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KARLSTADT: Kippt das Handy-Verbot?

KARLSTADT

Kippt das Handy-Verbot?

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    _ Foto: cossmix (iStockphoto)

    Am Johann-Schöner-Gymnasium (JSG) in Karlstadt ist ein massiver Streit über die Frage entbrannt, wie dort zukünftig mit der Nutzung von Handys umgegangen werden soll. Die juristische Situation ist dabei unklar. Die Auseinandersetzung gipfelt in der Frage, ob das bayerische Handyverbot noch zeitgemäß ist. 2006 beschloss das CSU-Kabinett unter Ministerpräsident Edmund Stoiber, dass Handys, aber auch Laptops und Kameras in der Schule ausgeschaltet sein müssen.

    Doch nun gibt es massiven Gegenwind: Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), der Landesschülerrat (LSR) und der Bayerische Elternverband (BEV) sprechen sich geschlossen gegen das Verbot aus. Die derzeitige Regelung sei nicht mehr zeitgemäß und müsse abgeschafft werden. In einem Positionspapier des Landesschülerrats, das dieser Redaktion exklusiv vorliegt und an das Staatsministerium weitergeleitet werden soll, heißt es, dass man sich „für schulintern individuell regelbare Verfahren“ ausspricht. Man sei der Meinung, dass jede Schule selbst „in den Schulforen“ uneingeschränkt entscheiden sollte. Das werte die „Entscheidungsfreiheit der einzelnen“ Schulen auf und ermögliche eine Anpassung an örtliche Gegebenheiten.

    Umdenken im Gange

    Bei der CSU, so scheint es, ist ein Umdenken im Gange. Das Smartphone sei Kommunikationsmittel, Informationsquelle, Unterhaltungsmedium und Assistent bei der Organisation von Arbeit, Hobby und Alltag, sagt Dorothee Bär (Ebelsbach), Staatssekretärin für digitale Infrastruktur. Statt eine „analoge Betonmauer um die Schulhöfe zu bauen“ sollte man die Geräte in den Unterricht integrieren und sich Fragen zur sinnvollen Handynutzung stellen. „Wer bitte soll denn ernsthaft glauben, dass Kinder und Jugendliche vor jugendgefährdenden Inhalten geschützt seien, wenn man das Handy in der Schule verbietet?“, so Bär. „Viel wichtiger wäre es, aufzuzeigen, wie man sich – etwa durch technische Lösungen wie Software oder Filteranwendungen – von solchen Inhalten fernhalten kann und was zu tun ist, wenn einem dann doch etwas Problematisches begegnet.“ Das Smartphone sollte nicht verbannt werden: „Wir haben uns früher heimlich Zettelchen im Klassenzimmer geschrieben. Aber niemand wäre auf die Idee gekommen, Papier zu verbieten“, sagt Bär.

    Ein Zeichen von Hilflosigkeit

    Florian Schwegler, Bezirksschülersprecher der Gymnasien in Unterfranken, hält eine verbotsähnliche Einschränkung zwar für die angenehmste Variante für die Staatsregierung, sie zeuge aber von Hilflosigkeit und löse keine Probleme. „Man sollte Mobbing bestrafen, nicht das Medium verbannen“, so Schwegler. Für ihn ist klar: „Die Digitalisierung ist bereits im Gange. Die Frage ist, ob sich das Staatsministerium dieser Entwicklung verschließt oder sie aktiv begleitet.“

    Interessanterweise sind sich Lehrer, Schüler und sogar die Eltern in dieser Frage einmal einig. Mit einem solchen Verbot würden die falschen Zeichen ausgesendet, sagt Gerhard Bleß, unterfränkischer Bezirksvorsitzender des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV). „Man kann im digitalen Wandel nicht nur die Schattenseiten beleuchten, damit wird die Chance für zeitgemäße Schulen vertan.“ Monika Roemer-Girbig, Regionalbeauftragte des Bayerischen Elternverbandes für Unterfranken, gibt zu bedenken, dass das Handyverbot in der Praxis nur schwer durchsetzbar sei. Sie ergänzt: „Das Handy in der Schule zu verbieten, ist, wie wenn man früher die Bücher aus der Schule verbannt hätte.“

    Das JSG in Karlstadt wurde in der Vergangenheit ausgezeichnet mit dem Deutschen Schulpreis. Der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle sagte einmal: „Die Innovationskraft des Johann-Schöner-Gymnasiums kann allen Schulen als Vorbild dienen.“ Gilt das auch für den Umgang mit Smartphones?

