während seiner USA-Rundreise mit Freunden im Jahr 2015 ließ der Uettinger seine Gruppe weiterziehen, um eine Messe am Flughafen zu besuchen. Die "Airliners International Convention" bot für ihn die Gelegenheit, an Sammlerstücke zu kommen, die es in Deutschland vielleicht nicht gäbe. Bis heute ist er froh, seine Gruppe kurz verstoßen zu haben, denn seine Souvenirs sind für ihn unbezahlbar. Seine Freunde und Familie können darüber nur schmunzeln. Doch sie alle haben den 45-Jährigen jedes Mal, wenn sie in einen Flieger steigen, im Kopf. Und mit etwas Glück machen sie ihm bei der Rückkehr eine wertvolle Freude.