    Mit allen Beteiligten diskutiert

    Unter dem früheren Schulleiter Albert Häusler wurde diese Frage über zwei Jahre hinweg mit allen Beteiligten diskutiert. Als Ergebnis wurde, auf Initiative der Schülersprecher hin, eine Smartphone-Regelung beschlossen: Das Schulforum und die Lehrerkonferenz stimmten mit großer Mehrheit zu, dass die Schüler ihre Handys in der Mittagspause und im Oberstufenraum nutzen dürfen. Der Zeitraum war entsprechend begrenzt. Der Unterricht und die Zwischenpausen sollten handyfreie Zone bleiben. Die Testphase sei sehr positiv verlaufen, heißt es aus Schulkreisen. Die Schüler seien mit ihrer neuen Freiheit sehr „vernünftig“ umgegangen, so Personalrat Peter Stegmann.

    Jutta Merwald, seit diesem Schuljahr neue Leiterin des Gymnasiums, hat die Regelung ohne Einbeziehung der Gremien in den ersten Tagen nach ihrem Amtsantritt zurückgenommen. Sie beruft sich auf eine Antwort der Rechtsabteilung des Kultusministeriums, aus deren Sicht die am JSG beschlossene Regelung „zu weitgehend“ und nicht mit dem gesetzlichen Handyverbot „vereinbar“ sei. Die „autonome Schule gibt es nicht“, schreibt Merwald in einer schriftlichen Stellungnahme, „es gibt die eigenverantwortliche Schule, die sich wohlweislich in einem gesetzlichen Rahmen zu bewegen hat“. Sie verweist darauf, dass auch am JSG in Karlstadt Schüler in Ausnahmefällen ihr Handy verwenden dürfen, etwa um Eltern im Krankheitsfalle oder bei frühzeitigem Unterrichtsschluss informieren zu können. Auch dürfe es unter Aufsicht einer Lehrkraft zu Unterrichtszwecken benutzt werden. Dem Kultusministerium sei an einer Medienbildung gelegen, „die unsere Schülerinnen und Schüler zu einem kompetenten, sinnvollen und rechtlich einwandfreien Umgang mit den Medien qualifiziert“. Sie als Schulleiterin unterstütze dies.

    Dass Unstimmigkeiten um eine von der Schulleiterin verfügte Änderung der Hausordnung, die vom Schulforum abgelehnt wurde, der Grund gewesen sei, dass sie ihre für Dezember geplante Feier zur Amtseinführung abgesagt habe, bestreitet Merwald. Das sei nicht der Grund gewesen.

    Kein Spielraum

    Bezüglich des Handyverbots erklärte Jutta Merwald bereits vor einigen Wochen: „Wir handeln so wie jede bayerische Schule handeln muss. Die gesetzliche Vorgabe lässt uns keinerlei Spielraum.“ Das bayerische Kultusministerium indes teilt auf Anfrage dieser Redaktion mit, dass Schulen „für bestimmte Falltypen Ausnahmen“ in einer Hausordnung regeln können. Bildungsstaatssekretär Georg Eisenreich (CSU) konkretisiert dies: „Es können dabei auch angemessene Zeitfenster für die Nutzung außerhalb des Unterrichts beschlossen werden.“ Dies stützt die Position des Elternbeirats, denn nichts anderes wurde am JSG praktiziert. Es ging nur um einen begrenzten Zeitraum in der Mittagspause.

    Wolfgang Baumann, Fachanwalt für Verwaltungsrecht aus Würzburg, erklärt, dass die Aussagen des Kultusministeriums „widersprüchlich“ seien. Seiner Ansicht nach hat grundsätzlich das Lehrpersonal zu entscheiden. In einer Hausordnung könnten Empfehlungen gegeben werden, die für die Lehrer aber nicht bindend seien. Dieser Einschätzung schließt sich Katrin Over, Fachanwältin für Verwaltungsrecht aus München, an. Beide widersprechen so der Darstellung des Kultusministeriums. Für den Begriff „Ausnahme“ lasse sich laut Baumann keine „pauschale Definition“ finden. „Feste Grundsätze“ würden nicht existieren, weil sie sich „nicht für jede Schule generell festlegen“ lassen.

    Dieser Redaktion liegen die entsprechenden, ausführlichen, juristischen Einschätzungen vor, die zeigen, dass keine Einigkeit über die aktuelle Rechtslage herrscht. Wolfgang Baumann sagt: „Es braucht eine Gesetzesänderung, um die Rechtslage zu präzisieren.“

    Konsens kann gefunden werden

    Das Beispiel in Karlstadt zeigt exemplarisch, dass innerhalb einer Schule durchaus ein Konsens gefunden werden kann. Gerhard Bleß vom BLLV positioniert sich klar: „Es sei vorbildlich, wenn eine Schule, wie das Johann-Schöner-Gymnasium in Karlstadt, eigenverantwortlich Zielvereinbarungen aushandelt.“ Und wieder steht die Forderung Raum, in solchen Fragen mehr Kompetenzen an die Schulen abzugeben. Dann könnte im Rahmen eines demokratischen Prozesses entschieden werden.

    Politisch nimmt das Thema Fahrt auf. Zahlreiche Abgeordnete verschiedener Parteien sprechen sich für eine Änderung des Gesetzes aus. Grüne, Freie Wähler, AfD, Linke, SPD und FDP beziehen klar Stellung. „Ein generelles Handyverbot an Schulen ist sicher nicht mehr sinnvoll“, sagt beispielsweise die Grünen-Landtagsabgeordnete Kerstin Celina aus Kürnach (Lkr. Würzburg). Es sei längst nicht mehr zeitgemäß „und wird demzufolge in der Praxis mehr oder weniger heimlich oder offiziell unterlaufen“. Die Debatte erscheint nach elf Jahren Handyverbot überfällig. Zeit also, dass sich der Landtag damit befasst? Der SPD-Abgeordnete Georg Rosenthal hat bereits eine Anfrage an die Staatsregierung gestellt. Mitarbeit: ach/micz

    Gesetzliche Regelung Das Handy-Verbot wurde im Jahr 2006 vom Landtag verabschiedet. Bayern ist damit das einzige Bundesland mit einem solchen gesetzlichen Verbot. Im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz heißt es in Artikel 56: „Im Schulgebäude und auf dem Schulgelände sind Mobilfunktelefone und sonstige digitale Speichermedien, die nicht zu Unterrichtszwecken verwendet werden, auszuschalten. Die unterrichtende oder die außerhalb des Unterrichts Aufsicht führende Lehrkraft kann Ausnahmen gestatten. Bei Zuwiderhandlung kann ein Mobilfunktelefon oder ein sonstiges digitales Speichermedium vorübergehend einbehalten werden.“ Die Ministerialbeauftragte der Gymnasien in Unterfranken, Monica Zeyer-Müller, teilt auf Anfrage mit: „Es liegt im Ermessen der Schulleitung, das Handy eines Schülers einzubehalten. Nach geltender Rechtsauffassung sollte dieses aber nach Unterrichtsende wieder zurückgegeben werden.“ Das Schulforum entscheidet mit bindender Wirkung beispielsweise über das Schulprofil, Verhaltensregeln, Hausordnung, Pausenverpflegung und Grundsätze schulischer Veranstaltungen. Das Gremium muss an jeder weiterführenden Schule eingerichtet werden. Es setzt sich zusammen aus dem Schulleiter als Vorsitzendem, drei Lehrern, drei Elternbeiräten und den drei Schülersprechern. mob

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